Aktenregal

Experten fordern mehr Bürokratieabbau "Deutschland ist und bleibt ein kompliziertes Land"

Stand: 01.10.2024 17:32 Uhr

In Sachen Bürokratieabbau spricht der Normenkontrollrat der Bundesregierung ein verhaltenes Lob aus. Trotzdem sieht das Expertengremium Deutschland immer noch "eingemauert" in Regeln und Verfahren.

Der nationale Normenkontrollrat bescheinigt der Bundesregierung zumindest Teilerfolge beim geplanten Abbau von Bürokratie. Für dauerhafte Entlastungen seien aber deutlich mehr Anstrengungen nötig, schlussfolgert das Expertemgremium in seinem nun vorgelegten Jahresbericht für 2024.

"Die Bürokratielasten sind wahnsinnig hoch", sagte Lutz Goebel, der Vorsitzende des Normenkontrollrats. "Deutschland ist und bleibt ein kompliziertes Land, das sich eingemauert hat in eine Vielzahl von Regeln und Verfahren." Diese seien alle gut gemeint und nicht mit böser Absicht erdacht worden. "In der Summe führen sie aber zu einem Zustand, der uns Wettbewerbsfähigkeit kostet, der unsere Innovationskraft bremst und der die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand einschränkt."

Daraus erwachse ein Gefühl der Frustration, sagte Goebel. "Das Frustrationslevel steigt bis hin zur Geschäftsaufgabe bei Unternehmen und die Bevölkerung verliert das Zutrauen, dass dieses Land seine Herausforderungen pragmatisch lösen kann."

Verhaltenes Lob für die Bundesregierung

Der Normenkontrollrat ist ein unabhängiges Expertengremium, das die Bundesregierung berät. In seinem Jahresbericht heißt es, das Schlüsselthema Bürokratieabbau sei im Zentrum der politischen Debatten angekommen. Nach Belastungsrekorden sei es der Bundesregierung gelungen, den Trend eines Bürokratieaufbaus zu bremsen. Gegenüber den Milliardenanstiegen vergangener Jahre verlangsame sich der Aufwuchs beim laufenden Erfüllungsaufwand. 

"Ich würde sogar von einem verhaltenen Lob für die Regierung sprechen", sagte Goebel. Der Vorsitzende des Gremiums verwies auch auf Ansätze mit dem Gesetz zum Bürokratieabbau und der im Sommer beschlossenen Wachstumsinitiative des Ampel-Bündnisses. Jedoch sei das Belastungsniveau weiterhin sehr hoch. Es müsse eine "echte Trendwende" beim Bürokratieabbau eingeleitet werden. Gerade in der aktuellen Zeit wirtschaftlicher Stagnation könne Bürokratieabbau wie ein Konjunkturprogramm zum Nulltarif wirken.

Buschmann kritisiert Zunahme an Bürokratie auf EU-Ebene

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) erklärte, man sei beim Bürokratieabbau auf dem richtigen Weg. "Dafür hat diese Bundesregierung viel getan." Er kündigte "ein starkes Jahresbürokratieentlastungsgesetz 2025" an. Der Bericht des Normenkontrollrates zeige aber auch: "Die EU muss liefern. Denn die Brüsseler Bürokratie kannte zuletzt vor allem den Weg nach oben", urteilte Buschmann.

Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Sven Giegold, räumte angesichts des Berichtes ein, es sei noch viel zu tun. Der Grünen-Politiker nannte den Bürokratisierungsgrad "unerträglich".

Handwerksverband fordert dauerhafte Entlastung

Zustimmung zu den Forderungen des Normenkontrollrates kam auch von Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. "Der Wiederaufstieg der deutschen Wirtschaft gelingt nur, wenn wir auch endlich den Bürokratie-Ballast hinter uns lassen", kommentierte er. "Die erste Hürde ist geschafft, die nächsten müssen jetzt schnell genommen werden."

Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), erklärte: "Politische Entschlossenheit sowie ein Schulterschluss aller föderalen Ebenen sind für weniger Bürokratie und mehr staatliche Effizienz dringend erforderlich". Die EU-Kommission müsse nun ihre Pläne zum Bürokratieabbau "zügig umsetzen".

Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, sagte, es sei ein gutes Signal, dass der Anstieg neuer Bürokratie für Handwerksbetriebe und die Wirtschaft insgesamt im letzten Jahr gebremst worden sei. "Dies kann aber kein Grund zur Entspannung sein, sondern muss vielmehr Motivation für weitere notwendige Entlastungsmaßnahmen sein. Handwerksbetriebe brauchen eine dauerhafte Netto-Entlastung."