Blick in den Bundestag auf den Bundesadler
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Wahlprogramme Steuergeschenke der Parteien - und was sie wohl kosten

Stand: 20.12.2024 17:00 Uhr

Die Parteien werben mit Entlastungen für Wählerinnen und Wähler. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat für die ARD alles durchgerechnet, erstmals auch, wie teuer die Pläne der AfD sein könnten.

Von Jan-Peter Bartels und Nicole Kohnert, ARD-Hauptstadtstudio

"Entlastungen" - es ist eines der häufigsten Wörter in den jeweiligen Wahlprogrammen der Parteien und in den Wahlkampfreden auch eines der populärsten. Wie Bürgerinnen und Bürger aber am schnellsten und auch am besten steuerlich entlastet werden, darüber wird nun heftig in den kommenden Wochen gestritten. Ist es die Entlastung bei den Steuern? Oder die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel oder in der Gastronomie? Und wie kann sich der Staat das am Ende leisten?

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln hat für das ARD-Hauptstadtstudio nun alle Programme der Bundestagsfraktionen durchgerechnet, exklusiv auch das der AfD.

Nicht enthalten sind dabei die Gruppen im Bundestag wie das Bündnis Sahra Wagenknecht, das derzeit noch kein Wahlprogramm veröffentlicht hat, und die Linkspartei.

Das komplette Wahlprogramm der Linken finden Sie hier. Leitlinien des BSW finden Sie hier.

Welches Preisschild haben die Wahlversprechen?

Es wurde primär auf die Pläne geschaut, die mit Steuern zu tun haben - beispielsweise Veränderungen bei der Einkommensteuer oder Solidaritätszuschlag, aber auch, welche Abgaben z.B. bei Unternehmen wegfallen würden. "Die Zahlen sind natürlich nur Schätzungen, die eine grobe Idee vermitteln - für eine wirklich exakte Rechnung sind die Wahlprogramme aller Parteien noch zu vage", sagt Tobias Hentze vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) dem ARD-Hauptstadtstudio.

IW-Berechnung: Mögliche Kosten der Wahlprogramme in Mrd. Euro
CDU/CSU SPD Grüne FDP AfD
Einkommensteuer -41 -8 -11 -95 -49
Baby-Prämie -14
Körperschafts- und Gewerbesteuer -20 0 -17 -17
Investitionsprämie 0 -20 -20 0
Solidaritätszuschlag -13 0 -13 -13
Umsatzsteuer -4 -4 -4 -5
Stromsteuer/Netzentgelte -10 -10 -10 -5 -5
Kapitalertragsteuer/Abgeltungsteuer 0 7 -1 -2
Erbschaftsteuer -1 3 3 -1 -10
Vermögensteuer 0 2 2 0
Klimageld -12 0
Luftverkehrsteuer -2 -2
Grundsteuer -16
CO2-Abgabe -16
Summe -89 -30 -48 -138 -149

Was bedeuten die Pläne der Parteien für den Geldbeutel im Detail?

Dass am Ende des Monats mehr Netto vom Brutto-Gehalt übrig bleibt, dafür werben alle Parteien. Sie haben aber unterschiedliche Pläne, welche Steuern wie sinken sollen. "Die Steuerzahler zu entlasten, ist wichtig, auch um die Wirtschaft wieder anzuschieben. Aber in allen Programmen fehlt eine Rechnung, wie das eigentlich finanziert werden soll", sagt Tobias Hentze vom IW dem ARD-Hauptstadtstudio. "Am Ende kommt es darauf an, wer mit wem regiert. Die Finanzierung könnte ein entscheidender Faktor werden, an der viele Ideen wieder scheitern."

CDU/CSU

Die Union will den Solidaritätszuschlag abschaffen und den Einkommensteuertarif schrittweise senken, auch der Grundfreibetrag soll erhöht werden. Außerdem soll der Spitzensteuersatz von 42 Prozent erst ab einem höheren Einkommen greifen. Der ist derzeit bei einem zu versteuernden Einkommen von 66.761 Euro fällig.

