
Koalitionsverhandlungen Union und SPD wollen sich nicht drängen lassen
Die Koalitionsverhandlungen laufen, heute sollen die Arbeitsgruppen von Union und SPD ihre Ergebnisse vorlegen. Aber es gibt Differenzen. Geht der Plan einer Regierungsbildung bis Ostern auf? Parteimitglieder warnen vor Zeitdruck.
In den Koalitionsverhandlungen sieht die Union nach dem Ende der Arbeitsgruppenphase noch tiefgreifende Differenzen mit der SPD und warnt vor Zeitdruck. Es gebe "sowohl beim Migrationsthema als auch bei der Innenpolitik insgesamt unterschiedliche Sichtweisen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, vor Beratungen der CDU-Spitze.
Man könne aber durchaus zu Kompromissen kommen, ergänzte der CDU-Politiker. "Es wäre also völlig verfrüht, jetzt da etwas Konkretes zu sagen. Wir sind mitten in den Verhandlungen, und die werden uns vermutlich auch noch einiges abverlangen." Für die Beratungen gebe es keinen festen Zeitplan. "Gründlichkeit ist eindeutig wichtiger als Schnelligkeit", sagte Frei. Man werde "jetzt die offenen Punkte Stück für Stück abarbeiten". Das solle "zügig passieren, aber nicht unter Zeitdruck".
Die gemeinsamen Arbeitsgruppen sollen bis 17 Uhr die Ergebnisse ihrer Beratungen in schriftlicher Form abliefern. In den nächsten Tagen wird dieses Material gesichtet und zusammengeführt. Alles, wozu noch keine Einigkeit erzielt ist, soll dann in kleinerem Kreis besprochen werden. Medienberichten zufolge sind wohl noch viele zentrale Fragen offen, die dann in weiteren Verhandlungen geklärt werden müssten.
Linnemann fordert von SPD Bereitschaft zu Kurswechsel
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte von der SPD für die anstehenden Gespräche Bereitschaft zu einem Kurswechsel in zentralen Politikfeldern. Es gelte: "Kein 'Weiter so'. Daran halten wir fest", sagte Linnemann. Ob der von der Union verlangte Politikwechsel erfolgreich sein werde, mache sich bei der Eindämmung der Migration, der Wirtschaftspolitik sowie der Sozialpolitik mit Änderungen beim Bürgergeld fest.
Vor dem Hintergrund der Kehrtwende des CDU-Chefs und voraussichtlichen künftigen Kanzlers Friedrich Merz bei der Schuldenbremse sagte Linnemann, er wisse, dass es für die Union nun um die Glaubwürdigkeit gehe. CDU/CSU hätten hier "einen sehr, sehr hohen Kredit in Anspruch genommen".
Er fügte in Richtung SPD hinzu: "Aber die andere Seite der Medaille, die muss jetzt folgen. Ansonsten wird auch das viele Geld nicht nutzen." Der Koalitionsvertrag müsse "einen Zukunftsatem tragen, der auch wirklich trägt und nicht nur weiße Salbe ist". Es müsse deutlich werden, "dass wir wirklich dann auch liefern werden".
Miersch im Grundsatz zuversichtlich
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch hatte sich zuvor zwar im Grundsatz optimistisch geäußert. "Wir wollen uns nicht unter zeitlichen Druck setzen", sagte aber auch er in der Sendung "Frühstart" von RTL und ntv. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen würden nun ausgewertet und "nebeneinandergelegt". Anschließend werde ein Zeitplan für die Hauptverhandlungsgruppe vereinbart.
Miersch äußerte sich zuversichtlich, dass dabei offene Streitpunkte ausgeräumt werden könnten. Leicht werde dies allerdings nicht werden. "Wir haben das ja im Wahlkampf auch erlebt, wir standen teilweise für sehr, sehr unterschiedliche Dinge", gab der SPD-Politiker zu bedenken. Es sei auch von vornherein klar gewesen, dass bestimmte Punkte erst in der Hauptverhandlungsgruppe geklärt würden. Er sei jedoch "guten Mutes, dass die konstruktiven Kräfte hier absolut die Überzahl sind".
