Westeuropäischer Vergleich Deutschland fällt bei Lebenserwartung zurück
Im Schnitt leben die Menschen in Deutschland 1,7 Jahre kürzer als in anderen westeuropäischen Ländern. Fachleute sehen unter anderem Nachholbedarf bei Prävention und Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Deutschland gehört in Westeuropa zu den Schlusslichtern bei der Lebenserwartung - und fällt weiter zurück. Der Abstand zu den anderen westeuropäischen Ländern vergrößerte sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten stetig, wie eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung zeigt.
Der Rückstand habe sich bei der durchschnittlichen Lebenserwartung von 0,7 Jahren im Jahr 2000 auf 1,7 Jahre im Jahr 2022 vergrößert. "Der Beginn der 2000er-Jahre markiert einen Wendepunkt in der Dynamik der Sterblichkeitsentwicklung in Deutschland", sagte der Mitautor der Studie, Pavel Grigoriev, vom BiB. Seitdem sei die Sterblichkeitslücke zwischen Deutschland und den anderen westeuropäischen Ländern "relativ stetig angewachsen".
Ein Sprecher des BiB sagte dem Evangelischen Pressedienst, Menschen in der Schweiz hätten mit 83,5 Jahren die höchste Lebenserwartung. Spanien folge mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 83,2 Jahren, in Deutschland liege sie bei 80,5 Jahren.
Neue Bundesländer verringern Abstand
Die Bundesländer der ehemaligen DDR konnten laut BiB nach der Wiedervereinigung und finanziellen Investitionen in die medizinische Versorgung den Rückstand gegenüber dem restlichen Deutschland erheblich verringern.
Seit der Jahrtausendwende haben den Angaben zufolge jedoch sowohl West- als auch Ostdeutschland gegenüber den anderen Ländern Westeuropas an Boden verloren. Betrug der Rückstand bei der Lebenserwartung der Männer im Jahr 2000 noch rund 0,7 Jahre, vergrößerte sich diese Lücke bis 2022 auf 1,8 Jahre. Bei den Frauen erhöhte sich der Abstand bei der Lebenserwartung von 0,7 Jahren im Jahr 2000 auf aktuell 1,4 Jahre.
Lediglich im ersten Pandemiejahr 2020 gab es demnach bei beiden Geschlechtern eine kurzfristige Annäherung an den westeuropäischen Durchschnitt, weil in Deutschland zunächst deutlich weniger Menschen an Covid-19 starben.
Unterschiede in einzelnen Altersgruppen
Die Sterblichkeit unterscheidet sich allerdings in den einzelnen Altersgruppen. Während die Sterblichkeit von Menschen unter 50 Jahren in Deutschland im westeuropäischen Durchschnitt liegt, ist sie bei der Bevölkerung über 65 Jahre deutlich erhöht.
Bei den Frauen weisen in Deutschland vor allem über 75-Jährige eine höhere Sterblichkeit auf als Gleichaltrige in den anderen Ländern. Bei den Männern klafft eine Lücke vor allem im Alter zwischen 55 und 74 Jahren.
Nachholbedarf bei Prävention und Früherkennung
"Um Deutschlands Rückstand bei der Lebenserwartung zu verringern, müsste die Sterblichkeit gerade im höheren Alter reduziert werden", sagte Sebastian Klüsener, Forschungsdirektor am BiB. Handlungsbedarf zur Erhöhung der Lebenserwartung sehen die Forschenden in Deutschland vor allem bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Demnach weisen internationale Vergleiche auf einen Nachholbedarf bei der Prävention und der Früherkennung dieser Erkrankungen hin. Ähnliches gelte für die Tabak- und Alkoholprävention sowie gesunde Ernährung. "Hier besteht noch einiges Potenzial, um uns für den momentanen Alterungsprozess der Gesellschaft besser aufzustellen", so Klüsener.
In der Studie verglichen wurden die Daten von insgesamt 15 Staaten in Westeuropa, darunter die Schweiz, Österreich, Dänemark, Großbritannien und Finnland.