Familienministerin Paus Unter Zeitdruck
Familienministerin Paus arbeitet vier Monate nach Amtsantritt immer noch an ihrem Bekanntheitsgrad. Und sie hat ein weiteres Problem: Kaum ein Gesetz kann sie allein auf den Weg bringen. Dabei drängt die Zeit.
Es muss schnell gehen. Der Zeitplan ist eng. Lisa Paus hat viel vor. Es ist Mitte August. Das Bundesfamilienministerium hat zur Sommertour eingeladen. Paus ist knapp vier Monate im Amt, hinsichtlich ihres Bekanntheitsgrades hat sich in der Zeit kaum etwas getan. Die Grünen-Politikern fährt immer noch mit dem Fahrrad ins Ministerium, ohne dass sie jemand erkennt oder anspricht. Auch deswegen tourt Paus durch Deutschland: Sie will sich ins Gespräch bringen und ins Gespräch kommen.
Zunächst geht es in den Westen, nach Hessen und Nordrhein-Westfalen, dann in den Osten, nach Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Beide Reisen sind eng getaktet. Ein Treffen jagt das nächste. Da sind zum Beispiel der Firmenchef, dessen Unternehmen als besonders familienfreundlich gilt, die Stippvisite in einem Zentrum für Familien und Alleinerziehende und ein Treffen mit Bürgern und Bürgermeistern, die sich gegen rechts engagieren. Die Grüne Paus hört zu, ist zugewandt, fragt nach. Doch mehr als ein paar Minuten für jeden Einzelnen ist nirgendwo drin. Am Ende noch ein Gruppenfoto und das Versprechen, sich um die Probleme und Anliegen zu kümmern.
Viel Vorhaben, wenig Zeit
Paus dürfte das Gefühl kennen: zu viel Vorhaben für zu wenig Zeit. Ihr Ministerium trägt allein im Namen vier Aufgabenfelder: Familie, Jugend, Frauen und Senioren. Auch wenn sie nicht genannt werden, kommen Demokratieförderung, Antidiskriminierung und Queerpolitik noch dazu. Paus selbst würde ihr Haus am liebsten umbenennen: in ein Gesellschaftsministerium. Allein mit dem, was in der Gesellschaft angesichts steigender Preise und höheren Belastungen derzeit geschieht, hätte Paus schon ausreichend zu tun. Doch im Koalitionsvertrag steht noch eine lange To-do-Liste, die es abzuarbeiten gilt.
Wichtigster Punkt aus Sicht der Grünen: die Kindergrundsicherung. Das Konzept dafür hat Paus mit ausgearbeitet. Nun soll eine Arbeitsgruppe sich mit der Umsetzung befassen, beteiligt sind sieben Ministerien. Es gilt, Dutzende Leistungen für Kinder zusammenzufassen, juristische, steuerliche und bürokratische Hindernisse zu überwinden. Am Ende soll ein Sockelbetrag stehen, ergänzt um sozial gestaffelte Aufschläge, der unbürokratisch ausgezahlt wird. Das Ziel: Kindern, unabhängig vom Status ihrer Eltern, Chancengleichheit ermöglichen.
Zentrales Wahlversprechen
Schon die Große Koalition hatte sich das Projekt "Kindergrundsicherung" vorgenommen, war allerdings nicht weit gekommen. Auch in der Ampelkoalition ist man sich bewusst, dass diese Mammutaufgabe in der Legislaturperiode nur schwer zu bewältigen sein wird. Scheitern ist für die Grünen aber keine Option. Die Kindergrundsicherung war eines ihrer zentralen Wahlversprechen. Ab dem ersten Januar 2025 soll sie ausgezahlt werden. Dieses Datum nennt auch Paus immer wieder. Wie hoch die Kindergrundsicherung mindestens ausfallen soll, da will sich Paus bislang nicht festlegen. Wahrscheinlich auch deswegen, weil sie über die Höhe mit Bundesfinanzminister Christian Lindner noch hart verhandeln muss. Paus, die selbst Finanzexpertin ist, will nicht, dass das Projekt wegen der Schuldenbremse misslingt.
Auch bei anderen Vorhaben kommen die Grüne Paus und der Liberale Lindner nur schwer zusammen. So fordert Paus ein höheres Kindergeld, um Eltern zu entlasten. Von Mehrausgaben will der Finanzminister aber nichts wissen. Anders ist es mit Marco Buschmann, FDP-Minister für Justiz. Mit ihm hat Paus die Eckpunkte zum neuen Selbstbestimmungsgesetz erarbeitet und pünktlich, wie angekündigt, noch vor der Parlamentarischen Sommerpause umgesetzt. Zumindest wenn es um die Freiheit der eigenen Entscheidung geht, in dem Fall transsexueller Menschen, sind sich Grüne und FDP einig.
Knappe Mehrheit
Darüber, welche Eigenschaften die neue Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung mitbringen sollte, nicht. Mit der Nominierung der Kolumnistin Ferda Ataman hat Paus vor ein paar Wochen eine kleine Krise in der Ampel ausgelöst. Die FDP warf Ataman vor, die Gesellschaft mehr zu spalten als zu einen. Anlass für die Kritik war ein Text Atamans, in dem sie Deutsche mit dem Begriff "Kartoffel" in Verbindung brachte. Paus und Ataman suchten das Gespräch mit der FDP. Nach wochenlangen Diskussionen stand am Ende eine Mehrheit im Bundestag, allerdings nur eine knappe.
Paus steht immer wieder vor der gleichen Herausforderung: Kaum eine Entscheidung, kaum ein Gesetz kann ihr Ministerium allein auf den Weg bringen. Fast immer sind Absprachen mit anderen Häusern nötig. Auch beim Demokratiefördergesetz, was ebenfalls ein Vorhaben war, auf dessen Details sich die vergangene Bundesregierung nicht einigen konnte. Vereine und Verbände warten bereits seit Jahren auf das Gesetz, auch weil sie sich davon finanzielle Sicherheit versprechen. Die Ungeduld wächst. Familien- und Innenministerium stehen unter Handlungsdruck. Das merkt Paus vor allem auf ihren Stationen in Sachsen.
Beim Netzwerk Zivilcourage
In Sebnitz in der sächsischen Schweiz zum Beispiel saß Paus Engagierten des Netzwerkes Zivilcourage gegenüber, die seit Jahren Rechtsextremen in der Region die Stirn bieten. Sie blicken besorgt auf den kommenden Herbst und Winter. Rechte Gruppen seien bereits am Mobilisieren und würden versuchen, Menschen, die wegen des Ukraine-Krieges verunsichert sind, hinter sich zu versammeln.
Paus versichert immer wieder, das Demokratiefördergesetz sei in Arbeit. Doch wenn es hilft, dann nur langfristig. Darüber ist sich auch die Ministerin im Klaren. Deswegen verweist sie auch auf das dritte Entlastungspaket, an dem die Bundesregierung arbeite. Das gelte es dann auch gut zu kommunizieren. Aber klar, man dürfe sich nicht mehr allzu klang Zeit lassen. Mal wieder gilt es also, sich zu beeilen.