Die Union will zudem die Sozialbeiträge senken, die Zielmarke liegt bei 40%. Die Pendlerpauschale soll erhöht werden, Überstundenzuschläge sollen bei Vollzeitbeschäftigen steuerfrei sein. Für Familien will die Union den Kinderfreibetrag anheben.

Die Unternehmenssteuern will die Union auf maximal 25% senken und zusätzliche Abschreibungsmöglichkeiten schaffen. Die Mehrwertsteuer in der Gastronomie soll auf einheitlich 7% sinken. Die Union will die Stromsteuer und die Netzentgelte reduzieren.

Rentner, die weiterarbeiten wollen, sollen einen Steuerfreibetrag von 24.000 Euro bekommen. Bei Kindern zwischen 6 und 18 Jahren soll der Staat 10 Euro im Monat in eine private Altersvorsorge einzahlen (rund 1 Milliarde). Zur Finanzierung der Vorhaben schätzt Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, dass ein Prozent Wirtschaftswachstum ungefähr 10 Milliarden Staatseinnahmen bringen sollten.

Das komplette Wahlprogramm von CDU/CSU finden Sie hier.

SPD

Die SPD möchte nach ihrem Wahlprogramm 95 Prozent der Wählerinnen und Wähler bei der Einkommensteuer entlasten. Am Solidaritätszuschlag hält die SPD fest. Schon vor einiger Zeit habe man hier 90 Prozent der Steuerpflichtigen entlastet, heißt es im Wahlprogramm, so dass der Soli nur noch 10 Prozent mit einem hohen Einkommen treffe.

Die SPD macht mehrere Vorschläge für eine Reform des Steuersystems. So sollen Spitzenverdiener und Vermögende höhere Steuern zahlen. Die ausgesetzte Vermögensteuer will die SPD für "Superreiche" mit Vermögen von mehr als 100 Millionen Euro wiederbeleben. Auch soll die Erbschaftsteuer steigen, damit die Bundesländer, denen die Einnahmen zustehen, in Bildung investieren können. Zudem wollen die Sozialdemokraten die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von 7 auf 5 Prozent senken, um Haushalten mit geringen Einkommen den Kauf von Grundnahrungsmitteln zu erleichtern.

Die SPD will die Strompreise senken, insbesondere indem die Netzentgelte gedeckelt werden. Der Kauf von Elektroautos soll steuerlich begünstigt werden, wenn diese in Deutschland produziert worden sind. Die SPD will einen 100 Milliarden Euro schweren "Deutschlandfonds" einrichten, der solche Vergünstigungen und Investitionen finanzieren soll. Unternehmen sollen einen Teil ihrer Steuern zurückbekommen, wenn sie investieren (Investitionsprämie). Die SPD will die Abgeltungssteuer abschaffen und Einkommen aus Kapital wieder mit dem Einkommensteuertarif besteuern. Sie will zudem eine Finanztransaktionssteuer und eine Vermögenssteuer einführen. Die Erbschaftssteuer soll überarbeitet werden.

Das komplette Wahlprogramm der SPD finden Sie hier.

FDP

Die FDP will den Solidaritätszuschlag komplett abschaffen und die Steuern massiv senken. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent würde dann nicht mehr ab einem Jahreseinkommen von 68.000 Euro greifen, sondern erst ab 96.000 Euro, also am Ende um gut 30.000 Euro Einkommen mehr. Der Grundfreibetrag soll um mindestens 1.000 Euro steigen. Zudem will die FDP die Spekulationsfrist für Wertpapiere wieder einführen - dadurch wären Gewinne auf Aktien steuerfrei, die erst nach einer gewissen Haltefrist verkauft werden.

Für die Liberalen müsse eine "Wirtschaftswende" kommen, so fordert es der FDP-Parteivorsitzende Lindner. Entsprechend will die FDP die Unternehmenssteuer auf unter 25 Prozent absenken, den Solidaritätszuschlag vollständig abschaffen und die Körperschaftssteuer senken. Zudem sollen die Strompreise sinken, dafür wollen die Liberalen die Stromsteuer absenken, die Netzentgelte reformieren und unter anderem Gas-Förderung per Fracking in Deutschland erlauben. In der Gastronomie soll die Umsatzsteuer auf einheitlich sieben Prozent sinken.

