ARD-DeutschlandTrend Keine Mehrheit für mehr Waffenlieferungen
Nur jeder dritte Deutsche glaubt laut ARD-DeutschlandTrend, dass der Ukraine-Krieg 2023 enden wird. Für eine Steigerung der Waffenlieferungen von Deutschland an die Ukraine gibt es keine Mehrheit.
Zu Beginn der vergangenen Jahre war oft kaum zu erahnen, welche großen Themen die folgenden Monate prägen würden. So hätte zum Beginn des Jahres 2020 wohl kaum jemand daran gedacht, dass das sogenannte Coronavirus eine jahrelange Pandemie auslösen würde. Anfang 2022 wiederum glaubten trotz warnender Worte von Expertinnen und Experten wohl nur die wenigsten ernsthaft daran, dass der russische Präsident einen Angriffskrieg auf das Nachbarland Ukraine starten würde.
Nun gehen die meisten Menschen hierzulande zum Jahresstart davon aus, dass sie das Thema 2022 auch das ganze Jahr 2023 beschäftigen wird. Laut ARD-DeutschlandTrend rechnet nur jeder dritte Wahlberechtigte in Deutschland (32 Prozent) damit, dass der Krieg in diesem Jahr enden wird. Sechs von zehn Deutschen (58 Prozent) glauben vielmehr, dass er darüber hinaus andauern wird. Das hat eine repräsentative Befragung von infratest dimap unter 1314 Wahlberechtigten von Montag bis Mittwoch dieser Woche ergeben.
Bevölkerung zurückhaltend
Nachdem Frankreich die Lieferung leichter Kampfpanzer angekündigt hat, wird aktuell wieder darüber diskutiert, ob auch Deutschland die Ukraine mit Kampfpanzern unterstützen sollte. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem Signal Frankreichs an andere westliche Staaten. Die deutsche Bevölkerung blickt aber eher zurückhaltend auf einen Ausbau von Waffenlieferungen.
Zwar ist der Anteil derjenigen, denen die bisherige Unterstützung mit Waffen nicht weit genug geht, auf 25 Prozent gestiegen. Ebenfalls einem Viertel (26 Prozent) geht die Unterstützung mit Waffen aber schon jetzt zu weit. Eine relative Mehrheit von 41 Prozent hält sie auf dem bisherigen Niveau für angemessen.
Umfragen zur Ukraine-Politik
Ukraine-Krieg als wichtigste Herausforderung
Kaum überraschend ist der Ukraine-Krieg nach Meinung der Deutschen aktuell auch die wichtigste Herausforderung für die Politik. Der ARD-DeutschlandTrend hat offen gefragt, um welche Probleme sich die deutsche Politik vordringlich kümmern muss. Maximal zwei Themen durften die Befragten hier nennen. Für jeden Vierten (24 Prozent) ist der Ukraine-Krieg eines der beiden wichtigsten politischen Probleme.
Auf Platz zwei geklettert ist ein Thema, das in Folge des Krieges an Bedeutung für die Deutschen gewonnen hat: der Komplex Energiepolitik/Energiewende (19 Prozent). Auf Rang drei folgt ein Thema, das seit 2020 immer in den Top 3 zu finden ist: Umweltschutz/Klimawandel (17 Prozent). Erst dann folgt das Thema Inflation/Preissteigerungen (14 Prozent), das Mitte des vergangenen Jahres noch deutlich mehr Menschen als wichtiges Problem wahrgenommen haben. Damals landete es mit 23 Prozent der Nennungen auf dem zweiten Rang. Möglicherweise also sind die Preissteigerungen bei einigen Deutschen bisher weniger stark durchgeschlagen als vor einem guten halben Jahr befürchtet.
Entlastungsmaßnahmen gehen vielen nicht weit genug
Offen bleibt, welchen Anteil daran ein bislang eher milder Winter mit geringerem Energieverbrauch hat - und welchen Anteil Maßnahmen wie die Gas- und Strompreisbremse, die in Deutschland seit diesem Jahr gelten. Insgesamt reichen die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung nach Meinung der Wahlberechtigten in Deutschland jedenfalls noch nicht aus.
Für gut jeden Zweiten (52 Prozent) gehen sie nicht weit genug. Vor allem unter Anhängerinnen und Anhängern von AfD und Linke sagt das jeweils eine Mehrheit. Jeder dritte Deutsche (34 Prozent) hält die bisherigen Entlastungsmaßnahmen dagegen für ausreichend - unter Grünen-Anhängern sagt das sogar eine Mehrheit. Zu weit gehen die Entlastungsmaßnahmen dagegen nur für eine Minderheit von acht Prozent.
Für eine Mehrheit geht es in Deutschland ungerecht zu
Eine Herausforderung für die deutsche Politik zeigt sich in einer anderen Frage: So findet aktuell nur gut jeder Dritte (36 Prozent), dass es hierzulande alles in allem eher gerecht zugeht. 58 Prozent dagegen sind der Meinung, dass es in Deutschland eher ungerecht zugeht - ein Höchststand seit 2010, als dieser Aussage in einer frühen Phase der Euro-Krise gar 60 Prozent zustimmten.
