Hintergrund

Hintergrund Der Fahrplan zum Atomausstieg

Stand: 17.05.2011 20:26 Uhr

Die Bundesregierung hat nach dem Super-GAU in Japan eine Kehrtwende in der Atompolitik vollzogen. Bis Mitte Juni will sie die Zukunft der AKW klären und Eckpunkte für mehr Öko-Energie festlegen. Stationen bis dahin: Sitzungen der Ethikkommission, Sicherheitscheck aller Meiler, Kabinettsbeschluss. Der Fahrplan im Überblick.

Nach der Reaktorkatastrophe in Japan kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel am 12. März Sicherheitschecks für die 17 deutschen Atomkraftwerke an. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) räumte ein, dass sich auch für Deutschland die Frage nach der Beherrschbarkeit der Atomrisiken stelle.

Alte Meiler vom Netz - vorübergehend

Angesichts der Ereignisse in Fukushima und des wachsenden Protests von Atomkraftgegnern kurz vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg sah sich die Bundesregierung bald zu weiteren Schritten gezwungen. Am 14. März die Überraschung: Merkel will die längeren Laufzeiten für die deutschen AKW für drei Monate aussetzen. Sie kündigte die Abschaltung alter Meiler an, die nur wegen der Laufzeitverlängerung noch in Betrieb sind - das würde erstmal nur Neckarwestheim I betreffen.

Nach einem Treffen mit Ministerpräsidenten der Länder, in denen es Atomkraftwerke gibt, ging die CDU-Chefin noch weiter: Alle sieben vor 1980 gebauten Atomkraftwerke sollen vorübergehend abgeschaltet werden. Auch der nach Pannen stillstehende Meiler in Krümmel bleibt abgeschaltet. Die Abschaltung wird mit Paragraf 19, Absatz 3 des Atomgesetzes begründet, einer Art Gefahrenabwehr-Paragraf.

Zwei Kommissionen

Die Regierung beauftragte zwei Kommissionen mit der Klärung von technischen und ethischen Fragen: Die 16-köpfige Reaktorsicherheitskommission (RSK) hat die deutschen AKW überprüft. Ende März stellte sie ein umfangreiches - schärferes - Prüfprogramm für die Atommeiler vor. Etwa 100 Fachleute haben unter Federführung der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit diverse Ereignisse, wie etwa Erdbeben oder Flugzeugabstürze, durchgespielt. Zudem kamen Kühl- und Notstromsysteme auf den Prüfstand. Der Bericht der RSK liefert die technischen Grundlagen, aufgrund derer die Ethikkommission ihre Empfehlung zur weiteren Nutzung der Atomenergie abgeben kann und damit zuletzt die Entscheidungsgrundlagen für die Bundesregierung. Er wurde am 17. Mai veröffentlicht.

Unter den 16 Mitgliedern der Reaktor-Sicherheitskommission sind Physiker, Ingenieure und Vertreter der Atomwirtschaft. Vorsitzender ist Rudolf Wieland vom TÜV Nord. Die praktische Umsetzung der Überprüfung der AKW übernimmt zum Großteil die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS), die andere Einrichtungen wie den TÜV oder das Öko-Institut zu Rate zieht.

Das zweite Beratungsgremium der Bundesregierung in Sachen Atompolitik ist eine neu eingesetzte 17-köpfige Ethikkommission "Sichere Energieversorgung". Sie soll die Risiken der Atomkraftnutzung neu bewerten und klären, welches Atomrisiko für die Gesellschaft vertretbar ist. Vorsitzender ist Klaus Töpfer (CDU), ehemaliger Bundesumweltminister und früherer Chef des UN-Umweltprogramms (UNEP). Das Gremium traf sich erstmals am 4. April. Am 28. April fand eine zehnstündige öffentliche Sitzung statt, die auch live übertragen wurde - nach dem Vorbild der Schlichtungsverhandlungen bei "Stuttgart 21".

Was jetzt geplant ist

Am 28. Mai tagt die Ethikkkommission nochmals, am 30. Mai will sie dann ihren abschließenden Bericht übergeben.

Am 3. Juni wollen die Koalitionsfraktionen Experten befragen. Am 6. Juni wird es konkret: Dann will das Bundeskabinett ein Beschlusspapier zur Energiewende vorlegen - auf Basis der Ergebnisse der beiden Kommissionen. Das Kabinett entscheidet dann, welche der momentan stillgelegten Reaktoren wieder ans Netz gehen sollen und welche für immer abgeschaltet bleiben. Offen ist, ob eine Stilllegung alter Meiler von Bund und Ländern verfügt werden muss. Die Regierung hält es für fraglich, dass allein eine geänderte Risikobewertung für eine Stilllegungsverfügung ausreichend ist. Wahrscheinlich ist vielmehr, dass die Bundesregierung ein neues Atomgesetz auf den Weg bringt, das die Laufzeiten festlegt. Nach der Kabinettssitzung sollen dann die Koalitionsfraktionen zusammenkommen.

Fahne mit dem Schriftzug "Atomkraft nein danke"

Im Juni entscheidet die Bundesregierung, wleche AKWs für immer abgeschaltet bleiben.

Für den 9. Juni ist die erste Lesung der Novelle des Atomgesetzes vorgesehen. Die zweite und dritte Lesung ist für den 30. Juni geplant.

Am 15. Juni läuft das dreimonatige Atom-Moratorium aus. Auch wenn der Atomausstieg bis dahin nicht von Bundestag und Bundesrat beschlossen sein wird, wollen die AKW-Betreiber die acht vorübergehend stillgelegten Meiler nicht wieder hochfahren.

Der Bundesrat soll am 8. Juli über das Paket (Atomausstieg, Netzausbau, Erneuerbare Energien) abstimmen.