Studie zu Einstellungen in Deutschland Acht Prozent teilen rechtsextremes Weltbild
Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Verharmlosung von Naziverbrechen: Immer mehr Deutsche teilen laut einer Studie rechtsextreme Einstellungen. Demnach hat sich ihr Anteil im Vergleich zu den Vorjahren praktisch verdreifacht.
In Deutschland hat die Zahl der Befürworter rechtsextremer Einstellungen zugenommen. Zu diesem Ergebnis kommt die "Mitte-Studie", mit der im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung alle zwei Jahre die Einstellungen der gesellschaftlichen Mitte abgefragt werden. Acht Prozent der Menschen in Deutschland teilen demnach ein rechtsextremes Weltbild, das ist jeder zwölfte Erwachsene. In den Vorjahren seien dies zwei bis drei Prozent gewesen.
Hinzu kämen 20 Prozent der Bevölkerung, die "einem Graubereich" zuzuordnen seien, "die also kein geschlossen rechtsextremes Weltbild haben, die aber auch nicht klar demokratisch orientiert sind", sagte die Sozialpsychologin und Mitverfasserin der Studie, Beate Küpper, im Interview mit tagesschau24.
Verunsicherung durch zahlreiche Krisen
Bei allen Indikatoren, mit denen die Expertinnen und Experten rechtsextreme Einstellungen messen, verzeichnet die aktuelle Befragung Anstiege. Dazu gehören nationalchauvinistische Einstellungen, die Verharmlosung der Verbrechen der Nationalsozialisten, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und sozialdarwinistische Haltungen, die zwischen "wertvollem" und "unwertem" Leben unterscheiden.
Auch bei der politischen Selbstverortung gäben inzwischen mehr Menschen an, "rechts" oder "eher rechts" der Mitte zu stehen, nämlich 15,5 Prozent gegenüber zehn Prozent bei den beiden vorhergehenden Befragungen, heißt es in der Studie.
"Rechtsextrem zu sein ist nicht mehr etwas, was hinter vorgehaltener Hand passiert", erläutert Küpper. Das rechtsextreme Selbstverständnis werde mittlerweile "durchaus selbstbewusst nach vorne getragen". Als Gründe für den Trend nennt Küpper die "multiple Krisenlage", die als verunsichernd erlebt werde, sowie ein immer aggressiver auftretender Populismus, der das Gefühl der Bedrohung anheize.
"Antidemokratische Positionen auf dem Vormarsch"
Die Studie zeige, "dass sich Teile der Mitte der Gesellschaft von der Demokratie distanzieren oder das Vertrauen in funktionierende Institutionen verloren haben", erklärte der Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung, Martin Schulz. "Populismus und antidemokratische und völkische Positionen sind auf dem Vormarsch."
In der Erhebung befürworten mehr als sechs Prozent eine Diktatur mit einer einzigen starken Partei und einem Führer für Deutschland. 16 Prozent sind negativ gegenüber "Ausländern" eingestellt. Rund ein Drittel der Befragten - 34 Prozent - meint zudem, Geflüchtete kämen nur nach Deutschland, um das Sozialsystem auszunutzen.
Vertrauen in demokratische Institutionen gesunken
Gleichzeitig sinkt das Vertrauen in die Institutionen und das Funktionieren der Demokratie auf unter 60 Prozent. Mit 38 Prozent vertritt ein erheblicher Teil der Befragten verschwörungsgläubige Positionen. Populistische und völkisch-autoritär-rebellische Positionen sind ebenfalls verbreitet - bei 33 Prozent beziehungsweise 29 Prozent der Teilnehmenden der Erhebung.
"Diese Ergebnisse sind nicht nur erschreckend, sondern gebieten konsequentes Handeln - von der Politik, aber auch aus der Gesellschaft selbst", sagte Schulz. Die Menschen verlangten zu Recht nach einem starken, handlungsfähigen und funktionierenden Staat. Aber auch die demokratische Mitte selbst sei gefordert, sich klar von menschenfeindlichen Einstellungen zu distanzieren.
Die Friedrich-Ebert-Stiftung gibt seit 2006 etwa alle zwei Jahre eine neue Ausgabe der sogenannten "Mitte-Studie" heraus. Für die aktuelle Erhebung wurden von 2. Januar bis 28. Februar 2.027 Menschen repräsentativ befragt.