
Koalitionsverhandlungen Die vielen Probleme in eckigen Klammern
Bis 17 Uhr hatten die 16 Arbeitsgruppen von Union und SPD Zeit, ihre Papiere vorzulegen. Den Abgabeschluss hielten sie ein, doch viele Streitpunkte wurden ausgeklammert - etwa bei der AG Finanzen.
Das Problem ist nur wenige Millimeter groß, bringt aber die Koalitionsverhandlungen in schweres Fahrwasser: Es sind eckige Klammern, Schriftart Calibri, 11 Punkt. In diesen Klammern steht das, worauf sich die Arbeitsgruppen nicht einigen konnten. Das ist einiges.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann beschwichtigte im Stile eines Fußballtrainers: "Entscheidend ist, was am Ende herumkommt", sagt er. Die deutsche Nationalmannschaft habe 2014 das WM-Achtelfinale auch nur mit Ach und Krach gewonnen, und wie sei die Geschichte ausgegangen? "Am Ende wurde Deutschland Weltmeister."
Klar gebe es "Dissenspunkte" in den Arbeitsgruppen - aber was er höre, sei "ermutigend". Die strittigen Punkte werden nun in der sogenannten Steuerungsgruppe besprochen, am Ende solle es einen echten Politikwechsel geben.
Unionsabgeordnete pochen auf Gegenleistung
Den fordern bei der Union viele auch ein. Nachdem sie die Schuldenbremse gelockert und dem Sondervermögen zugestimmt haben, erwarten viele Abgeordnete nun eine Art Gegenleistung: Sie wollen die klare Handschrift der Union sehen - beispielsweise bei den Themen Migration und Wirtschaft.
Die SPD aber sieht das Finanzpaket komplett anders: weniger als Entgegenkommen, eher als Notwendigkeit. Oder in den Worten von Parteichef Lars Klingbeil: "Mit dem großen Finanzpaket sind wir in der finanzpolitischen Realität angekommen - dass wir gemeinsam sehen, welch großen Investitionsbedarf unser Land hat."
"Jeder sieht den jeweils anderen am Zug", Markus Preiß, ARD Berlin, zum aktuellen Zwischenstand der Koalitionsverhandlungen
Viele ungelöste Fragen
In einigen Arbeitsgruppen kam eine ganze Sammlung an eckigen Klammern zusammen. Es sind ungelöste Punkte, die nun die Steuerungsgruppe angehen muss. Das sind die 19 Chefverhandler, unter ihnen SPD-Chef Klingbeil und Kanzler-in-spe Friedrich Merz.
Die Gespräche der Arbeitsgruppen sollen in einigen Fällen ruhig und konstruktiv verlaufen sein, wie beispielsweise bei der AG Bildung. In anderen Fällen gab es besonders viele ungelöste Fragen, wie in der AG Finanzen. Hier ging es darum, was beim Thema Steuern möglich ist.
Die Arbeitsgruppe tagte teils bis in die Nacht zu Montag in Landesvertretungen - zum Kummer mancher Journalisten ein Ort, wo die Medien nicht direkt vor der Tür des Konferenzraums lungern konnten.
Wer soll in Zukunft wie entlastet werden?
Zeitweise kam man keinen Millimeter weiter und Teilnehmer mussten auch vor Wut mal rausgehen, als beim Ehegatten-Splitting die Ansichten von Union und SPD aufeinanderprallten. Dass es gerade in der AG Finanzen nicht einfach werden würde, war abzusehen.
Auch wenn die Schuldenbremse nun für die Verteidigungskosten gelockert ist und das Sondervermögen Infrastruktur mehr Spielraum schafft, bleibt die Frage: Wer soll in Zukunft wie entlastet werden?
Denn legt man die Wahlprogramme der Union und der SPD nebeneinander, könnten sie hier unterschiedlicher kaum sein. Eine Vermögenssteuer steht schon seit Jahren im SPD-Wahlprogramm. Umgesetzt wurde sie in der vergangenen Legislatur nicht. Und auch jetzt ist fraglich, ob sie mit einer Unions-geführten Regierung kommt.
Die Wirtschaft mit einer Unternehmenssteuer-Reform anzukurbeln, ist hingegen das Hauptanliegen der Union. Doch die SPD scheint da nur entgegenzukommen, wenn Spitzenverdiener auch zur Kasse gebeten werden. Das wiederum ist für viele in der Union ein rotes Tuch.
Das Mantra vom Kompromiss
"Ich halte es für völlig normal, dass es an der ein oder anderen Stelle durchaus Unterschiede gibt und dass es auch mal ein bisschen knirscht", sagte SPD-Chef Klingbeil. Es gehe jetzt darum, ohne Zeitdruck einen Koalitionsvertrag zu erarbeiten, mit dem man nicht die gleichen Probleme habe wie bei der Ampel.
"Was uns da auf die Füße gefallen ist: dass man vielleicht manche schöne Sätze formuliert hat im Koalitionsvertrag, sie aber unterschiedlich interpretiert wurden. Deswegen geht es darum, dass wir die Sachen gründlich ausdiskutieren", sagte Klingbeil.
Am Ende werde man Kompromisse finden - das ist das heutige Mantra, das bei Union wie SPD wiederholt wird. Wohl Donnerstag oder Freitag werden sich die Chefverhandler zusammensetzen und versuchen, die Probleme in den eckigen Klammern zu lösen.