Screenshot eines Youtube-Videos: Attacke auf Krankenwagen in Hongkong 2019
faktenfinder

Krawalle an Silvester Video aus Hongkong zur Stimmungsmache

Stand: 04.01.2023 18:00 Uhr

Die Krawalle in der Silvesternacht sind längst zu einem Politikum geworden. Ein angebliches Video von einem Angriff auf einen Rettungswagen heizt die Stimmung im Netz zusätzlich an. Dabei stammt das Video gar nicht aus Berlin.

Von Pascal Siggelkow, ARD-faktenfinder

Die Szenen sind schockierend: Mehrere Menschen attackieren einen Rettungswagen, werfen Gegenstände in die offen stehende Hecktür. Weitere Passanten stehen um den Wagen herum, filmen die Situation. Knapp 30 Sekunden geht das Video, das offenbar nachts aufgenommen wurde.

Wer in dem Video die Gegenstände in den Rettungswagen wirft und warum, geht aus den Bildern nicht hervor. In den sozialen Netzwerken sind sich jedoch einige Nutzer sicher: Die Szenen haben sich in der Silvesternacht in Berlin abgespielt. Auf einigen Versionen des Videos steht im Bild der Zusatz: "Ausnahmezustand in Berlin".

Der ehemalige ÖVP-Abgeordnete Efgani Dönmez schreibt zu dem Video: "'Wir schaffen das.' (Angela Merkel, Deutsche Bundeskanzlerin 2015) - Silvester 2023 in einer vormals europäischen Hauptstadt". Auch ein Politiker der rechtsextremen NPD teilte das Video und schrieb: "Diese Leute gehören in einen Sonderzug - aber nicht nach Pankow, sondern schnellstens zurück in ihre Heimatländer." Dabei ist das Video gar nicht in Berlin entstanden.

Video zeigt Proteste in Hongkong

Das Video wurde im November 2019 in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong aufgenommen, während der Proteste gegen den wachsenden Einfluss Pekings und gegen die pekingtreue Hongkonger Führung. Auf mehreren Videoplattformen ist das Video in höherer Auflösung und längeren Versionen zu sehen, sie alle sind bereits vor einigen Jahren hochgeladen worden. In diesen Versionen ist auch deutlich zu erkennen, dass es sich nicht um Berlin handeln kann. Der Krankenwagen sieht beispielsweise anders aus als die, die in Deutschland im Einsatz sind. Auch die Umgebung, die in der längeren Version zu sehen ist, lässt nicht auf Berlin schließen.

Das Video entstand in der Nähe einer Straßenkreuzung an der Polytechnischen Universität von Hongkong, wo es im Zuge der Proteste zu einer Auseinandersetzung mit den Sicherheitskräften kam. Zeitungsberichten zufolge soll zuvor eine Demonstrantin von der Polizei in den Rettungswagen gebracht worden sein. Die anderen Demonstranten haben nach Angaben des staatlichen chinesischen Fernsehsenders CCTV daraufhin den Rettungswagen attackiert und die Frau befreit. Das Video dazu veröffentlichte der Sender unter anderem bei Twitter. Auch auf dem YouTube-Kanal der "Hong Kong Free Press" ist es zu sehen. Dort hat es eine Länge von 57 Sekunden.

Video wurde bereits öfter für Desinformation missbraucht

In der verkürzten Version, die in den sozialen Netzwerken jedoch vielfach verbreitet wurde, ist das auf den ersten Blick alles nicht ganz so leicht zu erkennen - und diente einigen dazu, die Diskussion rund um die Silvesternacht weiter anzuheizen.

Polizei- und Rettungskräfte waren in der Silvesternacht in mehreren deutschen Städten bei ihrer Arbeit behindert sowie mit Böllern und Raketen beschossen worden. Besonders heftige Ausschreitungen gab es in Berlin. Seitdem wird auch über den Migrationshintergrund einiger Beteiligter diskutiert.

Im Zusammenhang mit den Krawallen hatte die Polizei 145 Menschen festgenommen - zunächst hatte sie von 159 Festgenommenen berichtet, die Zahl aber später korrigiert. Erstmals machte die Polizei nun auch Angaben zu der Herkunft der mutmaßlichen Täter. Demnach haben sie 18 verschiedene Staatsangehörigkeiten. Die meisten - 45 Tatverdächtige - seien Deutsche. Danach folgten 27 Verdächtige afghanischer Nationalität und 21 Syrer.

Es ist nicht das erste Mal, dass der verkürzte Videoausschnitt aus Hongkong dazu genutzt wird, um Stimmung gegen Menschen mit Migrationshintergund zu machen.