Ein beschädigtes Haus steht nach dem Wirbelsturm "Helene" am 2. Oktober 2024 in Chimney Rock.
Kontext

Hurrikane in den USA Wie Trump die Stimmung mit Falschaussagen anheizt

Stand: 09.10.2024 15:42 Uhr

Erst der Hurrikan "Helene", dann "Milton": Die USA werden derzeit von Naturkatastrophen heimgesucht. Präsidentschaftskandidat Trump versucht, die Lage für sich zu nutzen - mit vielen Falschbehauptungen.

Von Pascal Siggelkow, ARD-faktenfinder

"Das ist das Schlimmste, was ich je erlebt habe", sagt Deanne Criswell von der staatlichen US-Katastrophenschutzbehörde FEMA angesichts der zahlreichen Desinformationen, die angesichts der Hurrikane "Helene" und "Milton" derzeit in den USA verbreitet werden. "Es schafft Misstrauen gegenüber der Bundesregierung, aber auch gegenüber der Landesregierung, und wir haben so viele Ersthelfer, die sich für diese Gemeinden eingesetzt haben." Der wohl prominenteste Verbreiter gleich mehrerer Falschbehauptungen: Präsidentschaftskandidat Donald Trump.

Hilfsgelder nicht für Einwanderer ausgegeben

So sagte Trump auf einer Wahlkampfveranstaltung, dass seine Gegenkandidatin und die derzeitige Vizepräsidentin, Kamala Harris, das Geld der Katastrophenschutzbehörde FEMA für die Unterbringung illegaler Einwanderer ausgegeben habe. Doch das ist falsch. Für das laufende Jahr hat der US-Kongress mehr als 35 Milliarden US-Dollar für Katastrophenhilfe bewilligt. Dieses Geld kann nicht einfach für andere Zwecke ausgegeben werden.

Zusätzlich gibt es einen separaten Topf von insgesamt 650 Millionen US-Dollar, mit dem staatliche und lokale Regierungen bei der Unterbringung von Migranten unterstützt werden, wie CNN berichtet. Trump befeuert mit seiner Aussage die von ihm verbreitete Verschwörungserzählung, die Demokraten würden illegale Einwanderer ins Land holen, um bei der Wahl für Harris zu stimmen. Auch hierfür gibt es jedoch keinerlei Beweise.

"Die Mittel für Gemeinden zur Unterstützung von Migranten werden vom Kongress für die Zoll- und Grenzschutzbehörde bereitgestellt - sie haben nichts mit dem FEMA-Katastrophenhilfefonds zu tun", teilte die FEMA mit. Der FEMA-Katastrophenhilfefonds verfüge über genügend Mittel, um Betroffene vom Hurrikan "Helene" zu unterstützen. "FEMA verfügt über die Mittel, die sie für die unmittelbare Reaktion und die Wiederherstellungsmaßnahmen benötigt."

Mehr als 750 US-Dollar Hilfe pro Person möglich

Ebenfalls für viel Aufruhr sorgte die Falschbehauptung, die Katastrophenschutzbehörde FEMA würde lediglich 750 US-Dollar für Menschen zahlen, die durch einen Hurrikan zum Beispiel ihr Haus verloren haben. Auch Trump verbreitete diese Desinformation. Dabei stimmt das nicht, wie die FEMA klarstellte.

Denn bei den 750 US-Dollar handelt es sich demnach lediglich um die Soforthilfe für Betroffene, um zum Beispiel Lebensmittel oder Medikamente kaufen zu können. Zusätzlich können jedoch auch weitere Hilfen beantragt werden, beispielsweise Unterstützung für vorübergehende Unterbringung oder Reparaturkosten für das Haus.

Biden hatte Kontakt mit Gouverneur

Trump hatte auch fälschlicherweise behauptet, dass US-Präsident Joe Biden nicht in Kontakt mit dem Gouverneur des Bundesstaats Georgia, Brian Kemp, stand, nachdem der Hurrikan "Helene" ihn erreicht hatte. "Er hat den Präsidenten angerufen, konnte ihn aber nicht erreichen", sagte Trump. Dabei hatte Kemp selbst gegenüber Reportern berichtet, dass es er mit Biden telefoniert habe. Er selbst habe zunächst einen Anruf von Biden verpasst, nicht umgekehrt.

