Eine Frau hält ihre Hände vor das Gesicht.

Institut für Menschenrechte Deutschland schützt Frauen zu wenig vor Gewalt

Stand: 03.12.2024 16:15 Uhr

Hunderte Frauen und Mädchen werden in Deutschland Tag für Tag Opfer von körperlicher oder psychischer Gewalt. Aber der Staat unternimmt zu wenig für ihren Schutz, sagt das Deutsche Institut für Menschenrechte und fordert Maßnahmen.

Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland alltäglich - dennoch wird sie nicht ausreichend bekämpft. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat in Berlin den "Monitor Gewalt gegen Frauen" vorgestellt - den ersten umfassenden Bericht zu dem Thema.

Zwar habe es in den vergangenen Jahren Fortschritte wie das Anti-Stalking-Gesetz oder die Aufnahme geschlechtsspezifischer Tatmotive ins Strafrecht gegeben, sagte die Expertin für geschlechtsspezifische Gewalt am Deutschen Institut für Menschenrechte, Müserref Tanriverdi. Dennoch sei das Gesamtbild "besorgniserregend bis alarmierend".

Täglich mehr als 700 weibliche Opfer von körperlicher Gewalt

Im Jahr 2023 seien im Schnitt jeden Tag 728 Frauen und Mädchen Opfer von körperlicher Gewalt sowie 394 von psychischer Gewalt geworden, erklärte Tanriverdi. Rund 85 Prozent der Opfer von sexualisierter Gewalt seien Frauen und Mädchen. Über das Dunkelfeld gibt es nur Schätzungen. Geschlechtsspezifische Gewalt finde häufig im nahen Umfeld der Betroffenen statt. Besonders betroffen seien junge Frauen zwischen 18 und 20 Jahren.

Das Ausmaß der Gewalt sei unerträglich, so die Expertin. "Wir brauchen endlich eine Gesamtstrategie von Politik, Verwaltung und Justiz, um die Betroffenen besser zu schützen und der Gewalt ein Ende zu setzen."

"Arbeitsprogramm" für die nächste Bundesregierung

Der Bericht "Monitor Gewalt gegen Frauen" kommt zu dem Schluss, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Deutschland allzu oft verharmlost werde. "Wenn ein Mann eine Frau tötet, weil sie sich trennt, ist das keine 'bedauernswerte Familientragödie', sondern Mord", sagte Tanriverdi. Überdies fehle oft noch das Verständnis für die digitale Dimension von gegen Frauen gerichtete Gewalt.

In dem Bericht geht es um die Umsetzung der sogenannten Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt. Diese verpflichtet Bund, Länder und Kommunen seit 2018 dazu, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhindern und Täter wirksam strafrechtlich zu verfolgen. Auf Basis aller verfügbaren Daten und Erkenntnisse über das Ausmaß der Gewalt und die Gegenmaßnahmen liefert der Bericht Handlungsempfehlungen an Bund, Länder, Verwaltungen und Zivilgesellschaft. Die Direktorin des Menschenrechtsinstituts, Beate Rudolf, sprach von einem "Arbeitsprogramm" für die nächste Bundesregierung.

Mehr Plätze in Frauenhäusern, mehr Beratungen

Die Expertinnen und Experten des Instituts fordern neben einer Gesamtstrategie auch die Einrichtung einer nationalen Koordinierungsstelle. Zudem müssten die Zahl der Plätze in Frauenhäusern sowie Beratungsangebote dringend ausgebaut werden. Nötig sei ein Gewalthilfegesetz, mit dem ein Rechtsanspruch auf Zugang zu Schutz und Beratung verankert werde.

Polizei und Justiz sollten zur Vorbeugung und zur besseren Rechtsverfolgung geschult werden. Darüber hinaus rät das Institut dazu, die Arbeit mit Tätern auszubauen, um diese von möglichen weiteren Taten abzubringen.