Umstrittene Kandidatenliste Das Saarland-Problem der Grünen
Die saarländischen Grünen haben ihre bisherige Landesvorsitzende als Spitzenkandidatin durchfallen lassen. Stattdessen kam der umstrittene Ex-Landeschef zum Zug. Ein Verstoß gegen das Frauenstatut?
Anfang 2020 haben die saarländischen Grünen vom Bundesparteigericht endgültig die Rote Karte bekommen. Denn der saarländische Landesverband war der einzige, der sich jahrelang nicht an die strikte Frauenquote der Bundespartei gehalten hat. Deshalb, so Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock, habe es mit Teilen der saarländischen Mitglieder und der Funktionsträger immer wieder große Differenzen gegeben. Und die gibt es jetzt erneut.
Das Frauenstatut der Grünen sieht vor, dass bei Listenaufstellungen für Wahlen der Spitzenplatz sowie alle folgenden ungeraden Plätze mit Frauen besetzt werden müssen. Ein Mann kann höchstens dann Spitzenkandidat für die Bundestagswahl werden, wenn keine Frau für Platz 1 kandidiert oder wenn eine Frau durchfällt. Das ist nun passiert.
Drei Mal durchgefallen
Die saarländische Landesvorsitzende Tina Schöpfer trat für Listenplatz 1 an - und fiel beim Landesparteitag am Sonntag drei Mal überraschend klar durch. Und das, obwohl sich der saarländische Landesvorstand im Vorfeld mehrheitlich, wenn auch nicht einstimmig für sie ausgesprochen hatte.
Es folgten Pfiffe, Buh-Rufe und eine satzungsrechtliche Diskussion. Denn anstatt weiteren Frauen die Möglichkeit zu geben, für Listenplatz 1 zu kandidieren, wurde die Wahl nach dem Scheitern Schöpfers direkt auch für Männer freigeben. Und der ehemalige Landesvorsitzende Hubert Ulrich gewann dann deutlich die Wahl zu Listenplatz 1, der für ein Bundestagsmandat der Saar-Grünen entscheidend sein dürfte.
Die Stunde des Hubert Ulrich
Hubert Ulrich ist auch bei der Parteispitze in Berlin seit Jahren bekannt. Denn, obwohl er politisch nie besonders aufgefallen ist, hat er die saarländischen Grünen bis zum Aus bei der Landtagswahl 2017 über viele Jahre regelrecht dominiert. Auch weil es der "Realo" mit seinem 700-köpfigen Grünen-Ortsverein aus der Kleinstadt Saarlouis immer wieder geschafft hat, sich Mehrheiten zu organisieren.
Hubert Ulrich wurde überraschend auf Listenplatz 1 der Saarland-Grünen für die Bundestagswahl gewählt.
So schmiedete Ulrich 2009 im Saarland die bundesweit erste Jamaika-Koalition mit CDU und FDP. Diese Entscheidung war besonders umstritten, da vor der Landtagswahl eine Spende von 47.500 Euro von dem Unternehmen eines FDP-Politikers an die Grünen gegangen ist. Die Delegierten der Grünen und die damalige Landesvorsitzende, die über die Jamaika-Koalition abgestimmt haben, wussten von der damaligen Spende nichts. Ulrich hat es trotzdem nicht geschadet.
Das saarländische Problem von sich plötzlich ändernden Mehrheiten ist nicht neu, die Bundes-Grünen hatten deshalb offenbar auch Beobachter zum Parteitag nach Saarbrücken geschickt. Und auch Bundesgeschäftsführer Michael Kellner war zugeschaltet. Denn auch beim aktuellen Nominierungsparteitag kam allein ein Drittel der Delegierten aus der Kleinstadt Saarlouis.
"Wir haben uns das anders gewünscht": Grünen-Chefin Baerbock
Ergebnis für Schöpfer kein Zufall?
Der scheidende Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete, Markus Tressel, war auf dem Parteitag nicht mal als Delegierter nominiert. Im Nachhinein sagt er, er habe den Großteil der rund 140 Delegierten selbst nicht gekannt, obwohl er sich seit über 20 Jahren in der Partei engagiert. Tressel glaubt, dass das Ergebnis für Schöpfer kein Zufall war, ohne genauer darauf einzugehen und Vorwürfe gegenüber Ulrich konkreter zu formulieren. Er rechnet damit, dass die Listenaufstellung vor den Partei-Schiedsgerichten angefochten wird.
Auch in Berlin ist man über die Listenaufstellung im Saarland nicht erfreut und so hat sich auch der Bundesvorstand der Grünen mit dem Thema beschäftigt. Kanzlerkandidatin Baerbock spricht von einem "großen Dissens an der Stelle" und verweist auf Bundesgeschäftsführer Kellner, der sich jetzt um das Thema kümmern soll. Die umstrittene Listenaufstellung kommt für die Grünen mit ihren moralisch hohen Ansprüchen im Wahlkampf zur Unzeit.