Internet in Russland

Neue Gesetze in Russland Schutz vor "Netz-Terroristen"?

Stand: 07.03.2019 15:39 Uhr

Russlands Parlament hat Gesetze zum Verbot von "Fake News" und gegen "Missachtung der staatlichen Macht" beschlossen. Sie sollen Schutz vor "Netz-Terroristen" bieten. Kritiker fühlen sich an Sowjetzeiten erinnert.

Von Silvia Stöber, tagesschau.de

Steuert Russland auf eine Einschränkung der Meinungs- und Medienfreiheit wie zu Sowjetzeiten zu? Angesichts von Gesetzen zur "Missachtung der staatlichen Macht" und zum Verbot von "Fake News" im Internet, die die Duma nun beschloss, befürchten Kritiker dies.

Den neuen Regelungen entsprechend können Gerichte "eklatante Respektlosigkeit" gegenüber der Gesellschaft, dem Land, gegen staatliche Symbole, die Verfassung oder die Behörden ahnden. Es drohen Geldstrafen. Wiederholte Beleidigungen können 15 Tage Gefängnis zur Folge haben. Was als "respektlos" gilt, ist dabei so vage formuliert, dass zum Beispiel auch Satire im Internet darunter fallen könnte.

Regierung sollte sich Kritik anhören

Eingebracht hatte die Gesetzesänderungen Andrej Klischas von der Regierungspartei "Einiges Russland" bereits im Dezember. Er wies Vorwürfe der Zensur zurück. Der Vizeminister für Kommunikation, Alexej Wolin, bemängelte jedoch in der Zeitung "Wedomosti", Aufgabe der Regierung sei es, sich Kritik an ihrer Arbeit in Ruhe anzuhören.

Der Anwalt Sergej Schwakin schrieb auf Facebook: Vor zwei Jahren habe er davon gesprochen, dass man sich Anekdoten bald nur noch in der Küche zuflüstern könne. Diese Prognose werde nun wahr. Schwakin nahm Bezug auf Sowjetzeiten, als man in den eigenen vier Wänden erst leise und dann in den 1980er-Jahren immer lauter über die Sowjetführung spottete.

Schutz der Gesellschaft oder der Macht?

Vom Abgeordneten Klischas stammt ein weiterer Gesetzentwurf zu Desinformation im Internet, das auch nach eingefügten Präzisierungen noch Raum für Auslegung lässt.

Dem Gesetz zufolge können Gerichte die Telekommunikationsbehörde Roskomnadzor anweisen, Betreiber von Internetseiten zur Entfernung von Texten mit "Fake News" aufzufordern. Kommen diese der Aufforderung nicht nach, sperrt Roskomnadzor den Zugang zu den Seiten. Verurteilte Betreiber werden zu Geldstrafen verurteilt.

Die Geldstrafen für wissentlich erfundene und gesellschaftlich bedeutende Nachrichten betragen für Privatpersonen bis zu 1340 Euro, für Beamte und juristische Personen liegen sie höher und steigen bei Wiederholung und schweren Folgen wie der Beeinträchtigung von Infrastruktur oder der Gefährdung von Leben bis auf etwa 20.000 Euro.

Der Abgeordnete Pawel Krasheninnikow begründete das Gesetz mit dem Schutz vor "Netz-Terroristen", die falsche Informationen über wichtige Ereignisse verbreiteten. In einem Artikel der Zeitung "Nowaja Gaseta" hieß es dazu, das Gesetz solle vorgeblich die Sicherheit der Gesellschaft erhöhen. Tatsächlich schützten solche Gesetze aber die Macht.

Anwendung könnte das Gesetz zum Beispiel bei Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen finden, wie dem Großbrand in einem Einkaufszentrum in Kemerowo im März 2018 oder der schweren Explosion in einem Wohnblock in Magnitogorsk Ende des Jahres. Danach tauchten Fragen nach der Verantwortung der Behörden auf, aber auch Spekulationen über die Ursachen.

Kritik auch an Gesetzen in der EU

Der Abgeordnete Klischas verwies auf seiner Meinung nach vergleichbare Gesetze im Westen. In der Tat gibt es zum Beispiel in Frankreich Gesetze gegen Desinformation. Die im November vom französischen Parlament beschlossene Regelung sieht vor, dass Richter drei Monate vor einer landesweiten Wahl die Verbreitung von Desinformation verbieten können. Die Richter müssen innerhalb von 48 Stunden entscheiden, ob es sich um gezielt verbreitete Falschinformationen handelt. Zudem können Facebook und Twitter dazu verpflichtet werden, bezahlte Nachrichteninhalte offenzulegen.

Um die Bekämpfung von Hasskriminalität in sozialen Netzwerken geht es beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Deutschland. Bußgelder können gegen Anbieter sozialer Netzwerke verhängt werden, wenn sie nicht auf Nutzerbeschwerden eingehen.

Auch wenn diese Gesetze präziser auf ihre Anwendung hin formuliert sind, lösten sie große Kritik aus - wegen Zweifeln an ihrer Wirksamkeit und weil auch sie Raum für Willkür lassen.

Ein abgeschottetes Internet

Nicht am Westen, sondern an China orientiert sich die russische Führung offenbar mit Plänen, das Internet in Russland vom Ausland abzukoppeln. Ziel ist es, den Internetverkehr in Russland nur noch über Server und Knotenpunkte laufen zu lassen, die Roskomnadzor kontrolliert. Tests dazu sollen im April anlaufen. Ideen für ein solches nationales Internet hatte ein chinesischer Informatiker vor Jahren vorgestellt.

Auch wenn Präsident Wladimir Putin auf Gefahren von Cyberattacken aus dem Ausland verweist, befürchten viele Bürger, Russland könne in der virtuellen Welt isoliert werden. Am 10. März findet deshalb in Moskau eine Demonstration für die Freiheit des Internets statt.