Asylverfahren in Drittstaaten Union sieht keine Hindernisse - SPD-Politiker skeptisch
Bund und Länder diskutieren darüber, Asylverfahren auch außerhalb der EU zu ermöglichen. Es gebe keine rechtlichen Hindernisse, meint CDU-Politiker Spahn. SPD-Politiker wie Bremens Regierungschef Bovenschulte sehen das anders - Experten auch.
Bundeskanzler Olaf Scholz kommt heute mit den Ministerpräsidenten der Länder zusammen. Beherrschendes Thema dürfte die Migrationsdebatte sein - vor allem mögliche Asylverfahren in Drittstaaten. Das sorgt bereits vorher für Diskussionen.
CDU-Vize Jens Spahn etwa sieht für dieses Vorgehen keine rechtlichen Hindernisse. Es mangele lediglich am politischen Willen der Bundesregierung, sagte er im ARD-Morgenmagazin. Wenn die Bundesregierung die Zahl der illegalen Migranten nach Deutschland wirklich senken wollte, könnte man dies innerhalb weniger Monate umsetzen.
Parteikollege Boris Rhein, der auch Hessens Regierungschef ist, forderte eine "klare Aussage des Bundeskanzlers". Es müssten alle Möglichkeiten genutzt werden, die Zahl der Asylbewerber in Deutschland zu verringern, so der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz. Denn bei Ländern und Kommunen sei die Belastungsgrenze überschritten. Es lägen eine Reihe von Gutachten zu der Frage der Auslagerung von Asylverfahren vor. Er sei "der festen Überzeugung", dass dies machbar sei. Unklar sei, ob die Bundesregierung diesen Weg beschreiten wolle.
Merz: "Bilanz für neue Abkommen ist mehr als dürftig"
CDU-Parteichef Friedrich Merz warf Kanzler Scholz dabei Untätigkeit vor. "Die Bilanz für neue Abkommen mit Herkunftsländern ist mehr als dürftig", sagte er den Funke-Zeitungen. Seit Monaten sei "nichts Historisches passiert." Der Kanzler habe seine Zusagen und Ankündigungen gegenüber den Ländern nicht wie versprochen umgesetzt. Scholz habe aus Rücksicht vor den Koalitionspartnern keinen schärferen Kurs bei Abschiebungen eingeschlagen, kritisierte Merz. "Eine schnelle Rückführung abgelehnter Asylbewerber wird von den Grünen ausgebremst."
Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, verlangte von Scholz, die ausgelagerten Asylverfahren ernsthaft zu prüfen. Eine Expertenbefragung des Bundesinnenministeriums habe ergeben, dass Asylverfahren in Drittstaaten "grundsätzlich möglich" seien, sagte der CDU-Politiker der Rheinischen Post. "Verschiedene Modelle sind denkbar."
Skepsis von Experten
Das Bundesinnenministerium hatte in den vergangenen Monaten mehr als zwei Dutzend Sachverständige aus dem In- und Ausland zur Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten befragt. Grundlage waren dabei im Wesentlichen die Pläne Großbritanniens für Asylverfahren im ostafrikanischen Ruanda und Italiens Vereinbarung zu Asylverfahren in Albanien.
Nach Informationen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung äußerte die Mehrheit der Experten große Zweifel an solchen Auslagerungsmodellen. Eine Auslagerung in ein Land wie Ruanda gilt für die meisten als nahezu unmöglich. Unter anderem gebe es rechtliche Hürden, auch seien Asylzentren im Ausland teuer und ineffizient.
Verfahren soll geprüft werden
Ein für das Bund-Länder-Treffen vorbereiteter Sachstandsbericht des Innenministeriums zu der Frage ist allerdings nur eine Zwischenetappe bei der Prüfung. Diese soll fortgesetzt werden und in konkrete Handlungsempfehlungen münden. Die Bund-Länder-Runde könnte dazu einen Zeitplan festlegen.
Skeptisch zeigte sich auch Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte. Der SPD-Politiker hält Überlegungen zu Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU nicht für geeignet, um die Migration einzudämmen. Seit zehn Jahren werde darüber diskutiert, viele Länder hätten dies in Betracht gezogen. Jedoch sei dies nirgendwo - nach dem Maßstab der Befürworter - erfolgreich realisiert, sagte er im ARD-Morgenmagazin. Eine Ausnahme sei das von Menschenrechtlern stark kritisierte australische Modell.
Experte: Wenn, dann nur auf EU-Ebene umsetzbar
Der Migrationsexperte Bernd Kasparek hält eine Auslagerung von Asylverfahren ebenfalls weder für praktikabel noch für ratsam. "Immer wenn es zu solchen Externalisierungen von Asylpolitik kommt, leiden die Rechte von Asylsuchenden. Das führt letztlich immer dazu, dass das Asylrecht missachtet wird", sagte der Co-Leiter der Netzwerk-Abteilung des Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung an der Berliner Humboldt-Universität der Nachrichtenagentur epd. Auch könne Deutschland das nicht im Alleingang umsetzen, man müsse einen solchen Ansatz auf europäischer Ebene verfolgen.
Bereits gestern hatten mehr als 300 Organisationen in einem offenen Brief an den Kanzler und die Ministerpräsidenten gefordert, den Plänen zur Auslagerung der Verfahren eine Absage zu erteilen. Diese funktionierten in der Praxis nicht, seien "extrem teuer" und stellten "eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit dar", heißt es in dem Schreiben.