Das komplette Wahlprogramm der FDP finden Sie hier.

Grüne

Die Grünen wollen einen höheren Grundfreibetrag, bis zu dem keine Einkommensteuer anfällt. Außerdem wollen sie den Solidaritätszuschlag integrieren als Teil der Einkommensteuer. Für Familien mit Kindern wollen die Grünen, dass die Betreuungskosten umfangreicher bei der Steuer absetzbar sein sollen. Zudem wollen sie das Ehegattensplitting reformieren, da es ein Erwerbshindernis bei Frauen darstelle.

Um die Lücke zwischen sehr reich und arm zu schließen, wollen die Grünen auch das Steuersystem reformieren. So wollen sie die Erbschaftssteuer für außerordentlich große Erbschaften angehen, sich für eine globale Milliardärssteuer einsetzen sowie die Besteuerung von Arbeits- und Kapitaleinkünften reformieren. Für weniger Bürokratie bei der Steuererklärung wollen sie den Arbeitnehmerpauschbetrag auf 1.500 Euro anheben, was dazu führen soll, dass mehr als die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine Belege für die Steuererklärung sammeln müssten.

Für die Wirtschaft wollen die Grünen an die Energiepreise ran. Die weitere Absenkung der Steuern und Abgaben auf Strom sei wichtig. Die Stromsteuer soll auf das europäische Minimum gesenkt werden. Die Netzentgelte sollen für überregionale Stromleitungen aus einem sogenannten Deutschlandfonds finanziert werden. Einen Fonds, den die Sozialdemokraten ähnlich in ihrem Programm für zukünftige Finanzierungen vorsehen.

Das komplette Wahlprogramm der Grünen finden Sie hier.

AfD

Auch die AfD möchte eine geringere Einkommensteuer. Der Grundfreibetrag soll auf 15.000 Euro erhöht werden, heißt es im Programm. Zudem soll die private, kapitalgedeckte Altersvorsorge stärker steuerlich absetzbar werden. Rentner sollen einen zusätzlichen Steuergrundfreibetrag von 12.000 Euro bekommen. Das soll mehr Rentner im Arbeitsmarkt halten.

Die AfD plant auch ein Erziehungsgeld ("Betreuungsgehalt"): Eltern sollen etwa den durchschnittlichen Nettolohn vor Geburt des ersten Kindes für drei Jahre erhalten. Außerdem geplant: eine "Willkommensprämie" von 20.000 Euro für neugeborene Babys. Die Grundsteuer und die Erbschaftssteuer sollen komplett abgeschafft werden. Die AfD will außerdem das Ehegattensplitting zu einem Familiensplitting erweitern, dadurch würden Familien mit Kindern deutlich entlastet. Der Sparerpauschbetrag soll von 1.000 Euro im Jahr auf 2.400 Euro erhöht werden.

Die AfD will die CO2-Steuer abschaffen und den Strompreis senken - unter anderem, indem Nordstream wieder in Betrieb genommen wird und Gaslieferungen aus Russland kommen. Außerdem will sie die Unternehmenssteuern auf ein "international konkurrenzfähiges Niveau" senken. Der Solidaritätszuschlag soll komplett abgeschafft werden. Die AfD will außerdem die Luftverkehr- und Ticketsteuern abschaffen. Die Mehrwertsteuer in der Gastronomie soll auf einheitlich 7% abgesenkt werden.

Außerdem will die Partei aus dem Euro austreten. Das alles hat seinen Preis: Die AfD schreibt selbst, dass die Wiedereinführung einer nationalen Währung wohl nicht "ohne Umstellungsbelastungen erfolgen kann".

Den Leitantrag zum Wahlprogramm der AfD finden Sie hier.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 18. Dezember 2024 um 15:38 Uhr.