Schwimmer trainieren im Schwimmbecken

Sportvereine und hohe Energiekosten "Dann gehen die Lichter aus" 

Stand: 26.05.2022 10:07 Uhr

Auch die Sportvereine leiden unter den hohen Preisen für Energie. Ihre Einnahmen sind gering, aber die Kosten steigen kontinuierlich. Für manchen geht es um die Existenz - was muss geschehen?

Mathias Grünewald läuft durch die Anlage des Mombacher Turnvereins 1861. Er öffnet die Eingangstür zu einer der beiden Haupthallen. "Normalerweise würde ich jetzt hier das Licht anknipsen. Ich lasse es aber lieber aus. Wir müssen sparen, wo wir können", sagt der Finanzvorstand des Sportvereins. "Die Kosten für Strom und vor allem Gas sind inzwischen abartig hoch. Das stellt uns vor eine existentielle Herausforderung. Passiert nichts, gehen bei uns die Lichter bald ganz aus." 

Beim MTV in Mainz gibt es rund 30 Angebote - von Turnen, über Badminton bis zu Fußball. Auch ein Fitnessstudio ist mit dabei. All das verbraucht viel Energie. Die zuletzt massiv gestiegenen Strom- und Gaspreise haben den MTV hart getroffen. Aktuell summiert sich das Minus in der Vereinskasse auf rund 45.000 Euro - nur wegen der stark gestiegenen Energiepreise.

"Wir haben das Geld nicht"

"Wir haben das Geld nicht", erklärt Grünewald. "Über die Mitgliedsbeiträge können wir das nicht reinholen. Wir haben zuletzt schon um jeweils einen Euro auf acht Euro für Kinder und Jugendliche sowie 10,50 Euro für Erwachsene erhöht." Eine weitere Anhebung sei den Mitgliedern bei den sowieso schon teureren Lebenshaltungskosten nicht zuzumuten. Der Stadtteil Mombach gilt als Arbeiterbezirk in Mainz. Viele die hier wohnen, haben eher weniger Geld zur Verfügung.       

Außerdem könne die riesige Finanzlücke über höhere Beiträge gar nicht geschlossen werden, rechnet Grünewald vor. Derzeit habe der Verein etwas mehr als 2600 Mitglieder. Vor der Pandemie waren es noch knapp 3000. "Wir erholen uns gerade von der Corona-Krise. Um die 500 Mitglieder hatten in der Pandemie gekündigt und kommen jetzt nach und nach zurück. Gerade jetzt können wir unmöglich die Beiträge erhöhen", so Grünewald.  

Mathias Grünewald in einem Duschraum

Mathias Grünewald vom Mombacher Turnverein 1861: "Wir müssen sparen, wo wir können."

Viele Sparmaßnahmen

Bei seinem Gang durch die Vereinsräume ist der Finanzvorstand inzwischen in der Küche angekommen. Er zeigt auf leere und vom Stromnetz genommene Kühlschränke. "Die Getränke haben wir auf ein paar Geräte konzentriert. Zudem lagern wir einiges im Keller. Hauptsache, wir sparen Energie."

Der Vorstand prüfe auch weitere Maßnahmen: Welche weiteren Geräte können ausgeschaltet werden? Wie tief kann die Heizung im Winter heruntergedreht werden? "Auch über die Klimageräte denken wir nach. Viele Mitglieder berichten aber, dass das Training im Fitnessstudio durch die Kühlung sehr angenehm sei. Drehen wir die runter, büßen wir an Attraktivität ein." Man werde wohl tagesaktuell anhand der Anzahl der Besucher entscheiden, was noch wie hoch angestellt werde, so Grünewald. 

Hoffen auf Hilfen

Nach dem moderneren Teil zeigt Grünewald nun den älteren Teil der Anlage. Eine weitere Halle stammt noch aus den 1980er-Jahren. Vor allem die dazugehörigen Duschen und Toiletten sind in einem heruntergekommenen Zustand. "Wir haben einen Instandhaltungsstau. Das hat sich über Jahrzehnte aufgebaut. An eine Renovierung ist wegen der hohen Energiekosten auf absehbare Zeit gar nicht zu denken." 

Der MTV hofft jetzt auf finanzielle Hilfen der Stadt. Aufgrund des immensen Geldsegens für Mainz durch BioNTech ist der Verein auch vorsichtig hoffnungsvoll. Allerdings fügt Grünewald nachdenklich hinzu: "Mainz ist wegen BioNTech in einer Ausnahmesituation. Aber was ist mit den anderen Vereinen bundesweit, die unter den gleichen Problemen leiden und deren Kommunen klamm sind?"  

Bundesweit ein Problem

"Die Probleme mit den stark steigenden Energiekosten sind eine bundesweite Herausforderung für die Vereine. Das hören wir aus allen Landessportbünden", fasst Torsten Burmester, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbunds zusammen. Die Vereine fragten zuletzt verstärkt Energieberater an, um irgendwie die Kosten zu drücken. "Besonders betroffen sind Vereine, die Bäder betreiben. Das sind wahre Energiefresser und besonders kostspielig. Ein Beispiel: Ich habe gerade gehört, dass etwa der MTV Köln 1850 sein Angebot für das Baby- und Kinderschwimmen einschränken muss - wegen der Gaspreise."  

Burmester zieht eine Grafik mit vielen roten Balken über die Energiepreisbelastungen hervor. Danach sind die Preise für Sportvereine in Deutschland in den vergangenen vier Jahren für Flüssiggas um rund 153 Prozent gestiegen, für Heizöl um gut 156 Prozent und für Diesel um mehr als 77 Prozent. Die Mehrkosten für Strom mit knapp 24 Prozent nehmen sich da schon fast bescheiden aus.  

Forderung nach weiterem Entlastungspaket

Der DOSB sieht ein Bündel von Maßnahmen, um die Kostenkrise in den Griff zu bekommen. Kurzfristig müsse so viel Energie eingespart werden wie möglich. Mittelfristig sieht Burmester aber die Politik in der Pflicht. Nachdem derzeit anlaufenden Entlastungspaket für breite Bevölkerungsschichten hofft Burmester auf ein weiteres Entlastungspaket - diesmal auch für Sportvereine. Unbegründet scheint der Wunsch nicht zu sein: Wegen der Corona-Krise will der Bund den angeschlagenen Breitensport kurzfristig mit 500 Millionen Euro wieder ans Laufen bringen.

Längerfristig sollen bis 2027 weitere 476 Millionen Euro helfen, um Sportstätten zu sanieren und klimaneutral umzubauen. Allerdings ist der Bedarf deutlich größer. "Wir schätzen den gesamten Investitionsbedarf auf 31 Milliarden Euro. Und langfristig müssen natürlich auch die Sportvereine klimafreundlich umgebaut werden. Das ist teuer, aber alternativlos, denn der Sport erfüllt auch eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe."  

Sportvereine mehr als nur Training

Grünewald beendet seinen Rundgang und schließt die Tür zur Sporthalle hinter sich zu. "Wir müssen unseren Verein energiesparend umbauen. Aber wenn ich mir anschaue, was alleine Photovoltaikanlagen inzwischen kosten." Grünewald schüttelt mit dem Kopf. "Unsere Lage ist finanziell existenzbedrohend. Aber ich bleibe optimistisch. Am Ende weiß auch die Politik, dass ein Sportverein viel mehr als körperliches Training ist. Bei uns kommen alle Schichten allen Alters zusammen und bilden eine Gemeinschaft - und das ist unbezahlbar."      

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 30. April 2022 um 19:30 Uhr in der Sendung "Sport am Samstag".