Kritik an Lauterbach Warum Therapieplätze für Kinder fehlen
Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen warten monatelang auf einen Therapieplatz. Dabei hatte Gesundheitsminister Lauterbach eigentlich Abhilfe versprochen. Warum klappt das nicht?
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wiederholt ein Versprechen immer wieder: Die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen soll Vorrang haben. Denn sie hätten am stärksten unter den Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie gelitten.
Das zeigt auch die steigende Zahl der psychischen Erkrankungen. Depressionen, Angst- und Essstörungen haben nach der Pandemie zugenommen.
Ein halbes Jahr Wartezeit
Viele Kinder bekommen nicht die nötige Hilfe. Denn es fehlen Therapieplätze, kritisiert die Bundespsychotherapeutenkammer. Cornelia Metge ist dort Mitglied im Vorstand und selbst Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche. In ihrer Praxis im sächsischen Zschopau hat sie eine lange Warteliste. Oft muss sie Familien um Geduld bitten. "Das ist auch für uns sehr schwierig", erzählt die Therapeutin: "Wenn man weiß, es ist Not, dann möchte man nicht erst in einem halben Jahr oder einem dreiviertel Jahr helfen, sondern sofort."
Deshalb versucht sie zumindest allen schnell ein Erstgespräch anzubieten. Auf den eigentlichen Therapieplatz warten Kinder in Deutschland aber durchschnittlich mehrere Monate. Das kann die psychischen Probleme verstärken oder sogar chronisch werden lassen, erklärt Metge: "Entwicklungsschritte, die einmal verpasst sind, sind nicht mal eben schnell nachzuholen." Das habe auch die Corona-Pandemie deutlich gezeigt.
Berufsverband fordert 1600 Kassensitze mehr
An Psychotherapeutinnen und -therapeuten mangelt es nicht. Wenn sie aber eine eigene Praxis aufmachen und über die Krankenkassen abrechnen wollen, brauchen sie dafür eine Erlaubnis. Die Zahl dieser sogenannten Kassensitze ist beschränkt.
Lauterbach hat im Februar angekündigt, dass es mehr Sonderbedarfszulassungen geben soll. Damit sollen mehr Psychotherapeuten eine eigene Praxis gründen dürfen, wenn sie sich besonders schwer kranken Kindern widmen.
Doch diese Sonderbedarfszulassungen müssen bei der Kassenärztlichen Vereinigung im jeweiligen Bundesland extra beantragt werden. Das ist mühselig und keine schnelle Lösung für die reguläre Versorgung, kritisiert die Bundespsychotherapeutenkammer. Der Berufsverband fordert allgemein mehr Kassensitze für Praxen: Es würden insgesamt, nicht nur für Kinder und Jugendliche, 1.600 solcher Sitze fehlen, besonders in ländlichen und strukturschwachen Regionen.
FDP macht Druck auf den SPD-Minister
Wo genau was gebraucht wird, soll eine neue Bedarfsplanung ermitteln. Um die gesetzliche Regelung will sich SPD-Minister Lauterbach im kommenden Jahr kümmern. Doch er bekommt Druck aus der eigenen Koalition. Kristine Lütke von der FDP findet es zu spät, wenn wie angekündigt erst im zweiten Halbjahr 2024 ein Gesetzentwurf fertig ist. In der Zwischenzeit schlägt sie vor, digitale Hilfen zu fördern: Apps oder Online-Angebote für die psychische Gesundheit. Das könne keine Therapie ersetzen, aber zumindest die Wartezeit überbrücken helfen.
Vor allem brauche es mehr Therapieplätze, fordert Cornelia Metge. Die Psychotherapeutin kennt die Fälle, in denen Kinder und Jugendliche sich wegen psychischer Probleme zurückziehen und in der Schule nicht mehr mitkommen. Aber nicht nur der Bildungserfolg leidet, betont sie: "Nur gesunde Kinder und Jugendliche können auch zu gesunden Erwachsenen werden."
Umso wichtiger ist es, dass psychische Krankheiten so früh wie möglich behandelt werden. Metge drängt deshalb darauf, dass die Regierung schnell handelt und Gesundheitsminister Lauterbach sein Versprechen einlöst, die Kindergesundheit in den Mittelpunkt zu stellen.