Anerkennungsverfahren Zermürbendes Warten für ukrainische Ärzte
Sie sind zum Teil schon seit Jahren in Deutschland und dürfen trotzdem noch nicht arbeiten: Viele ukrainische Ärztinnen und Ärzte warten immer noch auf die Anerkennung ihrer Approbation. Dabei ist der Bedarf groß.
Nadija Mozheyko ist Laborärztin aus Kiew. Sieben Jahre hatte sie dort in ihrem Beruf schon gearbeitet, als im Februar 2022 der Krieg begann. Kurz danach floh sie mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern nach Deutschland. Seit knapp eineinhalb Jahren leben sie jetzt im rheinland-pfälzischen Koblenz.
Während ihr Mann als Ingenieur schnell Arbeit fand, wartet Nadija Mozheyko immer noch darauf, dass ihr ukrainischer Medizinabschluss anerkannt wird. Die dafür notwendigen Dokumente lägen seit etwa einem halben Jahr bei der Ärztekammer. Das lange Warten sei zermürbend, sagt Mozheyko. "Ich möchte nicht hier sitzen und nichts machen."
"Die Verwaltungsprozesse dauern einfach zu lang"
Immerhin habe sie mittlerweile einen Termin für ihre Fachsprachenprüfung bekommen - im kommenden Februar. Danach müsse sie wahrscheinlich noch eine Kenntnisprüfung machen, dann könne sie eine Berufserlaubnis beantragen, um zumindest als Assistenzärztin arbeiten zu können - vorausgesetzt, sie findet eine Stelle in einem Krankenhaus.
"Wir müssen sicher sein, dass die Qualifikation unzweifelhaft ist", sagt Susanne Johna, die Erste Vorsitzende des Marburger Bundes. Das könne aber nicht bedeuten, dass Antragsteller mitunter mehr als zwei Jahre auf eine Kenntnisprüfung zur Feststellung einer gleichwertigen Ausbildung warten müssten. "Die Verwaltungsprozesse dauern einfach zu lang", sagt Johna.
Vorbereitung auf Kenntnisprüfung kostet zusätzlich Zeit
Das aktuell langwierige und bürokratische Verfahren hält auch Oksana Ulan für "unbefriedigend." Sie ist praktizierende Allgemeinärztin sowie Vorsitzende der Ukrainischen Ärztevereinigung in Deutschland und stört sich vor allem an der Kenntnisprüfung, die viele Ärzte aus Drittstaaten ablegen müssen.
Die Fragen orientieren sich an der mündlich-praktischen Prüfung des deutschen Staatsexamens. Die sei für Fachärzte, die schon lange praktizierten, aber gar nicht so einfach, weil sie vieles davon in ihrem konkreten Berufsfeld gar nicht bräuchten. Viele müssten deshalb nur für die Kenntnisprüfung nochmal extra Kurse besuchen. Das koste dann wieder mehr Zeit.
"Auch ich will natürlich nicht von jemandem behandelt werden, der keine Ahnung hat", sagt Ulan. Um das zu prüfen, gibt es aus ihrer Sicht aber bessere und schnellere Wege: Sobald ihre Abschlüsse anerkannt wurden, sollten die berufserfahrenen ukrainischen Ärzte ein bis zwei Jahre direkt unter Aufsicht arbeiten dürfen. "So könnten gleich Fachkenntnis und Sprache getestet werden." Die Beurteilung des Chefarztes würde die Prüfung ersetzen. Erst wenn dann festgestellt werde, dass es noch nicht ausreiche, sollten die Ärzte die Kenntnisprüfung machen müssen, meint Ulan.
Sie wisse von vielen Ärzten und Ärztinnen aus der Ukraine, die das aktuell geltende Verfahren in Deutschland nicht auf sich genommen hätten und stattdessen nach Spanien, in die Niederlande oder Polen abgewandert seien, weil sie dort schneller hätten arbeiten dürfen.
