"Ankerzentren" in der Kritik Seehofers verbales Schulterzucken
Bis Herbst sollen die ersten "Ankerzentren" eröffnen - trotz massiver Kritik. Zunehmend profiliert sich der Koalitionspartner SPD mit Kritik. Doch Innenminister Seehofer bleibt bei seinem Lieblingsprojekt.
Die geplanten "Ankerzentren" entwickeln sich immer mehr zum Problemfall: Viele Bundesländer, die Polizei und Verbände sind strikt dagegen. Doch Innenminister Horst Seehofer hält an seinem Prestige-Projekt fest. "Die Gespräche mit den Bundesländern zeigen, dass es durchaus die Bereitschaft gibt, sich an den Piloten zu beteiligen und die "Ankerzentren" so auch mitzugestalten", sagte der CSU-Vorsitzende der "Bild am Sonntag".
Sechs Pilotprojekte will Seehofer bis September eröffnen. Dort sollen Ausländer bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens und einer möglichen Abschiebung untergebracht werden - bis zu 1500 pro Standort. Seehofer glaubt, dass die Kritiker nach der Pilotphase verstummen.
Nach einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur sperren sich bisher die meisten Länder gegen die Einrichtung der "Ankerzentren". Sie mahnen konkretere Pläne an. Bislang unterstützen nur Bayern und Sachsen die "Ankerzentren".
Kritik an Seehofers Plänen
Kritik kommt auch von der SPD, die Asyl-und Sicherheitsthemen inzwischen offenbar als besonders relevant für viele Wähler erkannt hat: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil ging auf Konfrontationskurs zum Innenminister und mahnte konkrete Pläne an. Offenbar sei "Seehofer der einzige, der dieses Rätsel lösen kann". "Wir haben Erstaufnahmezentren in Bad Fallingbostel und Bramsche", fügte Weil hinzu: "Die laufen gut." Wenn es nur darum ginge, "das Türschild auszuwechseln, dann wäre das für uns kein Problem", ergänzte er. "Wenn Seehofer mit dem Begriff Anker-Zentren jedoch etwas anderes meint, dann möge er uns bitte erst mal sagen, was er denn will", verlangte Weil.
Stephan Weil sieht die "Ankerzentren" kritisch.
Was wir definitiv nicht zulassen werden ist, dass beispielsweise in einer Stadt wie Bad Fallingbostel mit 10.000 Einwohnern 1000 bis 1500 Flüchtlinge anderthalb Jahre ohne Perspektive in einer Einrichtung leben müssen», sagte Weil der "Nordwest-Zeitung": "So etwas wird es mit mir in Niedersachsen nicht geben.
Pistorius: Grundgesetzänderung nötig?
Gleichzeitig wies Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" Vorwürfe der Union zurück, er halte sich nicht an die ausgehandelte Einigung im Koalitionsvertrag. "Im Koalitionsvertrag steht nur das Ziel, welches wir mit "Ankerzentren" verfolgen, also vor allem schnellere Verfahren", sagte der SPD-Politiker. "Wie dies zu erreichen ist, muss der Bundesinnenminister jetzt sagen. Solange ich das nicht weiß, kann ich kaum zustimmen." Er hält Gesetzesänderungen für nötig - vielleicht "sogar auf Ebene des Grundgesetzes".
Seehofer hatte demgegenüber gesagt, Gesetzesänderungen seien für die geplanten Pilotprojekte nicht erforderlich.
Auch die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles ist skeptisch. Die entscheidenden Fragen seien noch ungeklärt, sagt sie der "Passauer Neuen Presse". "Stattdessen kritisiert die CSU die Länder, weil diese angeblich blockieren, dabei machen die Länder nur darauf aufmerksam, dass sie nicht wissen, was auf sie zukäme - außer dass sich die Bundespolizei nicht beteiligen will." Solange Seehofer nicht für Klarheit sorge, werde er sich kritische Fragen gefallen lassen müssen.
Pro Asyl: "Entrechtung von Asylsuchenden"
"Anker" ist die Kurzform für Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtung. Nach Plänen des Bundesinnenministeriums sollen dort Erwachsene alleinstehende Asylbewerber bis zu 18, Familien bis zu sechs Monate bleiben, um sicherzustellen, dass beim Verlassen ihr Asylverfahren beendet ist. Seehofer erhofft sich von den "Ankerzentren" eine Erhöhung der Abschiebezahlen durch die direkte Ausreise aus den Zentren.
Die Flüchtlingsrechtsorganisation Pro Asyl kritisiert, die "Entrechtung der Asylsuchenden". Die Schutzsuchenden sollten "entmutigt" und dazu gebracht werden, entweder in ihre Heimatländer oder in ein anderes EU-Land zurückzukehren.