Vorwürfe nach Berlinale-Gala "Antisemitische und antiisraelische Rhetorik"
Einseitig israelkritische Äußerungen bei der Berlinale haben Kritik ausgelöst. Israels Botschafter Prosor sagte, die "Lektion aus der Documenta" sei nicht begriffen worden. Auch Kanzler Scholz verurteilte die Aussagen.
Nach israelkritischen Äußerungen von Filmschaffenden bei der Preisverleihung der Berlinale hat Israels Botschafter der deutschen Kulturszene heftige Vorwürfe gemacht. "Antisemitische und israelfeindliche Äußerungen" seien mit tosendem Applaus bedacht worden, schrieb Ron Prosor am späten Sonntagabend auf der Plattform X.
Es scheine, dass die "Lektion aus der Documenta nicht begriffen wurde", so Prosor. "Unter dem Deckmantel der Rede- und Kunstfreiheit wird antisemitische und antiisraelische Rhetorik zelebriert." Die deutsche Kulturszene rolle den Roten Teppich "ausschließlich für Künstler" aus, die sich für "Israels Delegitimierung" einsetzten.
Der Zentralrat der Juden schrieb am Sonntagabend auf X (ehemals Twitter), dass bei der Berlinale "schon wieder eine der wichtigsten Kulturveranstaltungen in Deutschland für ideologische Hetze gegen Israel und Juden missbraucht" worden sei. Damit spielt der Zentralrat wohl auf die vergangene documenta fifteen im Jahr 2022 an, die vom Umgang mit als antisemitisch kritisierter Kunst überschattet wurde.
"Hetze gegen Israel und Juden auf deutschen Kulturveranstaltungen ist eine erschreckende Regelmäßigkeit geworden", sagte Zentralratspräsident Josef Schuster der "Bild". "Schon wieder ducken sich bei der Berlinale viele politisch Verantwortliche weg und haben nicht den Mut, gegen Applaus für Israelhass aufzustehen."
Einseitig Vorwürfe gegen Israel
Die Berlinale war in diesem Jahr besonders stark von politischen Debatten geprägt. Bereits bei der Eröffnungsgala hatten einige Filmschaffende ein Ende der Kämpfe in Gaza zwischen Israel und der Hamas gefordert. Bei der Preisverleihung am Samstag trugen mehrere Menschen auf der Bühne Zettel mit der Aufschrift "Ceasefire Now" (etwa: "Feuerpause jetzt").
Auffällig war vor allem, dass einige auf der Bühne einseitig Vorwürfe gegen Israel äußerten, ohne den Terrorangriff der islamistischen Hamas vom 7. Oktober zu erwähnen. Unter anderem wurde von "Apartheid" oder "Genozid" gesprochen.
Roth kündigt Untersuchung an
Die Äußerungen riefen in der Politik breite Kritik hervor. Kanzler Olaf Scholz (SPD) teile es, "dass eine derart einseitige Positionierung so nicht stehen gelassen werden kann", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. Es sei in jeder Debatte zu diesem Thema wichtig, im Auge zu behalten, was diese erneute Eskalation des Konflikts ausgelöst habe - nämlich der Überfall der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth kündigte eine Untersuchung der Vorfälle an. "Gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, und dem Berliner Senat, die mit uns die Verantwortung für die Berlinale tragen, werden wir nun die Vorkommnisse bei der Bärenverleihung aufarbeiten", sagte die Grünen-Politikerin. Es solle untersucht werden, wie die Berlinale ihrem Anspruch, ein Ort für Vielfalt, unterschiedliche Perspektiven und Dialog zu sein, gerecht geworden sei oder nicht.
Dabei will Roth auch klären, "wie zukünftig sichergestellt werden kann, dass die Berlinale ein Ort ist, der frei ist von Hass, Hetze, Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jeder Form von Menschenfeindlichkeit". "Die Statements bei der Bärenverleihung der Berlinale am Samstagabend waren erschreckend einseitig und von einem tiefgehenden Israel-Hass geprägt", sagte Roth weiter.