Die Frage, mit wie viel Zuversicht die Deutschen ins anstehende Jahr blicken, ist aktuell auch eine Frage des Einkommens: Unter den Menschen mit einem Haushalts-Nettoeinkommen von mehr als 3500 Euro pro Monat gehen sieben von zehn (70 Prozent) davon aus, 2023 werde für sie persönlich eher ein gutes Jahr - und nur jeder Fünfte (20 Prozent) erwartet ein eher schlechtes Jahr. Bei Menschen mit geringerem Nettoeinkommen (unter 1500 Euro) rechnen dagegen mehr Menschen persönlich mit einem eher schlechten Jahr (45 Prozent) als mit einem eher guten Jahr (40 Prozent).
Erhöhung des Renteneintrittsalters wird abgelehnt
Über einen anhaltenden Fachkräftemangel klagt Anfang 2023 die Wirtschaft - etwa in der Pflege oder im Handwerk. Um diesem Problem zu begegnen, werden in Deutschland verschiedene Maßnahmen diskutiert. Auch hier wollte der ARD-DeutschlandTrend wissen, wie die Bürgerinnen und Bürger zu ausgewählten Maßnahmen stehen.
Eine breite Mehrheit von 91 Prozent sieht die Unternehmen selbst in der Pflicht und spricht sich für eine bessere Bezahlung in den entsprechenden Branchen aus; nur sechs Prozent fänden dies falsch. Auch eine Erleichterung der Einwanderung ausländischer Fachkräfte nach Deutschland würde mit 63 Prozent von einer deutlichen Mehrheit unterstützt; 31 Prozent fänden das falsch. Keine Mehrheit gäbe es derweil für eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters von derzeit 67 Jahren: Neun von zehn Deutschen (90 Prozent) fänden das falsch, nur acht Prozent richtig.
Unterstützung für Corona-Isolationspflicht bleibt
Eines der Themen der vergangenen Jahre spielt in der Problemwahrnehmung der Deutschen aktuell kaum noch eine Rolle: Corona taucht nicht mehr in den Top 10 der nach Meinung der Deutschen wichtigsten politischen Probleme auf. Nachdem etwa der Virologe Christian Drosten die Pandemie für beendet erklärt hatte, wurde in der deutschen Politik zum Jahreswechsel über die Aufhebung aller noch geltenden Corona-Maßnahmen diskutiert.
Dafür jedoch gäbe es in der deutschen Bevölkerung aktuell keine Mehrheit. Zwar sagt mittlerweile mehr als jeder vierte Deutsche (28 Prozent), die Corona-Maßnahmen gingen zu weit (+ 6 im Vergleich zu August 2022). Eine Mehrheit von 57 Prozent hält sie dagegen weiter für angemessen (+ 4). Für 12 Prozent gehen sie sogar nicht weit genug (- zehn).
Dabei gibt es in den Bundesländern inzwischen einen unterschiedlichen Umgang mit Corona. So gilt etwa die Isolationspflicht, wonach sich Infizierte nach einem positiven Test für fünf Tage zu Hause isolieren müssen, in den meisten Bundesländern auch weiterhin. Einige Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg haben diese Pflicht dagegen aufgehoben - und sprechen nur noch eine Empfehlung zur Isolation aus.
Eine solche Aufhebung der Isolationspflicht findet eine Mehrheit der Deutschen (59 Prozent) falsch. 37 Prozent halten die Aufhebung hingegen für richtig. Auch wenn die Zustimmung zur Isolationspflicht damit seit Mitte Oktober rückläufig ist (- 10), wird sie noch immer von Anhängerinnen und Anhängern fast aller im Bundestag vertretenen Parteien mehrheitlich unterstützt. Einzig unter den AfD-Anhängern ist eine Mehrheit von 61 Prozent für eine Aufhebung der Isolationspflicht, 34 Prozent wollen daran festhalten.
Union bleibt in der Sonntagsfrage vorne
Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, dann käme die SPD von Bundeskanzler Olaf Scholz wie schon im Dezember auf 18 Prozent. Die Union käme auf 29 Prozent (-1) und wäre damit weiterhin klar stärkste Kraft. Die Grünen würden 19 Prozent erreichen (+1). Die FDP verbessert sich leicht auf 6 Prozent (+1). Die AfD bleibt bei 15 Prozent, die Linke bei 5 Prozent. Auf alle weiteren Parteien entfielen aktuell 8 Prozent (-1).
Mit der Arbeit der Bundesregierung ist zum Jahresstart jeder dritte Deutsche (34 Prozent) zufrieden beziehungsweise sehr zufrieden (+4). Eine Mehrheit von 64 Prozent ist damit indes weniger beziehungsweise gar nicht zufrieden (-4). Vor genau einem Jahr sah das noch anders aus: Mit der Arbeit der neuen Regierung waren damals mehr Wahlberechtigte in Deutschland zufrieden (46 Prozent) als unzufrieden (37 Prozent). Die Ampelkoalition war da gerade seit einem Monat im Amt - und Russland war noch nicht in die Ukraine einmarschiert.
ARD-Deutschland-Trend: Weitere Umfragen
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon- (davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk) und Online-Befragung
Erhebungszeitraum: 02. bis 04. Januar 2023
Fallzahl: 1314 Befragte (859 Telefoninterviews und 455 Online-Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und
Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent
3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap
Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle eine Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.