BGH-Urteil zum Völkermord in Ruanda Mittäter statt Gehilfe
Der Völkermord-Prozess gegen einen ehemaligen ruandischen Bürgermeister muss teilweise neu aufgerollt werden. Der BGH hob ein vorheriges Urteil teilweise auf. Statt bisher 14 Jahre droht dem Angeklagten nun eine lebenslange Haft.
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) muss der am Völkermord in Ruanda beteiligte Ex-Bürgermeister Onesphore R. mit lebenslanger Haft rechnen. Der BGH hob ein Urteil des Oberlandesgerichtes Frankfurt teilweise auf. Die hessischen Richter hatten Onesphore R. als Gehilfen bei einem Massaker an etwa 400 Tutsis verurteilt. Ihr Strafmaß: 14 Jahre.
Dieses Urteil halte einer rechtlichen Prüfung nicht stand, teilte der BGH mit. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs enthält das Urteil des Oberlandesgerichts zwei den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler.
"Helft!" und "Arbeitet!"
Das OLG in Frankfurt am Main hatte das Massaker von 1994 auf einem Kirchengelände rekonstruiert. In 120 Verhandlungstagen befragten die Richter mehr als 100 Zeugen, 40 von ihnen reisten extra aus Ruanda an, viele andere wurden per Videoschaltung vernommen.
Am Ende ergab sich folgendes Bild über die Geschehnisse 1994: Der damalige Bürgermeister Onesphore R. forderte die Bürger seiner Gemeinde dazu auf, Menschen zu ermorden, die auf das Kirchengelände geflüchtet waren. Der Befehl zum Töten kam damals mit Worten wie "Helft!" und "Arbeitet!" - den damaligen Codewörtern für das Abschlachten mit Macheten, Äxten, Beilen und Messern. Ein grausames Massaker begann, das über Stunden andauerte.
BGH bewertet Fall anders als OLG
Der BGH bewertete den Fall nun anders als die niedrigere Instanz: Onesphore R. sei nicht Gehilfe gewesen, sondern Mittäter. Dem inzwischen 58-Jährigen droht nun eine lebenslange Haftstrafe. Das Gericht gab damit der Revision der Generalbundesanwaltschaft statt.
ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam zum BGH-Urteil:
"Besonders spannend im Gerichtssaal waren die Schlussworte des Vorsitzenden Richters Jörg-Peter Becker. Vielleicht stelle sich der ein oder andere die Frage, ob man denn in Deutschland Verbrechen aufklären müsse, die so weit weg geschehen. Deutschland habe sich aber - auch wegen seiner Geschichte - national wie international immer stark dafür gemacht, dass solche Verbrechen geahndet werden. "Wir halten das für richtig", so Becker im Namen des Senats. Doch dann folgte eine Art "Hilferuf". Anklagen und Prozesse zu Taten im Ausland nehmen immer mehr zu, zum Beispiel auch mit Bezug auf Syrien. Wenn es die entsprechenden Gesetze gibt, dann müsse die Politik auch dafür sorgen, dass die Gerichte diesen Prozessen Herr werden können. Doch die Kapazitäten kämen inzwischen deutlich an ihre Grenzen. "Hier ist der Bund in der Pflicht, dringend Abhilfe zu schaffen", sagte Becker. Dass man in solchen Prozessen Abstriche beim rechtsstaatlichen Verfahren macht, könne ja wohl auf keinen Fall die Lösung sein.
Onesphore R. und sein Verhältnis zu Deutschland
Onesphore R. gehört der Hutu-Mehrheit an und bestritt die Vorwürfe. Beim Völkermord in Ruanda wurden 1994 bis zu 800.000 Tutsi und gemäßigte Hutu ermordet. Nach dem Krieg floh Onesphore R. nach Deutschland. Dort hatte er in den 1980er-Jahren studiert. 2008 wurde er verhaftet.