"Graue Wölfe" in Deutschland Salonfähig durch die EM?
12.500 Anhänger haben die "Grauen Wölfe" in Deutschland. Die Ülkücü-Bewegung ist damit die größte rechtsextreme Bewegung hierzulande. Bis zur EM hat das in der deutschen Öffentlichkeit nur kaum jemand richtig bemerkt.
Vor dem Teamhotel der türkischen Nationalmannschaft in Berlin warteten hunderte Fans - mit türkischen Fahnen, Jubel und mit dem Wolfsgruß. Dass der durch den Torjubel von Merih Demiral einen EM-Skandal ausgelöst hatte und eine breite Debatte über türkische Rechtsextreme, interessierte da niemanden.
Auf Nachfragen liefern die Menschen andere Erklärungen für das Handzeichen. Es symbolisiere den Wolf, dem damals die Vorfahren der Türken aus dem sagenhaften Ergenokan-Tal gefolgt seien. Eine Legende, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand und sich auf den Ursprungsmythos der türkischen Stämme bezieht. Es ist die Geschichte des Aufstiegs zu einer großen Nation.
Und so ist von vielen zu hören, dass der Wolf nur ein türkisches Symbol sei - so wie der deutsche Adler oder der französische Hahn. Mit den "Grauen Wölfen", mit Faschismus habe das alles nichts zu tun. "So sind wir nicht. Das wollen wir nicht. Wir sind auch gegen Faschismus", erklärt Gülceren. Ihre Tochter steht daneben und nickt. Ähnliches hört man auch rund ums Spiel, beim Fanwalk der türkischen Fans, den die Polizei abbricht, weil immer wieder der Wolfsgruß gezeigt wird oder auch vorm Stadion.
Rechtsextremistisch, nationalistisch, gewaltbefürwortend
Doch nicht alle geben sich mit dieser Erklärung zufrieden, weil es eben nicht um den Wolf als Symboltier, sondern um den Wolfsgruß geht. Denn der ist das politische Symbol der Ülkücü-Bewegung, der "Grauen Wölfe". Und die sind rechtsextremistisch - nationalistisch, gewaltbefürwortend. So steht es in den Verfassungsschutzberichten.
"Die Ülkücü-Ideologie basiert auf einem Überlegenheitsanspruch des Türkentums gegenüber anderen Ethnien, Nationen und Religionsgemeinschaften", heißt es im Berliner Verfassungsschutzbericht. Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht "Elemente von Rassismus, Antisemitismus und eine Überhöhung des Türkentums." Die Ämter für Verfassungsschutz von Bund und Ländern beobachten die Ülkücü-Bewegung und die dahinterstehenden Vereine seit Jahren.
Experten rechnen mit Zulauf
Das massenhafte öffentliche Zeigen des Wolfsgrußes sehen Sicherheitsbehörden mit Sorge. Nach ihren Erkenntnissen ist der Wolfsgruß durch die EM salonfähiger geworden. Ob sich das auch in den Zahlen niederschlagen wird, ist nicht absehbar. 2023 rechnete das Bundesamt für Verfassungsschutz 12.500 Menschen in Deutschland den "Grauen Wölfen" zu, verteilt auf drei Verbände und einen unorganisierten Teil.
Burak Yilmaz recherchiert seit Jahren zu den Aktivitäten der "Grauen Wölfe". Er rechnet mit Zulauf. "Je sichtbarer dieses rechtsextreme Symbol wird, desto mehr kommen die Menschen in Kontakt mit der Ideologie der 'Grauen Wölfe' und umso mehr Anhängerinnen und Anhänger gibt es dann am Ende."
Und Yilmaz hält das für gefährlich. "Sie greifen alevitische und kurdische Menschen, Pontosgriechen, Jesiden, Armenier, die jüdische Community an, also all die Minderheiten, die zum Teil auch in der Türkei vertrieben wurden."
Zunehmende Polarisierung
Die "Grauen Wölfe" geben sich nach außen gemäßigt. Sie organisieren Sport- und Kulturveranstaltungen. Im Innern aber werde der Extremismus ausgelebt und so eine Grundlage für die weitere Verbreitung der rechtsextremistischen Ideologie geschaffen, heißt es im Verfassungsschutzbericht 2023.
Und der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen warnt: "Die Verbreitung türkisch-nationalistischer Narrative und Kommentare in ideologischer Färbung können im Ergebnis zu einer Polarisierung der Gesellschaft beitragen."
Die Debatte über den Wolfsgruß während der Europameisterschaft lässt ahnen, was damit gemeint ist. Schnell wurden die Gräben gezogen: auf der einen Seite diejenigen, die den Gruß nicht tolerieren wollen und ein Verbot fordern, auf der anderen dann die Fans, die aus Trotz gegenüber der deutschen Gesellschaft den Wolfsgruß gezeigt haben.
"Aggressive Diaspora-Politik"
Gerade bei der dritten und zum Teil vierten Generation müsse man sich fragen, warum sie so empfänglich für diese Propaganda seien, sagt Eren Güvercin. Er beobachtet seit Jahren den Einfluss der türkischen Regierung und der "Grauen Wölfe" in Deutschland. Die Türkei betreibe eine aggressive Diasporapolitik, nach dem Motto: "Ihr könnt euch integrieren, wie ihr wollt, die Deutschen werden euch nie als Bürger erster Klasse anerkennen, also seid stolz darauf, Türken zu sein."
Wenn dieses Denken verfängt, hat das am Ende auch viel mit der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu tun und Folgen für diese. Deshalb müsse die Diskussion jetzt auf allen Ebenen geführt werden, in den Schulen, in den Vereinen. Verbote allein werden das Problem nicht lösen. "Wir werden der Welt den türkisch-islamischen Stempel aufdrücken", beschrieb der Begründer der Ülkücü-Bewegung, Alparslan Türkeş, das Ziel der Bewegung. Daran hat sich bis heute nichts geändert.