Interview zum Helsinki-Treffen "Trump überschätzt sich ein wenig"
Auch die Bundesregierung beobachtet das Helsinki-Treffen natürlich sehr genau. "Es ist schon spannend, was am Ende passiert", sagt Außen-Staatssekretär Annen im NDR-Interview. Vor allem Trump mache Sorgen.
NDR: Es gibt vor dem Treffen in Helsinki Hoffnungen und Befürchtungen Deutschlands und der EU. Fangen wir mit den Hoffnungen an. Außenminister Heiko Maas zum Beispiel erhofft sich Fortschritte beim Thema Abrüstung. Was noch?
Niels Annen: Ja, das wäre natürlich wichtig, wenn die beiden Präsidenten - vor allem der amerikanische Präsident - dieses Thema ansprechen würde, weil wir davon direkt betroffen sind. Es gibt ja durchaus glaubwürdige Berichte, dass die russische Seite den INF-Vertrag mit der Stationierung neuer Raketen ganz in unserer Nähe in Kaliningrad verletzt hat. Und das wäre eigentlich ein klassisches Thema für einen solchen Gipfel.
Nur: Wir haben gerade den NATO-Gipfel hinter uns. Das ist ja im Grunde genommen das Treffen der Verbündeten, der westlichen Freunde - das der amerikanische Präsident mit seinem Verhalten fast gesprengt hat. Jetzt hat er gestern darüber geredet, dass die Europäische Union ein Feind der USA sei. Das heißt man muss sich die Frage stellen: Wer trifft sich dort eigentlich? Der amerikanische Präsident als - wie man früher einmal gesagt hat "Führer der westlichen Welt"? Oder jemand, der zu Lasten Dritter - auch möglicherweise auf unsere Kosten - einen Deal mit Herrn Putin machen kann?
NDR: In diesem Zitat gestern ging es aber nicht nur um die EU, sondern auch um Russland und China als Gegner. Inwieweit überschatten solche Interviews eigentlich politische Gespräche - oder spielt es vor solchen Treffen eigentlich keine allzu große Rolle?
Annen: Politik wird natürlich auch mit Worten gemacht - und deswegen hat es eine Bedeutung, gerade wenn es der mächtigste Mann der Welt sagt. Wir haben bei Herrn Trump allerdings auch gelernt, dass seine Mitarbeiter manchmal Interessen oder eine Initiative vorbereiten, sich da auch abstimmen mit den europäischen Partnern und der amerikanische Präsident am Ende - aus welcher Motivation auch immer - etwas ganz anderes macht. Diese Unberechenbarkeit ist nicht gut für die Politik. Gerade, wenn sich zwei so mächtige Personen treffen wie Donald Trump und Wladimir Putin. Dann bleibt eben dieser Unsicherheitsfaktor bestehen.
Ich glaube, dass man bei aller Freundlichkeit sagen muss: Der amerikanische Präsident überschätzt sich auch ein wenig. Er hält sich ja für einen großen Verhandler, einen großen deal maker. Große Deals sind dabei bisher gar nicht herausgekommen.
Der russische Präsident wird sich sehr systematisch vorbereiten. Er ist ein sehr erfahrener Politiker, er hat klare Ziele. Ob das auf der anderen Seite auch der Fall ist, das weiß man nicht.
Man muss ja auch hinzufügen: Wir haben bisher eigentlich immer nur Streit gehabt zwischen den demokratischen Verbündeten und den Vereinigten Staaten - auch mit Deutschland. Wir sind hart attackiert worden. Gleichzeitig sehen wir, dass sich dieser Präsident offensichtlich wohlfühlt neben Kim Jong Un und anderen Autokraten. Wir schauen mit einer gewissen Besorgnis auf diesen Gipfel, obwohl es natürlich trotzdem grundsätzlich gut ist, dass sich Russland und Amerika treffen, weil es sehr viel zu besprechen gibt.
NDR: Das ist tatsächlich auch der Punkt, auf den sich alle verständigen können: dass es erst einmal besser ist, miteinander zu sprechen. Donald Trump hat ja nun auch schon gesagt: Vielleicht kommt gar nichts dabei heraus - außer, dass sie sich besser kennenlernen. Wo genau liegen liegt da die Grenze? Wo würden dann Befürchtungen greifen, die beiden könnten sich zu gut verstehen?
Annen: Normalerweise ist es ja so, dass ein solches Gipfeltreffen erst dann stattfindet, wenn man auch ein Ergebnis vorweisen kann. Das ist das Ungewöhnliche an diesem Treffen. Es spricht trotzdem nichts dagegen, dass man sich besser kennenlernt. Bisher gab es nur kurze Zusammentreffen unter anderem beim G20-Gipfel in Hamburg. Aber dieses Treffen wird einen anderen Charakter haben.
Und da wir ja beispielsweise einen Konflikt in der Ukraine haben, da wir nicht so ganz genau wissen, wie sich die amerikanische Politik in Syrien weiter entwickelt - ich könnte die Liste fortsetzen. Das sind alles Themen, wo die Vereinigten Staaten von Amerika, die westlichen Staaten eine andere Haltung und zum Teil auch andere Interessen als die russische Seite haben.
Trump landete am Sonntag in Finnland. Was will er im Treffen mit Wladimir Putin erreichen?
Im Moment richten sich die Augen deswegen vor allem auf dieses sogenannte Vier-Augen-Gespräch. Dort sind die Berater nicht im Raum, dort sind diejenigen, die auch die Abstimmung mit den anderen Staaten organisieren, nicht dabei, um eingreifen zu können. Und das ist dann schon spannend zu sehen, was am Ende passiert.
Ich will nur sagen: Die Sorge richtet sich in Richtung des amerikanischen Präsidenten. Aber er ist nicht der einzige Repräsentant seines Landes. Wir haben auch in den letzten Tagen gesehen, dass vom amerikanischen Kongress klare Stimmen kommen, dass wir uns auf die Zusammenarbeit verlassen sollen mit den Verbündeten. Das dürfen wir also nicht vergessen, wenn wir jetzt mit Sorge nach Helsinki schauen. Herr Trump ist der wichtigste Repräsentant - aber er ist nicht der einzige Repräsentant seines Landes.
Das Interview führte Birgit Langhammer, NDR Info