Der Politiker relativierte auch Berichte über Streit. Die Fachpolitiker hätten von Anfang an gewusst, dass sie entscheidende Streitpunkte nicht lösen könnten. Dazu zählen etwa Zurückweisungen an Grenzen, eine Reform des Bürgergeldes oder Einsparungen im Bundeshaushalt.
Ursprünglich war vorgesehen, dass abschließende Fragen in der ersten Aprilwoche geklärt werden sollen. CDU-Chef Friedrich Merz hatte die Bildung einer schwarz-roten Regierung bis spätestens Ostern angepeilt.
"Nicht drängen lassen zu schlechten Ergebnissen"
Mehrere CDU-Politiker pochten unterdessen auf die von der Union versprochenen Wende in der Migrations- oder der Wirtschaftspolitik. "Die Menschen haben bei der Bundestagswahl Veränderung gewählt und nicht ein Weiter so", sagte Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt vor den Beratungen der Spitzen seiner Partei. Alle Verhandlungspartner müssten "begreifen, dass es wirklich ein fokussiertes Angehen der Alltagssorgen der Menschen braucht".
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst sagte: "Wir brauchen einen Politikwechsel in der Migrationspolitik, insbesondere auch in der Wirtschaftspolitik, damit die Jobs wieder sicher sind." Ein Politikwechsel vollziehe "sich im Allgemeinen nicht in Arbeitsgruppen oder Unterarbeitsgruppen".
Die stellvertretende CDU-Vorsitzende und schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien sagte, es sei noch eine Menge Zeit bis Ostern. "Unser Land braucht eine neue Regierung. Aber wir werden uns auch nicht drängen lassen zu schlechten Ergebnissen, sondern wir wollen gute Ergebnisse für unser Land."
Günther: CDU wird mit Linkspartei reden müssen
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther forderte die CDU unterdessen erneut auf, punktuell mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten. "Wir als Union müssen mit den Linken reden", sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel. Etwa wegen der nötigen Zweidrittelmehrheit über die zugesagte Reform der Schuldenbremse bis Ende des Jahres solle die Union mit der Linkspartei sprechen, und auch auch mit den Grünen.
Günther verwies darauf, dass die Linkspartei in den Landesregierungen in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern gegen ihre Bedenken am Freitag eine Grundgesetzänderung zugunsten von höheren Verteidigungsausgaben ermöglicht hätten. Er hatte mit Blick auf die Lage in Ostdeutschland bereits früher gefordert, dass die CDU ihren Unvereinbarkeitsbeschluss für eine Zusammenarbeit mit der Partei Die Linke kippt.
Drei Tage interne Beratungen
Die Vorlage der Ergebnisse der Arbeitsgruppen beendet die erste Phase der Koalitionsverhandlungen. Darauf folgt eine dreitägige "Redaktionsphase", während der die Ergebnisse gesichtet und zusammengefasst werden. Dabei berät jede Partei für sich.
Anschließend sprechen die Parteien wieder gemeinsam. Dann in der sogenannten 19er-Runde mit den Spitzenkräften von CDU, CSU und SPD. Ihr gehören neben den Parteivorsitzenden unter anderem auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) an. Die Runde spricht vor allem darüber, wie die größten Meinungsverschiedenheiten gelöst werden könnten.
Parallel zu den Spitzengesprächen wird bereits an Formulierungen für einen Koalitionsvertrag gearbeitet. Auch einen "Finanzcheck" zu den Plänen der möglichen Koalition soll es geben. Über Personalfragen wollen Union und SPD erst am Schluss der Verhandlungen sprechen. Spannend dürfte auch die Frage werden, ob Merz sein Digitalministerium durchsetzen kann und welches Ressort dafür abgeschafft wird.
Marc Feuser, ARD Berlin, zu den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD
Mit Informationen von Anna-Lou Beckmann, ARD-Hauptstadtstudio