Kurssuche bei Grünen Vorbereitung für die Zeit nach der Ampel
Die Grünen stecken in der Krise. Um da wieder rauszukommen, will die Partei sich nicht nur personell, sondern auch inhaltlich neu aufstellen - etwa beim Thema Migration. Das könnte gleichzeitig eine Tür für Schwarz-Grün öffnen.
Die Grünen wollen nach den Worten ihres neuen Wahlkampfleiters Andreas Audretsch mit einer schärferen Profilierung aus der Krise kommen. Eine Koalition bedeute, Kompromisse zu machen - aber auch deutlich zu machen, wofür die Partei genau stehe.
Das solle nun mit Klarheit, mit Härte, aber auch mit Freude kommuniziert werden, sagte der Bundestagsfraktionsvize im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. "Wir werden uns auch neu aufstellen in der Anmutung. Wir werden mehr Härte brauchen - gerade was Desinformation angeht, gerade dann, wenn sie aus dem Kreml gesteuert wird. Und wir werden aber auch mehr Freude brauchen: Freude und Selbstbewusstsein, in dem, was wir sind und was wir Deutschland anzubieten haben."
Kurskorrektur beim Thema Migration
Neben der personellen Neuaufstellung an der Spitze wird es nach Audretschs Worten auch eine inhaltliche geben. Das Thema Migration werde ein "ganz zentrales" sein. Dabei gehe es darum, ein positives Bild der Zuwanderung zu vermitteln, ohne die der Fachkräftemangel nicht zu bewältigen sei. Zugleich würden die Grünen weiterhin mit Klarheit gegen Islamismus und Terrorismus eintreten.
Audretsch nannte außerdem das Thema Gerechtigkeit - und hierbei vor allem steigende Mieten und Spekulationen mit Immobilien, Klimaschutz und die Auflösung des Investitionsstaus. Man wolle deutlicher machen, "was Klimaschutz und ein gutes Leben für Menschen verbindet", erklärte er. Er argumentierte: Wenn mehr investiert würde und dann etwa die Bahn wieder zuverlässiger fährt und Schulen saniert werden, dann nütze das dem Klima, sei aber auch für die Bürger im Alltag positiv spürbar.
Brücke zur Union?
Gerade beim Thema Migration hofft die Partei auch, eine Brücke zur Union als möglichem Koalitionspartner nach der nächsten Bundestagswahl zu bauen. Wohl auch deshalb lobte die Kandidatin für den Grünen-Parteivorsitz, Franziska Brantner, den Schulterschluss von CDU und Grünen auf Länderebene in der Migrationspolitik.
"Wie wir letzte Woche gesehen haben: Wenn verantwortungsvolle CDU'ler mit Grünen regieren, dann können sie unglaublich viel hinbekommen", sagte sie am Sonntag im ZDF. Ähnlich äußerte sich Außenministerin Annalena Baerbock im Bericht aus Berlin.
CDU und Grüne in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein gehen in der Asyl- und Migrationspolitik einen gemeinsamen Weg. Die drei Landesregierungen brachten am Freitag im Bundesrat zwei Entschließungsanträge für eine härtere Gangart gegen irreguläre Migration ein.
Die Äußerungen Brantners sind nicht nur wegen ihrer Kandidatur um den Parteivorsitz wichtig. Sie ist Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium und damit eine enge Vertraute von Robert Habeck, der Kanzlerkandidat seiner Partei werden soll. Baerbock - die 2021 Spitzenkandidatin war - hat sich bereits ausdrücklich hinter Habeck gestellt.
Unions-Länderchefs loben Grüne
Wohlwollende Signale aus der Union kommen bereits: Dies könne eine Brücke sein, über die man dann auch zügig gehen sollte, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst. Es gehe darum, aus der politischen Mitte heraus das Problem der irregulären Migration zu lösen, so der CDU-Politiker.
Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther sprach sich für einen positiveren Umgang der Union mit den Grünen aus. "Sie sind verlässlich in der Koalition, man kann mit ihnen vertrauensvoll zusammenarbeiten", sagte der CDU-Politiker, der mit ihnen im Norden regiert, im Deutschlandfunk.
Bei aller Häme dürfe seine Partei nicht vergessen, dass die Grünen für wichtige Themen stünden. "Und dafür muss auch eine Union stehen, als eine Partei, die ja immer die natürlichen Lebensgrundlagen im Mittelpunkt gehabt hat." Es liege kein Segen darin, in die reine Auseinandersetzung nur mit den Grünen zu gehen, sagte Günther.
Zukunftskongress und Parteitag
Die Partei berät heute bei einem Zukunftskongress in Berlin über den künftigen Kurs und die Themen für den Bundestagswahlkampf. Es brauche zentrale Weichenstellungen, sagte die Co-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann. Der Kongress komme zur richtigen Zeit.
In einem Papier zum Zukunftskongress schlagen die Grünen eine "Deutschland-App" vor. Sie soll mittel- und langfristig einen einfachen Zugang zu allen Dienstleistungen von Bund, Ländern und Kommunen schaffen, wie den Antrag für den Personalausweis oder das Einreichen der Steuererklärung.
Daneben schlagen die Grünen eine "Mobilitätsgarantie" vor. Sie solle allen Menschen unabhängig vom Wohnort zuverlässigen Zugang zum Nahverkehr ermöglichen. Bis zum Jahr 2030 solle das Angebot so ausgeweitet werden, dass allen Bürgern auch auf dem Land die Erreichbarkeit zu verlässlichen Bedingungen garantiert wird. Mit einem "Deutschland-Investitionsfonds" wollen die Grünen Milliarden in die Modernisierung der Infrastruktur und eine international wettbewerbsfähige Wirtschaft stecken. Sie fordern dafür eine Reform der Schuldenbremse.
Im November sollen auf dem Parteitag Personalfragen geklärt und die neue Grünen-Spitze gewählt werden. Spätestens dann, so wohl die Hoffnungen, soll die aktuelle Krise beendet sein.