Lars Klingbeil und Friedrich Merz
Player: audioGrünes Licht für Finanzpaket - Endspurt erste Etappe der Koalitionsverhanldungen

Koalitionsverhandlungen Union und SPD ringen um die Milliarden

Stand: 23.03.2025 10:45 Uhr

Bis Montag verhandeln die Arbeitsgruppen von Union und SPD über eine mögliche Koalition. Offenbar gibt es vor allem bei den Finanzen Streit. SPD-Generalsekretär Miersch fordert vor allem Geld für Bildung und E-Autos.

Die Verhandlungen von Union und SPD über eine Koalition laufen, erste Ergebnisse sollen am Montag präsentiert werden: Bis dahin müssen die Arbeitsgruppen der Parteien ihre Textvorschläge für einen Koalitionsvertrag vorlegen. Danach übernimmt eine kleinere Steuerungsgruppe.

Bis dieser Vertrag mit all seinen Details steht, wird es also noch eine Weile dauern. Mit Forderungen für eine gemeinsame Regierungszeit warten die Parteien jedoch nicht ab. So machte sich SPD-Generalsekretär Matthias Miersch nun für Investitionen in die Bildungsinfrastruktur stark.

Auf die Frage, in welche Baustellen er Geld aus dem neuen Sonderschuldentopf als allererstes geben würde, sagte er der Bild am Sonntag: "Da müssen wir jetzt priorisieren. Es muss in der Koalition entschieden werden. Aber die Bildungsinfrastruktur ist ein elementarer Punkt." Viele Menschen erlebten, dass es in den Schulen durchregne und die Kinder dort keine guten Bedingungen hätten. 

Mit dem bereits beschlossenen Finanzpaket können über neue Schulden Milliardenbeträge in Verteidigung und Infrastruktur investiert werden.

SPD wirbt für Kaufanreiz bei E-Autos

Aus dem Paket sollen aber auch 100 Milliarden Euro fest in den Klimaschutz und in den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft fließen.

Miersch sagte, er sei "auf alle Fälle für einen Kaufanreiz" für E-Autos. "Gerade für Menschen, die nicht ein neues Auto einfach mal so kaufen können. Da gibt es neben der Kaufprämie auch die Möglichkeit von Leasing. Darüber werden wir in den Koalitionsgesprächen befinden müssen." Beim Klimaschutz könne sich Deutschland keinen Aufschub leisten.

Der Wegfall der E-Auto-Prämie in Deutschland hatte im Jahr 2023 die Nachfrage nach Elektroautos einbrechen lassen.

Finanzthemen sorgen offenbar für Diskussionen

Der Umgang mit den Finanzen ist ein heikles Thema bei den Verhandlungen. Das zeigt auch eine Auseinandersetzung in der Arbeitsgruppe "Haushalt, Finanzen und Steuern", von der die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter Berufung auf Unionskreise berichtet.

Thema war demnach das Ehegattensplitting - ein Steuermodell, das die SPD abschaffen möchte. Die rheinland-pfälzische SPD-Finanzministerin Doris Ahnen stellte laut FAZ die gemeinsame Besteuerung von Eheleuten als einen Grund dar, der Frauen in extrem schlecht bezahlten Jobs halte. Die CSU-Haushaltsexpertin Mechthilde Wittmann reagierte laut dem Bericht erbost mit der Aussage, ob sie wirklich Frauen für so blöde halte. Darauf verließen die SPD-Verhandler geschlossen den Raum - kamen laut Darstellung der Union aber nach anderthalb Stunden zurück.

Auch weitere Finanzthemen sorgen offenbar für Diskussionen. Die SPD forderte nach Informationen den Bild-Zeitung einen Spitzensteuersatz von 47 Prozent - niedrige und mittlere Einkommen sollten entlastet werden. Die Union reagierte mit Ablehnung. Die Sozialdemokraten sperrten sich wiederum gegen Steuersenkungen für Unternehmen. Der Bild zufolge wäre die SPD frühestens Anfang 2029 dafür zu haben - und das auch nur um einen Prozentpunkt auf 29 Prozent. Daran stören sich CDU und CSU.

Heftige Kritik an Migrationsplänen

Die Vorhaben der möglichen Koalitionäre stoßen allerdings auch auf Kritik bei der voraussichtlichen Opposition - besonders die Migrationspläne. Grünen-Parteichef Felix Banaszak sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, viele der im Rahmen der Koalitionsverhandlungen vereinbarten Maßnahmen seien "zum Scheitern verurteilt". "Statt reale Verbesserungen oder Entlastungen zu bringen, werden sie vor allem neue Probleme schaffen."

Ideen zur Gestaltung von Migration und einer Einwanderungsgesellschaft ließen sich bei der künftigen Koalition nicht erkennen, monierte Banaszak. "Die geplante massive Ausweitung der Binnengrenzkontrollen und der Versuch, alle Menschen davon abzuhalten, in Deutschland Schutz zu suchen, sind Ausdruck eines europapolitischen Blindflugs der sich abzeichnenden Rückschrittskoalition", führte der Grünen-Politiker aus.

Linke sieht "ganz wenig Menschlichkeit"

Ähnlich heftig prangerte Linken-Chef Jan van Aken die von den möglichen Koalitionspartnern vereinbarten Migrationspläne an. "Schon jetzt ist klar, wohin die Reise bei SPD und Union geht: mehr Abschiebungen, mehr Grenzkontrollen und weniger Familiennachzug", bemängelte van Aken. "Das ist nicht nur unchristlich, sondern auch rechtswidrig." Der Linken-Chef kritisiert: "Man will den Geflüchteten das Leben zur Hölle machen, nur um vom eigenen Versagen in der Infrastruktur- und Sozialpolitik abzulenken."

Merz hatte im Wahlkampf eine Änderung der Migrationspolitik versprochen, um den Zuzug nach Deutschland zu verringern. Unter anderem kündigte er die umfassende Zurückweisung von Schutzsuchenden an den Grenzen an, was die SPD jedoch skeptisch sieht.

Sozialverband warnt vor Kürzungen

Auch der Sozialverband VdK äußerte sich mit mahnenden Worten zu den Koalitionsverhandlungen. So warnte VdK-Präsidentin Verena Bentele vor Kürzungen im Sozialbereich, etwa beim Bürgergeld und bei der Förderung des Heizungstauschs. "Mit der Schaffung des Sondervermögens hat Friedrich Merz wirklich alle Karten in der Hand, die deutsche Gesellschaft zusammenzuführen", sagte die Chefin des Sozialverbands dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Diese Chance sollte er sich nicht mit kurzfristig gedachten Kürzungen im Sozialhaushalt verspielen", sagte Bentele.

Bei Kürzungen des Bürgergelds befürchtet Bentele negative Folgen für die Berufsqualifizierung der Empfänger. "Die Spielräume beim Bürgergeld sind kleiner, als viele suggerieren: an einem gesetzlich vorgeschriebenen Existenzminimum und bescheidenen Regelsätzen kann nicht mehr gekürzt werden", sagte die VdK-Chefin. Zudem sollte es die neue Bundesregierung in Zeiten eines Arbeitskräftemangels vermeiden, an Qualifikationen und Weiterbildungen zu sparen.

Einsparungen beim sogenannten Heizungsgesetz seien weder nötig noch klug, fügte Bentele hinzu. "Durch die zusätzlichen Mittel aus dem Sondervermögen muss immer genug Geld für sozial gerechte Förderungen da sein", sagte die Verbandschefin.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 23. März 2025 um 09:45 Uhr.