Paul-Ehrlich-Preis Auszeichnung für medizinische Revolutionäre
Bekannt geworden sind sie durch den Corona-Impfstoff, doch ihre Forschung könnte viele Therapien revolutionieren: Die BioNTech-Gründer Türeci und Sahin sowie die Biochemikerin Karikó werden mit dem Paul-Ehrlich-Preis geehrt.
Katalin Karikó wird vielerorts als "Mutter des Corona-Impfstoffes" bezeichnet. Ihre langjährige Arbeit habe die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen - wie sie Moderna und BioNTech herstellen - erst möglich gemacht. Ihr Leben in wenigen Stichworten würde sich so lesen: Aufgewachsen in einem Lehmhaus in Ungarn, Biologie-Studium, Ausreise in die USA, Degradierung an der Universität und Schokolade!
"Ich bin nicht der Champagner-Typ", sagt Karikó. Den Paul-Ehrlich-Preis feiert sie mit richtig guter Schokolade. Ihr erster Gedanke, als sie vom Gewinn des Preises hörte: "Oh mein Gott, ich kenne jemanden, der den Preis schon gewonnen hat. Ich habe darüber gelesen. Mit riesigem Respekt. Und jetzt realisiere ich: Ich gehöre nun selbst zu diesen Preisträgern. Das ist wie ein Schock!"
40 Jahre Forschung werden nun gekrönt. Ein Rückblick: Katalin Karikó wollte unbedingt Biologin werden. Pflanzen und Vögel in ihrer Umgebung faszinieren sie schon als Kind. Sie will Dingen auf den Grund gehen. Kati - wie sie in ihrer Heimat genannt wird - schaut auch dem Vater, einem Metzger, gern bei der Arbeit zu. Nach dem Studium sieht sie in Ungarn keine Zukunft.
Beharrliche Forschung trotz Niederlagen
Mit ein bisschen mehr als nichts kommen sie, ihr Mann und die kleine Tochter 1985 in den USA an. Karikó forscht an RNA. Diese vermittelt Baupläne an Zellen für die Eiweißproduktion, Grundlage etwa für Muskelgewebe oder Haut. RNA kann heilen helfen, denkt Karikó. Rund 30 mögliche Anwendungen schreibt sie auf einen Zettel. Darauf stehen Schlaganfälle, Knochenbrüche und Verbrennungen. In den 90er-Jahren aber glauben ihre meisten Kolleginnen und Kollegen, die vollständige Entschlüsselung des menschlichen Erbguts - also der DNA - ermögliche eine medizinische Revolution.
Karikó bleibt dabei: RNA habe dafür das Potenzial. Ihre Universität degradiert sie, ein eigener Lehrstuhl bleibt unerreichbar. Mit einem Immunologen forscht Karikó schließlich weiter. Und kommt voran. Heute sagt Professor Thomas Boehm, Vorsitzender des Stiftungsrates der Paul-Ehrlich-Stiftung: "Frau Karikó hat entscheidende Beiträge geleistet, zu zeigen, wie man RNA modifizieren muss, dass sie im Organismus keine schädliche Immunantwort hervorruft."
"Niemand betreibt Wissenschaft, um berühmt zu werden" - 2013 trifft Katalin Karikó in Mainz Ugur Sahin.
"Du machst es, weil du es liebst"
2013 trifft Katalin Karikó in Mainz Ugur Sahin, einen der Mitbegründer von BioNTech. Sie vereinbaren, künftig zusammenzuarbeiten. Karikó sagt: "Niemand betreibt Wissenschaft, um berühmt zu werden. Du machst es, weil du es liebst. Und denkst: Vielleicht kann es irgendwann jemandem helfen. Das ist der Grund, warum ich nach Deutschland gegangen bin."
BioNTech gelingt es schließlich auf RNA-Basis einen Corona-Impfstoff zu entwickeln. Gespritzt wird kein ganzes Virus, sondern lediglich der Bauplan eines Teilbereiches. Wenige Körperzellen bauen das Spike-Protein nach, das das Virus braucht, um sich zu vermehren und Menschen krank zu machen. Dagegen wird schließlich das Immunsystem aktiviert, um sich wehren zu können, wenn es zu einem Kontakt mit echten, kompletten Viren kommt.
Für diese Entwicklung und die aufgezeigten Möglichkeiten gibt es nun den Paul-Ehrlich-Preis. "Es wird sehr viel Interesse geben, das in anderen Feldern der Medizin anzuwenden. Beispielsweise in der Tumor-Bekämpfung, weil man das Immunsystem gezielt auf Tumorzellen lenken kann", so Professor Boehm.
Weltweit wird wird daran geforscht. Die BioNTech-Gründer hatten ursprünglich ebenfalls die Krebstherapie im Fokus ihrer Arbeit. Dann kam Corona, der Impfstoff, nun die renommierte Auszeichnung.