US-Wahlkampf Die Lüge als Politik
Die Demokraten hätten einen Polizisten-Mörder in die USA gelassen - und auch dafür gesorgt, dass er bleiben könne. Dies ist nur eine von diversen falschen Behauptungen des US-Präsidenten.
Das Video sorgt in den USA für hitzige Debatten: Es zeigt einen wegen zweifachen Polizistenmordes in den USA verurteilten Mexikaner, der ankündigt, weitere Menschen zu töten. Der Werbespot wird begleitet von den Botschaften "Die Demokraten haben ihn in unser Land gelassen" und "Die Demokraten haben ihm erlaubt zu bleiben". Es folgen Bilder der derzeitigen Flüchtlingsmärsche aus Mittelamerika und die Botschaft "Wen würden die Demokraten noch hereinlassen?"
Donald Trumps Wahlkampfteam hatte dieses Video vergangene Woche veröffentlicht, große Medien strahlen den Spot gar nicht aus oder nahmen ihn inzwischen aus dem Programm. Sogar der konservative Sender FoxNews zeigt den Film nicht mehr, Facebook löschte das Video. Auf Twitter hingegen ist der Wahlspot weiterhin zu sehen - und es wurde dort bereits mehr als 41.000 Mal retweetet.
Obwohl Faktenchecker in den USA schnell dokumentiert haben, dass in dem Video irreführende Behauptungen aufgestellt werden, hat Trump sein Ziel erreicht: Einmal mehr setzt er die Themen. Dass viele seiner Aussagen nicht stimmen, ist einerseits längst bekannt, andererseits für viele seiner Anhänger vor allem eins: nebensächlich.
Aussagen schlicht falsch
Das Portal "Politifact" erklärt, warum Trumps Behauptung aus dem Video falsch ist. Zum einen hatten nicht Demokraten dafür gesorgt, dass der Polizistenmörder in den USA bleiben konnte. Sein letzter illegaler Grenzübertritt sei unter dem republikanischen Präsidenten Bush geschehen. Es gebe keine Belege, dass jemand dafür gesorgt habe, dass er in den USA bleiben konnte. Zum anderen gebe es keine Belege, dass unter den Flüchtlingen, die aktuell aus Mittelamerika kommen, Schwerkriminelle seien.
Falsch sei auch, dass die Demokraten ganze Karawanen von Flüchtlingen einladen würden, stellt "Politifact" fest. Trump habe zudem suggeriert, die Demokraten wollten Flüchtlinge schnell ins Land bringen, damit sie bei den Midterms abstimmen könnten. Auch diese Behauptung sei nicht korrekt.
Insgesamt untersuchten die Faktenchecker in den vergangenen Jahren mehr als 800 Aussagen von Politikern über Flüchtlinge. Das Ergebnis: ein Drittel davon waren komplett falsch oder gelogen, weitere 20 Prozent meist falsch, noch einmal 20 Prozent stufte "Politifact" als halbwegs wahr ein. Nur ein Viertel der Behauptungen waren demnach überwiegend oder ganz richtig.
Richtig oder falsch? | Prozent |
---|---|
Richtig | 10% |
Überwiegend zutreffend | 17% |
Halbwegs wahr | 20% |
Meist falsch | 20% |
Falsch | 22% |
Lüge | 11% |
Aber Trump verbreitete nicht nur über Flüchtlinge falsche Behauptungen, auch Aussagen beispielsweise über die Entwicklung der Wirtschaft spielten eine große Rolle.
Social-Media-Schlacht
Schon der US-Wahlkampf 2016 war nicht nur von falschen Anschuldigungen überschattet worden. Auch die dokumentierten Manipulationsversuche aus Russland beschäftigen die Öffentlichkeit bis heute. Immer wieder legten Ermittler neue Erkenntnisse vor, wie durch Fake-Profile und politische Anzeigen bestehende Konflikte in den USA angestachelt werden sollten.
Als Konsequenz gelobten Facebook und Twitter, verstärkt verdächtige Aktivitäten zu beobachten und zu ahnden. Mehrfach löschten die Social-Media-Giganten falsche Profile, die in Verbindung stehen sollen mit einer russischen Trollfabrik in St. Petersburg. Die Internet Research Agency (IRA) gilt als Desinformationsagentur der russischen Regierung. Aussteiger berichteten bereits über ihre Arbeit dort.
Erneut Profile gesperrt
Gestern, am Abend vor den Midterms, teilte Facebook mit, das Unternehmen habe 30 Facebook- sowie 85 Instagram-Konten gesperrt, die möglicherweise an koordinierten Aktivitäten beteiligt gewesen seien. Nun würden diese Konten genauer untersucht. Der genaue Hintergrund sei noch unklar.
Eine Woche zuvor hatte Facebook 82 Seiten und Gruppen gelöscht, die aus dem Iran koordiniert die politischen Debatten in Großbritannien und den USA beeinflussen sollten. Schon zuvor waren iranische Manipulationsversuche in Europa enthüllt worden.
Strategie modifiziert
Experten in den USA meinen, die Trolle hätten ihre Strategie mittlerweile verändert. Statt auf komplett erfundene Geschichten zu setzen, also auf Fake News, greifen sie nun auf Themen von links- oder rechtsradikalen Akteuren und versuchen, den politischen Diskurs zu polarisieren und anzuheizen.
Solche Inhalte seien schwerer als Einflussnahme von außen zu identifizieren und leichter umzusetzen, sagt die Cybersicherheitsexpertin Priscilla Moriuchi der Nachrichtenagentur Reuters.
Nicht alles ist immer ein Bot
Gleichzeitig warnen Fachleute aber davor, zu schnell von Social Bots und Fake-Accounts zu sprechen. Nur weil jemand sehr viel twittere oder radikale Ansichten vertrete, sei er nicht gleich ein russischer Bot, betont Yoel Roth von Twitter.
Auch die EU-Beobachtungsstelle gegen Desinformation behauptete im Oktober, bei einem Video über "Manspreading" handele es sich um vom Kreml inszeniertes Material, obwohl es dafür keine Beweise gibt.
Attacken auf Basis demokratischer Politik
Halbwahrheiten oder glatte Lügen als Mittel der Politik und versuchte Manipulation in den sozialen Netzwerken: Diese Mischung lässt Misstrauen gedeihen und verunsichert viele Menschen, was man überhaupt noch glauben kann. Die Lügen und Fakes transportieren nicht nur "alternative Fakten", sondern trüben den politischen Orientierungssinn und zerstören Vertrauen in alle Quellen.
Der Verfassungsrechtler Gerhard Casper warnte in der "Zeit", Trump attackiere mit seinen Lügen das Fundament demokratischer Politik. Diese beruhe nämlich "auf der Auseinandersetzung darüber, was die Fakten sind und welche Konsequenzen sie haben. Diese Defaktualisierung halte ich im Augenblick für die gefährlichste Entwicklung."