Cyberabwehr BND-Überwachungsregeln müssen angepasst werden
Kommunikation von Deutschland ins Ausland darf vom Bundesnachrichtendienst überwacht werden. Doch die Befugnisse gehen laut Bundesverfassungsgericht teilweise zu weit. Die Privatspähre sei nicht ausreichend geschützt.
Die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrifft einen speziellen Teil der Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes. Konkret geht es etwa um E-Mails oder WhatsApp-Nachrichten, die aus Deutschland ins Ausland verschickt werden. Wenn solche Nachrichten an einen Ausländer adressiert sind, darf der BND sie erfassen, speichern und nach Suchbegriffen durchleuchten. Und zwar ohne konkreten Anlass oder Verdacht.
Damit soll der BND zufällig gefährliche Hinweise finden, etwa mögliche Cyberangriffe frühzeitig erkennen und abwehren. Solche Cyberangriffe stellen eine große Gefahr dar. Durch sie kann etwa wichtige Infrastruktur, wie die Strom- und Wasserversorgung, lahmgelegt werden. Doch die Kommunikationsüberwachung durch den BND ist teilweise verfassungswidrig, entschied heute das Bundesverfassungsgericht.
Amnesty International begrüßt Karlsruher Urteil
Geklagt hatte die Nichtregierungsorganisation Amnesty International Deutschland. "Es geht nicht um mehr oder weniger Befugnisse. Es muss darum gehen, zielgerichtet Gefahren abzuwenden ohne massenhaft Bevölkerungen zu überwachen", erklärt Lena Rohrbach die Motivation von Amnesty in Deutschland. Bei der Beschwerde wurde Amnesty von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützt. "Die Entscheidung setzt Massenüberwachung im Internet Grenzen und stärkt die Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes", sagt GFF-Jurist Bijan Moini.
Das Bundesverfassungsgericht unterstrich in seiner Entscheidung, wie wichtig der Schutz vor Cyberangriffen sei. Nötig seien aber bestimmte Einschränkungen. Es müsse etwa gesetzlich geregelt sein, dass der BND wirklich nur Mails durchleuchtet, die aus Deutschland ins Ausland geschickt werden. Nachrichten, die innerhalb Deutschlands - also etwa von München nach Hamburg - gesendet werden, darf der BND nicht überprüfen und muss sie löschen.
Unzureichender Schutz von sehr persönlichen Nachrichten
Bei solchen nur innerhalb von Deutschland verschickten Nachrichten gebe es noch ein weiteres Problem, heißt es von Amnesty International Deutschland. Es sei bislang technisch nicht möglich, zwischen internationaler und inländischer Kommunikation zu trennen. "Das ist eigentlich ein Armutszeugnis", so Rohrbach.
Kritik äußerten die Karlsruher Richter auch am Umgang mit sehr persönlichen E-Mails, zum Beispiel Liebesnachrichten. Der BND trifft bei seiner Überwachung zwar auch auf solche E-Mails, darf sie aber nicht kontrollieren, so das Verfassungsgericht. Weil im Gesetz dazu keine Vorgabe steht, sei die entsprechende BND-Vorschrift verfassungswidrig. Das Gleiche gelte für zu kurze Fristen für die Löschung von Überwachungsdokumenten, die für Betroffene den Rechtsschutz erschwerten.
Bis es für die betroffenen Aspekte neue Regelungen gibt, darf der BND wie bislang die Kommunikation ins Ausland überwachen. Der Gesetzgeber muss erst ein neues Gesetz beschließen. Dafür hat das Gericht der Politik bis Ende 2026 Zeit gegeben.
Aktenzeichen: 1 BvR 1743/16, 1 BvR 2539/16