Berlins Regierender Bürgermeister Wegner sagte dem rbb: "Berlin hat eine klare Haltung, wenn es um die Verteidigung der Freiheit geht. Das bedeutet auch, dass Berlin fest auf der Seite Israels steht. Darüber gibt es keinen Zweifel." Die "volle Verantwortung für das tiefe Leid in Israel und dem Gazastreifen" liege bei der Hamas. "Sie hat es in der Hand, dieses Leid zu beenden, indem sie alle Geiseln freilässt und die Waffen niederlegt. Hier gibt es keinen Raum für Relativierungen", so der CDU-Politiker.
"Täter-Opfer-Umkehr" und "antiisraelische Propaganda"
Scharfe Kritik kam auch vom Grünen-Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz, nachdem der Filmemacher Ben Russell im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg von "Genozid" gesprochen hatte. "Es ist schlicht ekelhaft und eine perfide Täter-Opfer-Umkehr. Solche Auftritte sind unerträglich", schrieb von Notz bei X.
Auch Berlins Kultursenator Joe Chialo fand deutliche Worte: "Die Kultur sollte Raum für vielfältige politische Meinungsäußerungen bieten, doch die diesjährige Preisverleihung der Berlinale war geprägt von selbstgerechter antiisraelischer Propaganda, die nicht auf die Bühnen Berlins gehört", schrieb der CDU-Politiker bei X. Es sei zu hoffen, dass die Festivalleitung die Vorfälle konsequent aufarbeite.
"Ich schäme mich dafür, dass in meinem Land Leute Völkermordvorwürfe an Israel feiern, statt dem Auftrag aus dem deutschen Völkermord gerecht zu werden und dies auch auszudrücken", sagte der kultur- und medienpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Helge Lindh der "Welt".
Berlinale distanziert sich
Die Berlinale distanzierte sich von den Äußerungen der Preisträgerinnen und Preisträger. Diese seien "unabhängige individuelle Meinungen", teilte eine Sprecherin der Nachrichtenagentur dpa mit. "Sie geben in keiner Form die Haltung des Festivals wieder." Solange sie sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen bewegten, müssten sie aber akzeptiert werden. Zugleich wies sie aber auch darauf hin, dass Meinungsäußerungen bei Kulturveranstaltungen nicht grundsätzlich verhindert werden könnten und sollten.
Zu Beginn der Gala hatte die Co-Chefin der Berlinale, Mariette Rissenbeek deutlich gemacht, dass es für "Hetze, Antisemitismus, antimuslimischen Hass und jede Form von Diskriminierung" keinen Platz bei der Berlinale gebe.
Berlinale löscht Instagram-Post und stellt Strafanzeige
Für Aufregung sorgte am Sonntag zudem ein israelfeindlicher Beitrag auf der Instagram-Seite der Panorama-Sektion der Berlinale, der schnell wieder gelöscht wurde und im Anschluss als Screenshot auf X kursierte. Auf einem Foto war der Spruch "Free Palestine - From the River to the Sea" ("Befreie Palästina - vom Fluss bis zum Meer") zu sehen. Mit dem Satz ist gemeint, es solle ein freies Palästina geben auf einem Gebiet vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer - dort, wo sich jetzt Israel befindet.
Das Filmfestival distanzierte sich auch hiervon und gab an, Opfer eines Hackerangriffs geworden zu sein. "Dass jemand einen Berlinale Social-Media-Kanal für antisemitische Hetze missbraucht, ist unerträglich", hieß es auf Nachfrage der Nachrichtenagentur dpa. Die Posts seien sofort gelöscht worden, zudem werde untersucht, wie es zu dem Vorfall habe kommen können. "Und wir haben Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Wir verurteilen diesen kriminellen Akt aufs Schärfste."