Zudem behauptete Trump, dass im Bundesstaat North Carolina keine Hubschrauber unterwegs gewesen seien, um Menschen zu helfen. Auch das ist falsch. Nach Angaben der Luftfahrtbehörde von North Carolina hat der Luftverkehr über dem Westen des Bundesstaats aufgrund der Hurrikan-Hilfsmaßnahmen um 300 Prozent zugenommen.

Der Bundesstaat North Carolina teilte mit: "Insgesamt 53 Such- und Rettungsteams aus North Carolina und darüber hinaus mit mehr als 1.600 Mitarbeitern haben während dieses Ereignisses Such- und Rettungsaktionen durchgeführt. Die Such- und Rettungsteams haben mit mehr als 5.400 Menschen interagiert, einschließlich Hilfeleistungen, Evakuierungen und Rettungen."

Auch Musk verbreitet Falschbehauptung

Nicht nur Trump verbreitete Falschbehauptungen rund um die Hurrikane. So schrieb Elon Musk, bekennender Unterstützer von Trump, dass die FEMA nicht nur versage, sondern sich auch weigere, andere helfen zu lassen. Auch das stimmt nicht.

Trumps Parteikollegin, die republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene verbreitete die Verschwörungserzählung von angeblicher Wettermanipulation. Sie behauptete, die Demokraten hätten den Hurrikan "Helene" gezielt verursacht. Dass so etwas gar nicht möglich ist, haben Experten bereits mehrfach erklärt.

"Risiko für die öffentliche Sicherheit"

Mit einer eigenen Faktencheckseite versucht die Katastrophenschutzbehörde FEMA, gegen die vielen falschen Behauptungen anzugehen. Doch trotz dieser Bemühungen verbreiten sich einer Analyse des Institute for Strategic Dialogue (ISD) zufolge viele dieser Falschbehauptungen weiterhin im Internet, zusammen mit Drohungen gegen diejenigen, die an den Rettungsmaßnahmen beteiligt sind. "Diese Inhalte erreichen Millionen von Menschen und stellen in einigen Fällen ein glaubwürdiges Risiko für die öffentliche Sicherheit dar", heißt es in der Analyse.

Falschbehauptungen über die Reaktion auf den Hurrikan hätten zu glaubwürdigen Drohungen und Aufrufen zur Gewalt gegen die Bundesregierung geführt - dazu gehörten Aufrufe, Milizen zu entsenden, um die FEMA wegen der angeblichen Verweigerung von Hilfe zu bekämpfen.

Antisemitischer Hass und Gewaltverherrlichung

Nach Angaben des ISD kam es zudem zu einer Flut von antisemitischem Hass, vor allem gegen Jaclyn Rothenberg, die Direktorin für öffentliche Angelegenheiten bei der FEMA. So wurde ihr vorgeworfen, Hilfsgelder für US-Amerikaner verweigert zu haben und stattdessen an Israel weitergegeben zu haben. "Falsche Darstellungen der aktuellen finanziellen Ressourcen der FEMA sind ebenso weit verbreitet wie falsche Verschwörungen in Bezug auf ausländische Hilfe und die Zuweisung von Mitteln für die Katastrophenhilfe", schreibt das ISD.

In den sozialen Netzwerken führte das dazu, dass unbestätigte Behauptungen über Angriffe auf FEMA-Mitarbeiter verherrlicht wurden, heißt es in der Analyse vom ISD. So wurde ein Video, das angeblich zeigen soll, wie ein FEMA-Direktor verprügelt wird, millionenfach angesehen und zum Teil zelebriert. Dabei stammte das Video in Wahrheit aus dem Jahr 2023 und wurde in einem anderen Zusammenhang aufgenommen.

"Die Situation veranschaulicht einen breiteren Trend: Immer mehr Verschwörungsgruppen, extremistische Bewegungen, politische und kommerzielle Interessen und manchmal auch feindlich gesinnte Staaten verbünden sich im Zusammenhang mit Krisen, um ihre Ziele durch Online-Falschmeldungen, Spaltung und Hass zu erreichen", schreibt das ISD. "Sie nutzen Moderationsfehler in den sozialen Medien aus, spielen mit ihren algorithmischen Systemen und haben oft gefährliche Auswirkungen in der realen Welt."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 09. Oktober 2024 um 05:07 Uhr.