Frank-Walter Steinmeier spricht während der Gedenkfeier für die  Todesopfer der Messerattacke auf dem Solinger Stadtfest teil.

Gedenkfeier in Solingen Steinmeier fordert mehr Einsatz gegen irreguläre Migration

Stand: 01.09.2024 13:30 Uhr

In Solingen wird heute der Opfer des Messerangriffs gedacht. Der mutmaßliche Täter habe seinen "Schutz so furchtbar missbraucht", so Bundespräsident Steinmeier. Er forderte, die Regeln zur Begrenzung der Zuwanderung schnell umzusetzen.

Neun Tage nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag in Solingen wird heute mit einer Gedenkveranstaltung an die Opfer erinnert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wurde von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst, dessen Stellvertreterin Mona Neubaur und Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach empfangen.

Steinmeier forderte in seiner Rede mehr Einsatz gegen irreguläre Migration. Dafür müsse "jede, wirklich jede Anstrengung" unternommen werden, sagte er. Das Thema Zuwanderung und ihre Begrenzung "muss Priorität haben in den nächsten Jahren", sagte er.

Steinmeier betont Gundrecht auf Asyl

Steinmeier unterstrich die Bedeutung des Grundrechts auf Asyl: "Wir sind aus gutem Grund ein Land, das Menschen aufnimmt, die Schutz vor politischer Verfolgung und Krieg suchen." Doch das funktioniere nur, wenn uns die Zahl derer, die ohne Anspruch auf diesen besonderen Schutz kämen, nicht überfordere, sagte er. Zudem müssten sich Schutzsuchende "an Recht und Gesetz unseres Landes halten". Die Last für das Gelingen von Zuwanderung dürfe aber nicht bei den engagierten Menschen abgeladen werden - etwa Mitarbeitenden in Städten und Gemeinden, freiwilligen Helferinnen und Helfern, Polizistinnen und Polizisten sowie allen, die schon länger an ihre Grenzen gekommen seien. "Wir dürfen die Gutwilligen nicht überfordern."

Bei dem Messerangriff vor gut einer Woche waren drei Menschen getötet und acht weitere teils schwer verletzt worden. Die Bundesanwaltschaft geht von einer Tat mit islamistischem Hintergrund aus. Der mutmaßliche Täter, ein 26-jähriger Syrer, hätte eigentlich schon im vergangenen Jahr nach Bulgarien abgeschoben werden sollen, wo er zuerst EU-Boden betreten hatte.

Er sitzt in Untersuchungshaft, die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn unter anderem wegen Mordverdachts und wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Steinmeier: "Schutz so furchtbar missbraucht"

Steinmeier bezeichnete es als "unerträglich", dass der Mann "nach allem, was wir wissen, bei uns Schutz suchte und fand - und diesen Schutz so furchtbar missbraucht hat". Zudem seien Fehler gemacht worden: Der Staat habe "sein Versprechen auf Schutz und Sicherheit nicht vollständig einhalten können", sagte der Bundespräsident. Das Verbrechen und mögliche Versäumnisse müssten nun "umfassend" aufgearbeitet werden.

Der Anschlag hatte eine neue Debatte über Abschiebungen und ein Messerverbot ausgelöst. Die Bundesregierung schlug daraufhin Verschärfungen des Waffenrechts, zusätzliche Maßnahmen gegen gewaltbereiten Islamismus sowie deutliche Verschärfungen im Aufenthalts- und Asylrecht vor.

Regeln sollen schnell umgesetzt werden

Steinmeier forderte nun, die Regeln zur Begrenzung der Zuwanderung, "die es schon gibt, und diejenigen, die gerade geschaffen werden, umzusetzen". Das sei eine Riesenaufgabe, die oberste Priorität haben müsse. Er zog Parallelen zu anderen islamistisch motivierten Gewalttaten wie dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz im Jahr 2016.

Daneben stellte er auch einen Bezug zu rechtsextremistischen Taten wie dem Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke und nicht zuletzt dem fremdenfeindlichen Brandanschlag mit fünf Toten im Jahr 1993 ebenfalls in Solingen her. "Es ist dasselbe zynische Kalkül", sagte Steinmeier. Die Täter zielten ab "auf unser Herz, unsere Freiheit, auf das, was uns ausmacht".

Der Schmerz sei kaum zu ertragen, sagte Steinmeier, der kurz zuvor mit Angehörigen der Toten und Verletzten gesprochen hatte. "Ich kann kaum ermessen, wir alle können kaum ermessen, was Sie, liebe Angehörige und Freunde durchmachen, was Sie durchleiden müssen, durch welche Hölle Sie gehen."

Wüst nennt Anschlag "Wendepunkt"

Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, nannte den Angriff in Solingen einen "Wendepunkt". Nun müsse daran gearbeitet werden, "die Ursache des Problems an der Wurzel zu fassen".

Es brauche Debatten "über Asyl- und Ausländerpolitik, Einwanderungspolitik" und diese müssten "ohne Scheuklappen, ohne Schaum vor dem Mund" geführt werden, sagte der CDU-Politiker.

Kurzbach: Anschlag "galt uns allen"

Oberbürgermeister Tim Kurzbach rief bei der Veranstaltung zum gesellschaftlichen Zusammenhalt auf. "Der Anschlag traf Menschen vor einer Bühne in Solingen, aber er galt uns allen", sagte Kurzbach. "Wir werden weltoffen bleiben", sagte er weiter. "Wir werden das Leben auch wieder feiern, gerade weil Terroristen, die uns die Freude rauben wollen, nie gewinnen dürfen."

An der Trauerfeier nahmen auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, Kanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser teil. Im Anschluss sollte es ein stilles Gedenken mit Kranzniederlegung am Tatort in der Innenstadt geben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 01. September 2024 um 14:00 Uhr.