Ulrich Neymeyr und Gäste auf dem Domplatz Erfurt

Katholikentag in Erfurt "Kirchen dürfen nicht schweigen"

Stand: 30.05.2024 16:26 Uhr

Bischöfe haben beim Katholikentag in Erfurt zu gesellschaftlichem und politischem Engagement aufgerufen. Der christliche Glaube dürfe nicht "im stillen Kämmerlein dahinvegetieren". Die Kirche müsse ihren Beitrag zum Frieden leisten.

Beim Katholikentag in Erfurt haben Bischöfe betont, dass die Kirche sich nicht aus der Politik heraushalten solle. "Unser Gott ist parteiisch", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, bei einem Empfang der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. "Er steht auf der Seite der Gerechten, des Rechts." Daher äußere sich die Kirche oft zu Fragen des Friedens, der Klima- und Asylpolitik sowie gegen den völkischen Nationalismus.

Auch, wenn das Christentum in Deutschland zu einer Minderheit werde, müsse die Kirche ihren Beitrag zum Frieden leisten, sagte Bätzing "Wir wollen nicht die Frage stellen: Was wird denn aus uns? Sondern immer mehr in die Frage hineinwachsen: Für wen sind wir da?" Die Kirche wolle zum Wohlergehen aller Menschen im Land beitragen, nicht nur der Christen.

Auf dem Programm des Katholikentags standen heute unter anderem die Themen Missbrauchsskandal und Reformen in der Kirche. Am Freitag und Samstag werden Bundeskanzler Olaf Scholz sowie mehrere Ministerinnen und Minister in Erfurt erwartet. Auch zahlreiche Vertreter aus dem politischen Berlin und Prominente aus Kultur, Wissenschaft, Kirche und Gesellschaft kündigten sich an.

Kirche soll sich in Politik einmischen

Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige wandte sich ebenfalls gegen die Vorstellung, Kirche dürfe sich nicht in die Politik einmischen. In seinem Predigttext zur Feier, die für den Abend geplant ist, erinnerte er an die Zeit des Nationalsozialismus und Kommunismus, in der der Glaube ins Private zurückgedrängt wurde: "Das Christentum sollte höchstens noch auf Gottesdienst und Sakristei beschränkt sein oder als private Gefühlsangelegenheit im stillen Kämmerlein dahinvegetieren dürfen."

"Kirchen dürfen nicht schweigen", so Feige weiter. Auch heute versuchten manche Gruppierungen wieder, Religion ins Abseits zu drängen. Unter Verweis auf die Neutralität des Staates werde die Kirche aufgefordert, sich auf ihre Kernkompetenz zu konzentrieren und nur die religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder zu erfüllen. Der Bischof hielt dagegen: "Wenn es grundsätzlich und konkret um die Würde und Freiheit eines jeden Menschen geht, die Achtung der Menschenrechte und das Gemeinwohl, den Frieden und die Bewahrung der Schöpfung, können und dürfen wir als Kirchen nicht schweigen."

Memorial-Mitbegründerin zu Gast

De Friedensnobelpreisträgerin Irina Scherbakowa erklärte auf dem Katholikentag, sie habe derzeit kaum Hoffnung auf eine demokratische Zukunft für Russland. Wenn Präsident Wladimir Putin den Krieg in der Ukraine gewinne, gebe es keine Chance für Veränderung in ihrer Heimat, sagte die Mitbegründerin der seit 2022 in Russland verbotenen Menschenrechtsorganisation Memorial. "Putin verkündet den ewigen Krieg."

Tradition der Friedensgebete in Erfurt

Nach Angaben der Veranstalter beteiligten sich rund 6.000 Menschen am Vormittag auf dem Erfurter Domplatz an einem ökumenischen Gottesdienst zu Fronleichnam. Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr predigte bei regnerischem Wetter zusammen mit der Sprachwissenschaftlerin Ulrike Lynn über das biblische Motto des Katholikentags. Christen dürften sich nicht entmutigen lassen in ihrem Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden - "auch wenn wir damit auf Ablehnung stoßen", sagte Neymeyr.

Mit Blick auf Forderungen nach mehr Aufrüstung erinnerte Neymeyr an die Vision des alttestamentlichen Propheten Micha von einer Welt, in der Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet werden und kein Volk mehr Kriege führt. Es war auch das Motto der DDR-Friedensbewegung. In Erfurt wird seit 1978 jeden Donnerstag in die Erfurter Lorenzkirche zu einem ökumenischen Friedensgebet eingeladen.

An den 500 Veranstaltungen des Katholikentages in Erfurt wollen bis Sonntag rund 20.000 Christen teilnehmen. Das Treffen steht unter dem Leitwort "Zukunft hat der Mensch des Friedens" aus Psalm 37.