Begleitgesetze zum EU-Lissabon-Vertrag Koalition und Länder einig über Mitspracherechte
Nach langen Verhandlungen haben sich Koalitionsfraktionen und Länder auf neue Begleitgesetze zum Lissabon-Vertrag geeinigt. Bundestag und Länderparlamente bekommen mehr Einfluss auf die Europapolitik - unter anderem, wenn es um neue EU-Befugnisse und Beitrittsverhandlungen geht.
Union und SPD haben sich nach wochenlangen Verhandlungen auf ein Paket von neuen Begleitgesetzen zum Lissabon-Vertrag der EU geeinigt. Das teilten die Bundestagsfraktionen der Großen Koalition nach Beratungen mit den Ländern mit. Die insgesamt vier Gesetzentwürfe regeln die Entscheidungsprozesse und Befugnisse von Bundestag und Länderparlamenten in Europafragen. An den Beratungen waren auch Vertreter der Opposition beteiligt. Grüne und FDP tragen den Kompromiss mit, die Linke nicht.
Bei grundlegenden Machtverschiebungen auf EU-Ebene wie geänderten Abstimmungsregeln oder neuen Zuständigkeiten der EU-Kommission muss künftig der Bundestag zustimmen, bevor die Bundesregierung in Brüssel Ja sagt.
Bereits gestern waren in den Verhandlungen weitergehende Forderungen der CSU abgelehnt worden, nach denen Bundestag und Bundesrat grundsätzlich an allen EU-Entscheidungen beteiligt werden sollten. Die Bundesregierung hätte sich nach Vorstellung der CSU an die Stellungnahmen der Nationalparlamente halten müssen. Auch die Forderung nach Volksabstimmungen zu europapolitischen Fragestellungen wurde abgelehnt. Die Bundesländer werden aber künftig laut Deutscher Presseagentur erweiterte Mitbestimmungsrechte in den Bereichen Arbeitsrecht, Umweltpolitik und EU-Haushalt bekommen.
Harte Verhandlungen - und lauter Sieger
"Es war ein harter Kampf", sagte der Verhandlungsführer der Länder, Baden-Württembergs Europaminister Wolfgang Reinhart (CDU). "Die Interessen der Länder sind ausreichend berücksichtigt." Zu kommunalen Fragen soll die Bundesregierung bei den Verhandlungen in Brüssel Stellungnahmen des Bundestages berücksichtigen. Zu den Verhandlungen der Welthandelsrunde (WTO) soll es eine Informationspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag geben. Für CSU-Verhandlungsführer Hartmut Koschyk ist das ein Erfolg: "Wir fühlen uns nicht als Verlierer, weil wir die Rechte des Bundestages stärken."
SPD-Verhandlungsführer Thomas Oppermann sagte: "Die Bundesregierung bleibt auf europäischer Ebene uneingeschränkt handlungsfähig. Gleichzeitig werden die Mitwirkungsrechte gestärkt.". Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer sei als "bayerischer Löwe abgesprungen, aber als europäischer Bettvorleger gelandet".
Verfassungsgerichtsurteil machte Neuregelung nötig
Das Bundesverfassungsgericht hatte den Vertrag von Lissabon im Juni grundsätzlich gebilligt, aber mehr Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat gefordert. Deshalb muss der Bundestag ein neues Begleitgesetz schaffen. Die neuen Gesetze dazu werden in der kommenden Woche erstmals im Parlament beraten. Sie sollen am 8. September endgültig verabschiedet werden und könnten dann zum 1. Oktober in Kraft treten. Bei einem irischen Ja zum Lissabon-Vertrag wäre sonst Deutschland möglicherweise der letzte EU-Mitgliedsstaat gewesen, der den Vertrag ratifiziert.
Linke droht mit neuer Klage
Die Linke droht allerdings mit einer erneuten Klage vor dem Bundesverfassungsgericht: "Der Entwurf des neuen Begleitgesetzes zum Vertrag von Lissabon ist unzureichend", erklärte ihr Europapolitiker Diether Dehm. Die Vereinbarungen der anderen Fraktionen, die sich abzeichneten, berücksichtigten "nicht einmal annähernd" die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes. Die Linke lehnt den Lissabon-Vertrag ab und hatte bereits im ersten Verfahren in Karlsruhe gegen den Vertrag geklagt.