Europawahl 2024
Studie der TUI Stiftung Europas Jugend fühlt sich politisch zu wenig vertreten
Junge Menschen fühlen sich als Europäer und schätzen das freie Reisen innerhalb der EU. Doch politisch sehen sich viele nicht repräsentiert. Das zeigt die Jugendstudie der TUI Stiftung.
Junge Menschen in Europa haben die Errungenschaften und Werte der Europäischen Union und der Demokratie verinnerlicht und schätzen sie auch. Zugleich sehen sie aber deutliche Schwächen und Probleme. Das ist das Ergebnis der repräsentativen achten Jugendstudie "Junges Europa" der TUI Stiftung.
Dazu hatte das Meinungsforschungsinstitut YouGov Menschen zwischen 16 und 26 Jahren in Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland und Polen befragt.
Als größte Errungenschaften der EU sieht demnach eine Mehrheit das freie Reisen innerhalb der Mitgliedsstaaten sowie die Möglichkeit in anderen Ländern zu arbeiten und das Studium an unterschiedlichen europäischen Universitäten. Dahinter folgen Werte wie Frieden, Demokratie und Menschenrechte, die die Befragten auch der EU zuschreiben. Im Mittelfeld landete die kostengünstige Mobilfunknutzung in der EU.
Vom 6. März 2024 bis zum 19. März 2024 wurden 5.874 Menschen im Alter von 16 bis 26 Jahren per Online-Befragung befragt. In jedem Land wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach den Merkmalen Alter, Geschlecht und Bildungsstand repräsentativ entsprechend der tatsächlichen Verteilungen je Land ausgewählt. Für die Analyse wurden die Ergebnisse nach Alter, Geschlecht und Bildungsstand gewichtet, um geringfügige Abweichungen auszugleichen.
Mehrheit der jungen Menschen fühlt sich auch als Europäer
Ein Ergebnis der Studie ist, dass bei der Mehrheit junger Menschen "hybride" Identitäten dominieren. Sprich, zwischen 50 bis 70 Prozent der Befragten in den einzelnen Ländern sehen sich sowohl als Bürgerinnen und Bürger Europas als auch ihres jeweiligen Landes. Nur eine Minderheit sieht sich exklusiv als Bürger des jeweiligen Heimatlandes. Die Ausnahme bildet Polen. Dort ist der Anteil der Menschen auf 55 Prozent gestiegen, die sich exklusiv ihrem Heimatland verbunden fühlen. Aber auch in Polen finden 50 Prozent der Befragten, dass die Mitgliedschaft in der EU eine gute Sache ist.
In Deutschland ist die Zustimmung mit 65 Prozent am höchsten. Etwa vier von zehn Befragten meinen sogar, dass die Verbindung zwischen den EU-Ländern enger werden sollte und die Mitgliedstaaten mehr Zuständigkeiten an die EU abtreten sollten.
Schlechte Noten für die Politik
Nicht ganz so zufrieden sind die Befragten mit der europäischen Politik. Laut Studie fühlen sich nur 17 Prozent durch das Europaparlament stark oder sehr stark vertreten, in Deutschland sind es 19 Prozent. Auch auf Ebene der Nationalstaaten sieht es nicht viel besser aus: Hier sind es im Durchschnitt nur 17 Prozent, die sich von ihrem jeweiligen nationalen Parlament vertreten fühlen. In Deutschland sind es 23 Prozent, die sagen, "das Parlament vertritt mich stark oder sehr stark". Besonders hoch ist die Ablehnung in Italien und Griechenland.
Dazu kommt, dass etwa ein Drittel der jungen Erwachsenen den Eindruck hat, im jeweiligen Land würden eher die Interessen von Älteren berücksichtigt, in Deutschland sehen das 40 Prozent so. Mehr als jeder Zweite stimmt der Aussage eher zu, dass Politikerinnen und Politiker sich nicht viel darum kümmerten, was junge Menschen denken.
Mehr als zwei Drittel der Befragten sind außerdem eher der Ansicht, dass in der Politik zu viel geredet und zu wenig gehandelt wird.
Die Studie hat die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch gefragt, was sie als derzeit drängendstes Problem auf EU-Ebene sehen. Dabei seht das Thema Migration und Asyl mit 36 Prozent (46 Prozent unter den in Deutschland Befragten) vorne. Im Vergleich zur Befragung 2023 rückt damit der Umwelt- und Klimaschutz auf Rang zwei, gefolgt von Bildungspolitik und Digitalisierung.
Die TUI Stiftung fördert und realisiert nach eigenen Angaben Projekte rund um das Thema "Junges Europa". Sie will demnach den Euopagedanken stärken. Ihren Hauptsitz hat sie in Hannover und ist als eigenständige und unabhängige Stiftung dem Gemeinwohl verpflichtet.
Geringes Vertrauen in Parteien, Unternehmen oder Medien
Laut der Umfrage haben junge Menschen nur wenig Vertrauen in politische Institutionen, Parteien, große Unternehmen oder Medien. Ein überdurchschnittliches Vertrauen genießt demnach lediglich die Wissenschaft mit 67 Prozent. Dabei unterscheiden sich die Werte je nach Land: In Polen gaben 59 Prozent an, diesem Bereich voll und ganz oder eher zu vertrauen, in Italien 78 Prozent.
Die anderen abgefragten Bereiche rangierten über alle einbezogenen Länder hinweg deutlich dahinter: Die Polizei kam auf 39 Prozent bei den Vertrauenswerten, die EU-Institutionen auf 35 Prozent, (nationale) Gerichte auf 30 Prozent, private und öffentlich-rechtliche Medien auf 21 und 20 Prozent. Noch dahinter folgten große Unternehmen und Konzerne, nationale politische Institutionen und politische Parteien. In Deutschland genießen Gerichte und Polizei hingegen mit 55 und 54 Prozent vergleichsweise hohe Vertrauenswerte.
Pessimistischer Blick in die Zukunft
Etwa ein Drittel der jungen Menschen blickt pessimistisch auf die persönliche Zukunft. Einzig in Frankreich zeigen sich junge Befragte optimistischer. Deutschland bleibt im Vergleich zum Vorjahr stabil bei 56 Prozent, die eher optimistisch in die Zukunft blicken.
Politikwissenschaftler Prof. Dr. Thorsten Faas von der FU-Berlin, der die Studie wissenschaftlich begleitet hat, betont, dass die Vielzahl an nationalen und globalen Krisen junge Erwachsene in Europa belaste und verunsichere. "Eine sichere Zukunft und das Wohlstandsversprechen demokratischer Gesellschaften sind nicht selbstverständlich", sagt Faas. "Die Zukunftserwartung ist gedämpft, wird aber insgesamt nicht schlechter, sondern stabilisiert sich in diesem Jahr auf niedrigem Niveau."