BAföG-Reform Warten auf den großen Wurf
Das BAföG soll reformiert werden. Heute befasst sich der Bundesrat damit. Betroffene, Studierendenvertreter und Wissenschaftler sehen in dem Vorhaben gute Ansätze, haben aber auch einige Kritikpunkte.
Ohne die rund 600 Euro monatlich würde es eng werden, erzählt Kai Mellein, 23. Er studiert Geschichte im achten Semester in Mainz und bezieht wie hunderttausende andere Studierende BAföG. Über die Runden komme er, weil er noch einen Nebenjob und einen älteren, bezahlbaren Mietvertrag habe. "Ohne das Bafög würde ich mit dem Minimum auskommen müssen", sagt Mellein. Das gelte für andere Studierende trotz des BAföG.
Obwohl die gezahlte Summe für ihn ausreiche, wünscht sich Mellein, dass die Förderung grundlegend überarbeitet wird. Vor allem: entbürokratisiert. "Am meisten stört mich, wie das mit den Eltern geregelt ist", so der Geschichtsstudent. Ob Einkommenssteuerbescheide oder Gehaltsabrechnungen - diese Nachweise einzubringen koste zu viel Zeit und spiegele den jeweiligen tatsächlichen Finanzbedarf nicht wider. "Das BAföG bildet nicht die Lebenssituation der einzelnen Studierenden ab", sagt Mellein. Hinzu komme die mitunter monatelange Wartezeit, bis der Bafög-Antrag bewilligt werde.
Dass beim Bafög einiges einfacher und schneller gehen soll, steht schon länger auf der politischen Agenda. Das Bundesbildungsministerium will es derzeit reformieren und spricht von "grundlegenden strukturellen Verbesserungen". Heute befasst sich der Bundesrat mit der Novelle.
Was ist geplant und was wird kritisiert?
Kernpunkte des Plans: ein "Flexibilitätssemester", mit dem Studierende über die Regelstudienzeit hinaus gefördert werden können. Die Freibeträge für Einkommen der Studierenden und deren Eltern sollen angehoben werden. Und: Für angehende Studierende aus ärmeren Haushalten soll es eine "Starthilfe", also einen einmaligen Zuschuss in Höhe von 1.000 Euro geben. Die regelmäßig gezahlten Beträge des BAföG sollen allerdings nicht erhöht werden.
Studierendenvertreter haben das immer wieder deutlich kritisiert: "Der Umgang mit dem Bafög zeigt, dass die Ampel die Interessen der jungen Generation trotz gegenteiliger Beteuerungen faktisch vernachlässigt", sagt Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Studierendenwerks. "Trotz stark gestiegener Preise für Lebensmittel und Mieten würden - sollten im parlamentarischen Verfahren die Bundestagsabgeordneten nicht noch beherzt eingreifen - die Studierenden beim BAföG mit einer Nullrunde bei den Bedarfssätzen abgespeist werden."
Während andere staatliche Leistungen automatisch an die Inflation angepasst werden, sei das ausgerechnet beim BAföG als "zentralem Instrument der Bildungsgerechtigkeit" nicht der Fall.
Kein Ausgleich für stark gestiegene Preise
Dabei hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages für solch eine Erhöhung einen gewissen Gestaltungsspielraum eingeräumt. 150 Millionen Euro waren für das BAföG in diesem Jahr zusätzlich zur Verfügung gestellt worden; das Bildungsministerium plant davon jedoch nur 62 Millionen Euro ein.
"Leichte Verbesserungen bei der Förderhöchstdauer, dem Studienfachwechsel oder die Einführung einer Studienstarthilfe" könnten diese finanzielle Lücke nicht aufwiegen, kritisiert Matthias Anbuhl.
Die für Hochschulwesen und Sozialpolitik zuständigen Ausschüsse im Bundesrat weisen ebenfalls darauf hin: "Mit einem ausgeschöpften Finanzrahmen hätte die Studienstarthilfe auf alle Studienanfänger, die BAföG-Leistungen beziehen, ausgeweitet werden können. Wer BAföG-berechtigt ist, ist qua Gesetz bedürftig", heißt es in der schriftlichen Empfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat.
Um an die 1.000 Euro Starthilfe zu kommen, müssen angehende Studierende den besonderen Bedarf nachweisen. "Jeder weitere Nachweis, wie der Gesetzentwurf vorsieht, kostet Geld, Zeit und ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BAföG-Ämter nicht zumutbar. Alternativ wäre eine Anhebung der Bedarfssätze möglich gewesen."
"Ein Sprung ins Ungewisse"
Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen Kritikpunkte. Die Reform sei kein großer Wurf und bleibe "hinter ihren Möglichkeiten", sagt Frauke Peter vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung. Ansätze wie ein Flexibilitätssemester seien zwar positiv zu sehen. Aber: Wie auch das Deutsche Studierendenwerk fände sie eine automatische regelmäßige Anpassung der BAföG -Sätze sinnvoll.
Außerdem sei eine Erkenntnis aus der Forschung, dass angehende Studierende nur schwer an Informationen kämen, wie viel BAföG ihnen zustehe. Hier seien die Regelungen nach wie vor zu bürokratisch und erschwerten den Zugang an eine Hochschule.
Gerade für junge Menschen, die sich zwar für ein Studium interessieren, aber nicht wissen, wie sie sich das leisten sollen, sei das ein Problem. "Das ist ein Sprung ins Ungewisse", sagt Peter. Diese finanzielle Intransparenz bleibe weiterhin bestehen, trotz der angestrebten Reform. "Der Entwurf bleibt da hinter dem, was evidenzbasierte Politik wäre, zurück", so die Bildungsforscherin.
Vor allem die 1.000 Euro Starthilfe findet auch Student Kai Mellein sinnvoll - zumindest, "wenn Betroffene die auch schnell gezahlt bekommen". Auf eine wesentliche Entbürokratisierung wartet er aber weiterhin.