Bundestagswahl 2025 Wie rau darf der Wahlkampf werden?
Der Wahlkampf ist in vollem Gang, der Ton wird härter. Wieder ist ein Abkommen über Fairness im Wahlkampf im Gespräch. Kann das funktionieren?
Die krawallige Bundestagsdebatte anlässlich der Vertrauensfrage des Kanzlers hat aufhorchen lassen: Wird das der prägende Ton im Wahlkampf? Wenn sich AfD-Abgeordnete abfällig äußern, überrascht das die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas kaum noch. Routiniert erteilt sie dem ehemaligen AfD-Abgeordneten Thomas Seitz einen Ordnungsruf, nachdem dieser Olaf Scholz als "Lügenkanzler" bezeichnet.
Außerhalb des Bundestags und seiner Geschäftsordnung ist das nicht möglich. Dort ist der Ton im Wahlkampf nur den Regeln des Strafgesetzbuches unterworfen, wenn etwa eine Beleidigung so ehrverletzend ist, dass sie strafbar wird.
Harte Bandagen sind erlaubt
Rauer Ton im Wahlkampf liegt in der Natur der Sache, sonst hieße es nicht "Kampf". Politikwissenschaftlerin Ursula Münch findet, harte Bandagen und Übertreibungen seien erlaubt. Niemand müsse den politischen Gegner loben. Allerdings muss klar sein, "dass es sich um den Gegner und nicht um den Feind handelt", so Münch. "In Deutschland haben wir aber politische Kräfte, die eher im Freund-Feind-Denken sind. Und das ist ein Problem."
Um sich von diesen Kräften abzugrenzen, haben die Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grünen vor kurzem per Fernsehen mitgeteilt, wie sie sich den Wahlkampf vorstellen. Merz, Scholz und Habeck wollen den Regeln des Anstands folgen, respektvoll miteinander umgehen und anerkennen, dass auch der politische Gegner manchmal Recht hat. Angst, Misstrauen und Desinformation wollen sie entgegentreten.
Kurz darauf hat SPD-Generalsekretär Matthias Miersch, der den Wahlkampf seiner Partei organisiert, seinen Vorschlag für ein Fairness-Abkommen erneuert. Ihm gehe es vor allem darum, "wie wir mit den Themen Fake-News und Social Media umgehen". In diesen turbulenten Zeiten sei es wichtig, dass die demokratische Mitte stabil zusammensteht. Zuletzt hatte die SPD ein solches Abkommen im November ins Spiel gebracht, nachdem die Falschbehauptung von einer SPD-Social-Media-Kampagne von Frauen gegen Friedrich Merz in Umlauf gekommen war.
Fairness-Appell passend zur Weihnachtsbotschaft
Experten sehen Fairness-Abkommen jedoch skeptisch. Politikwissenschaftlerin Münch meint, beim Werben um Fairness gehe es oft nur darum, den politischen Gegner in die Pflicht zu nehmen. Der Appell komme zeitlich passend zu den Weihnachtsbotschaften.
Auch Dennis Steffan, Wahlkampfforscher von der Freien Universität Berlin, zweifelt an der Umsetzbarkeit. Anspruch und Wirklichkeit klafften weit auseinander. Steffan beobachtet, dass personalisierte Angriffe in der Politik sowie Negativität - das Betonen der schlechten Seiten - längst an der Tagesordnung sind. "Auch weil man weiß, dass sich Journalisten viel an Negativität orientieren. Das hat Nachrichtenwert."
Die Personalisierung sei darauf zurückzuführen, dass Personen einfacher zu greifen sind als politische Inhalte. Beides wird auf Social Media belohnt - durch Likes. Je negativer und persönlicher der Inhalt, desto besser. Wahlkampfstrategen haben das verstanden - Fairness hin oder her.
Deutsche mögen keinen Streit
Rauer als in früheren Wahlkämpfen sei der Ton aber nicht, meint Steffan. Heute gebe es die besondere Situation, dass zwei klare Optionen auf dem Tisch liegen: Merz oder Scholz. Das polarisiere und führe zu stärkerer Abgrenzung, erklärt Steffan. Deshalb werden auch Charaktereigenschaften zum Thema der Auseinandersetzung. Persönliche Attacken, wie in den USA, sind in Deutschland eher unüblich.
Wahlkampfforscher Steffan sagt, dass Deutsche diese Art von Streit nicht mögen. Die Strategie funktioniere daher nur bei den eigenen Anhängern: "Fritze - dieses etwas Herablassende finden SPD-Anhänger oder Menschen, die sowieso nicht mit Friedrich Merz sympathisieren, lustig. Aber bei anderen Wählerinnen und Wählern ist das nicht die richtige Strategie."
Ein schmutziger Wahlkampf mit persönlichen und unter die Gürtellinie zielenden Angriffen mobilisiere zwar eigene Anhänger, sei aber auf Dauer keine funktionierende Strategie.