5.500 offene Arztstellen in den Kliniken - Tendenz steigend
Angesichts des Fachkräftemangels bei den Ärzten in Deutschland sei das kein gutes Signal, sagt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß. "Derzeit haben wir rund 5.500 offene Arztstellen in unseren Kliniken - Tendenz steigend." Dass auf der anderen Seite bundesweit etwa 1.400 Approbationsanträge von ukrainischen Ärztinnen und Ärzten noch offen seien und seit Kriegsbeginn 2022 erst um die 180 genehmigt wurden, sei "wirklich erschreckend."
Problematisch ist laut Gaß vor allem, dass die Prüfmaßstäbe beim Anerkennungsverfahren in den Bundesländern unterschiedlich seien. Da könne es passieren, dass ein Arzt in einem Bundesland die Voraussetzungen erfülle, im nächsten dann doch noch eine Fortbildung machen müsse.
Deshalb sieht er dringenden Abstimmungsbedarf zwischen den Bundesländern: "Wir brauchen bundesweite Standards, die dann für alle gelten." Um das Anerkennungsverfahren insgesamt zu beschleunigen, schlägt er vor, dass die Bundesländer sich die Aufgaben aufteilen. Beispielsweise bei der Überprüfung von bestimmten Universitäten oder Studiengängen in Drittstaaten wie der Ukraine, damit nicht jeder bei jedem Verfahren wieder bei Null anfangen muss. "Idealerweise in einem digitalen Verfahren, damit man nicht ständig Papier hin- und herschieben muss", sagt Gaß.
Fehlendes Personal in Approbationsbehörden der Länder
Für Susanne Johna vom Marburger Bund liegt das Problem auch darin, dass die 2016 geschaffene zentrale Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe (GfG) personell immer noch unterbesetzt sei. Sie soll die Gleichwertigkeit ärztlicher Berufsabschlüsse aus Drittstaaten wie der Ukraine prüfen. Auch in vielen Approbationsbehörden in den Ländern fehle Personal.
Die aktuelle Situation ist laut Johna "rufschädigend". Es spreche sich unter qualifizierten Ärztinnen und Ärzten aus dem Ausland herum, wie kompliziert das Verfahren in Deutschland sei. "Wenn es anderswo einfacher ist und schneller geht, müssen wir uns nicht wundern, dass Deutschland bei Hochqualifizierten an Attraktivität verliert."
Das könne sich Deutschland angesichts des demografischen Wandels und des schon bestehenden Fachkräftemangels bei den Ärzten allerdings nicht leisten, sagt auch Gerald Gaß.
Gesundheitsministerium plant Änderung
Das Bundesministerium für Gesundheit erklärt auf Nachfrage, dass Änderungen der Bundesärzteordnung und der Approbationsordnung für Ärzte geplant seien, mit denen die Verfahren zur Anerkennung von Berufsqualifikationen aus Drittstaaten insgesamt beschleunigt werden sollen. Dazu gehöre auch die Möglichkeit des direkten Einstiegs in die Kenntnisprüfung, ohne dass vorher die Dokumente auf Gleichwertigkeit geprüft werden müssten. Darüber hinaus seien weitere Möglichkeiten zum Bürokratieabbau geplant, unter anderem sollen Unterlagen künftig auch elektronisch übermittelt werden können.
Diese Vorschläge werden laut Bundesgesundheitsministerium momentan mit den Ländern und den Bundesressorts abgestimmt. Nadija Mozheyko und Hunderten anderen ukrainischen Ärzten, die bereits in der Warteschleife hängen, bringt das erstmal nichts. Es nochmal in einem anderen Land zu versuchen, in dem sie schneller arbeiten könnte, ist für Mozheyko keine Option. Ihr Mann hat Arbeit, ihre Kinder haben sich in Koblenz eingelebt.
Wenn ihr Anerkennungsverfahren irgendwann abgeschlossen ist, hofft sie auf eine Stelle in der Inneren Medizin. "Später hätte ich dann gern eine eigene Hausarztpraxis", sagt sie. Sollte das klappen, könne sie sich auch vorstellen, dauerhaft in Deutschland zu bleiben.