Urteil in Karlsruhe Warum das BKA-Gesetz gegen die Verfassung verstößt
Das BKA-Gesetz gibt den Polizeibehörden mehr Kompetenzen bei der Verfolgung schwerer Straftaten. Doch dabei ist der Gesetzgeber zu weit gegangen: Zwei Vorschriften verstoßen gegen die Verfassung.
Geklagt hatten unter anderem Rechtsanwältinnen und Fußballfans. Unter ihnen ist eine Frau, die in München Fanarbeit macht und regelmäßig Kontakt zu gewaltbereiten Fangruppen hat. Sie kritisieren, dass die Polizeibehörden nach dem Bundeskriminalamtsgesetz (BKA-Gesetz) zu viele Daten von zu vielen Menschen speichern dürfen. Und dies auch zu lange.
Das Bundesverfassungsgericht hat den Klägern nun zum Teil recht gegeben. Einige der Vorschriften seien verfassungswidrig, so Gerichtspräsident Stephan Harbarth, Vorsitzender des ersten Senats. Man habe entschieden, "dass zwei der angegriffenen Normen teilweise mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung" unvereinbar seien.
Zwei Vorschriften verfassungswidrig
Konkret geht es um zwei verschiedene Vorschriften im BKA-Gesetz, die gegen das Grundgesetz verstoßen. Nach Paragraph 45 darf das Bundeskriminalamt Kontaktpersonen von mutmaßlichen Terroristen heimlich überwachen. Davon betroffen könnten beispielsweise Rechtsanwälte sein, die aus rein beruflichen Gründen mit Verdächtigen und deren Bekanntenkreis zu tun haben.
Die Überwachungsbefugnisse des Bundeskriminalamts gingen hier zu weit, so Gerichtspräsident Harbarth. "Richten sich heimliche Überwachungsmaßnahmen lediglich gegen Kontaktpersonen aus dem Umfeld der verantwortlichen Person, muss eine spezifische individuelle Nähe der Betroffenen zu der aufzuklärenden Gefahr hinzutreten", erläuterte der Jurist. "Diesen Anforderungen genügt § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BKA-Gesetz bereits hinsichtlich der notwendigen Gefahrnähe der in Bezug genommenen verantwortlichen Person nicht."
Zu viele Behörden haben Zugriff auf Daten
Bei der zweiten Vorschrift, die das Verfassungsgericht beanstandet hat, geht es um Daten von Beschuldigten, die vom Bundeskriminalamt nach Paragraph 18 des BKA-Gesetzes gespeichert und weiterverabeitet werden. Auf diese Daten haben auch die Polizeibehörden der Länder Zugriff. Auch diese Regelung gehe zu weit, so die Richterinnen und Richter.
Konkret geht es dabei um Daten von Beschuldigten, bei denen man davon ausgeht, dass sie in Zukunft straffällig werden könnten. Das Bundesverfassungsgericht kritisiert, dass die Voraussetzungen der Speicherung von Daten nicht streng genug sind. Es spricht hier von einer "Speicherschwelle", die höher angelegt werden müsse.
Oder wie Harbarth es formuliert: "Bei der Speicherung von Daten für die Verhütung und Verfolgung vom Speicherzweck erfasster Straftaten muss die Speicherschwelle eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür vorsehen, dass die Betroffenen eine strafrechtlich relevante Verbindung zu möglichen Straftaten aufweisen werden und gerade die gespeicherten Daten zu deren Verhütung und Verfolgung angemessen beitragen können."
Löschvorgaben nicht geregelt
Außerdem kritisiert das Verfassungsgericht, dass nicht geregelt sei, wann die Daten gelöscht werden müssen. Es fehle, so Gerichtspräsident Harbarth, an einem "hinreichend ausdifferenzierten Regelungskonzept zur Speicherdauer".
Das heißt, dass der Gesetzgeber genaue Vorgaben hätte machen müssen, wie lange die Daten gespeichert werden dürfen. Nach dem Urteil hat der Gesetzgeber bis Ende Juli nächsten Jahres Zeit, die Vorschriften zu ändern.
Aktenzeichen: 1 BvR 1160/19