Fragen und Antworten Wer berät die Regierung in Atomfragen?

Stand: 04.04.2011 18:41 Uhr

Der Fahrplan der Bundesregierung in der Atomfrage steht. Bis Mitte Juni will sie über die Zukunft der 17 deutschen Atomkraftwerke entscheiden. Zwei Kommissionen beraten die Regierung in ethischen und sicherheitstechnischen Fragen. Aber wer sitzt in diesen Kommissionen und welche Aufgaben haben sie? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Von welchen Kommissionen lässt sich die Bundesregierung beraten?

Zum einen stützt sich die Bundesregierung auf die Ergebnisse der Reaktor-Sicherheitskommission. Die besteht bereits seit 1958 und ist für die Sicherheitsüberprüfung der AKW zuständig. Die Kommission erarbeitet die Kriterien, nach denen die 17 deutschen Meiler bis Mitte Juni im Rahmen des Moratoriums der Bundesregierung untersucht werden.

Neu eingerichtet wurde hingegen die Ethikkommission, auch genannt "Rat der Weisen". Sie soll den gesellschaftlichen Dialog über die Atomkraft voranbringen. Im Mittelpunkt stehen dabei wirtschaftliche und gesellschaftlich-ethische Fragen, die an eine angestrebte Atomwende geknüpft sind. Der Ethikrat soll die Politik bei der Bewertung der Kernkraftrisiken beraten.

Welche Aufgaben hat die Reaktor-Sicherheitskommission?

Die RSK ist zuständig für die technischen Sicherheitsstandards. Laut Bundeskanzlerin Merkel ist es ihr Auftrag, konkrete Lehren aus den Ereignissen in Japan zu ziehen und einen Arbeitsplan für die Überprüfung der deutschen Anlagen zu erstellen. Ihre technisch-wissenschaftlichen Empfehlungen oder Stellungnahmen sollen sie an das Umweltministerium weiterleiten.

Unter den 16 Mitgliedern der Reaktor-Sicherheitskommission sind Physiker, Ingenieure und Vertreter der Atomwirtschaft. Vorsitzender ist Rudolf Wieland vom TÜV Nord. Die praktische Umsetzung der Überprüfung der AKW übernimmt zum Großteil die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS), die andere Einrichtungen wie den TÜV oder das Öko-Institut zu Rate zieht.

Der Bericht der RSK liefert die technischen Grundlagen, aufgrund derer die Ethikkommission ihre Empfehlung zur weiteren Nutzung der Atomenergie abgeben kann und damit zuletzt die Entscheidungsgrundlagen für die Bundesregierung.

Was prüft die Reaktor-Sicherheitskommission?

Bislang wurde ein Anforderungskatalog, ein so genannter Stresstest für Atommeiler verabschiedet. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt: Was halten die Meiler aus, wenn mehr passiert, als man bisher dachte? Bis zu 100 Experten sollen in den kommenden sechs Wochen untersuchen, ob die deutschen Atommeiler Erdbeben, Hochwasser, extremer Trockenheit oder Explosionen standhalten. Dabei würden neben "terroristischen Einwirkungen" auch naturbedingte Ereignisse, höhere Wasserstände, ein Staudammbruch, Erdbeben, Trockenheit sowie niedrigere und höhere Temperaturen bei der Überprüfung der Sicherheit berücksichtigt. Ferner soll geprüft werden, ob die Meiler gekühlt werden könnten, wenn der Strom länger ausfällt. Sieben Expertenteams der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) prüfen dabei die einzelnen Bereiche bei den Anlagen.

Wer sitzt in der Ethikkommission?

Die Ethikkommission hat insgesamt 17 Mitglieder. Klaus Töpfer (CDU), ehemaliger Bundesumweltminister und früherer Chef des UN-Umweltprogramms (UNEP), hat den Vorsitz. Ko-Vorsitzender ist Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Außer den beiden Vorsitzenden gehören der Kommission weitere Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kirchen an:

Ulrich Beck, emeritierter Soziologieprofessor der Universität München und Risikoforscher;

Klaus von Dohnanyi (SPD), ehemaliger Bundesbildungsminister und Erster Bürgermeister von Hamburg;

Ulrich Fischer, badischer Landesbischof der evangelischen Kirche;

Alois Glück (CSU), Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK);

Jörg Hacker, Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina in Halle;

Jürgen Hambrecht, Vorstandsvorsitzender BASF;

Volker Hauff, Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung;

Walter Hirche (FDP), Präsident der Deutschen UNESCO-Kommission;

Reinhard Hüttl, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech);

Weyma Lübbe, Professorin für Praktische Philosophie an der Universität Regensburg;

Kardinal Reinhard Marx;

Lucia A. Reisch, Rat für Nachhaltige Entwicklung;

Ortwin Renn, Risikoforscher und Soziologieprofessor an der Universität Stuttgart;

Miranda Schreurs, Leiterin des Forschungszentrums für Umweltpolitik der FU Berlin und Mitglied des Sachverständigenrats für Umweltfragen;

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Gewerkschaft IG BCE.

Wieviel Zeit haben die Kommissionen?

Die RSK will bereits bis zum 15. Mai erste Ergebnisse vorstellen. Bis 15. Juni soll die Kommission beurteilen, welche Konsequenzen aus der Katastrophe in Fukushima gezogen werden müssen. Erst danach will die Regierung entscheiden, welche Atommeiler abgeschaltet werden sollen. Aktuell sind die sieben ältesten Meiler von dem Moratorium betroffen.

Die Ethikkommission soll bis zum 27. Mai einen Bericht vorlegen. Dieser soll, gemeinsam mit den Ergebnissen der Sicherheitsprüfung aller 17 deutschen Atomkraftwerke, eine Grundlage für die Regierungsentscheidung bilden, bis wann ein Atomausstieg angestrebt werden soll.

Wie verbindlich sind die Ergebnisse der Kommissionen?

Weder die RSK noch die Ethikkommission fällen zwingend bindende Entscheidungen.

Der Bericht der Ethikkommission hat vor allem beratende Funktion. Der Vorsitzende Töpfer äußerte die Hoffnung, dass "die Kommission eine einflussreiche Stimme wird".

Auf Basis der Ergebnisse der Untersuchung der RSK will die Regierung entscheiden, welche Meiler der insgesamt 17 deutschen AKW dauerhaft stillgelegt werden. Die Kommission trifft aber keine rechtlichen Bewertungen.

Gibt es Kritik an den Kommissionen?

Die Opposition kritisiert, dass es bereits zahlreiche Analysen über die Gefahren von Atomkraftwerken gibt. Zahlreiche Szenarien von möglichen Flugzeugabstürzen auf Atomkraftwerke hätten bereits gezeigt, dass vor allem die alten Atommeiler nicht ausreichend abgesichert sind. Ebenso sorgte die Besetzung der RSK für Kritik. Denn auch wenn es unter den Mitgliedern einige Atomkritiker geben soll, finden sich darunter vor allem Ingenieure unterschiedlicher Atomkonzerne und des TÜV, der mit der Überprüfung von Kernkraftwerken um Auftrag der Bundesländer Geld verdient. Zudem bezweifeln Kritiker, ob in nur knapp sechs Wochen alle 17 Atommeiler mit der nötigen Sorgfalt überprüft werden können.

Zusammengestellt von Katja Keppner für tagesschau.de