Verbände und Gewerkschaften rügen Hartz IV Armutsmaschine oder gelungene Reform?
Fünf Jahre nach Einführung der Arbeitsmarktreform Hartz IV haben Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und die Partei Die Linke eine vernichtende Bilanz gezogen. Die SPD verteidigte hingegen die Reform. Sie war gegen viele Widerstände in der rot-grünen Regierung von Kanzler Schröder durchgesetzt worden.
Fünf Jahre nach der Einführung der Arbeitsmarktreform Hartz IV haben Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und die Partei Die Linke die Gesetze scharf kritisiert und eine Reform der Reform angemahnt. Nach Ansicht des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes sind die Hartz IV-Bezüge zu gering, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. "Die Betroffenen leben auf einem finanziellen Niveau, mit dem man absolut nicht über die Runden kommen kann. Hartz IV heißt, gesellschaftlich abgemeldet zu sein", sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider auf NDR Info. Er warnte vor tieferen Gräben in der Gesellschaft. Wer einmal Hartz IV beziehe, komme auch nur schwer aus dieser staatlichen Hilfe wieder heraus. So blieben mehr als 50 Prozent der Hartz-IV-Bezieher drei Jahre oder länger in dieser Hilfe. "Da bewegt sich nichts mehr", sagte Schneider. "Das ist es, was die Spaltung in Deutschland immer tiefer werden lässt.
Eine "Armutsmaschine"
Ein vernichtendes Zeugnis stellte auch der Deutsche Gewerkschaftsbund der Hartz-IV-Reformen aus: Weder seien durch die Reform mehr Arbeitslose in Beschäftigung gekommen, noch seien sie besser betreut worden, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach der Zeitung "Die Welt". Zudem hätten sie mit ihren drastischen Zumutbarkeitsregeln "atypischen Beschäftigungsverhältnissen" Tür und Tor geöffnet.
Die Hartz-IV-Sätze für Kinder stehen in Karlsruhe auf dem Prüfstand.
Gericht prüft Regelsätze für Kinder
Die Partei Die Linke stimmte in die Kritik ein. Das Gesetz habe die Ansprüche nicht erfüllt, urteilte der stellvertretende Linke-Vorsitzende Klaus Ernst. Er nannte Hartz IV eine "Armuts- und Niedriglohnmaschine" und forderte - ähnlich wie Verbände und Gewerkschaften - eine Reform der Reform. "Wir brauchen ein Bündel von Sofortmaßnahmen, weil die Krise jetzt auf dem Arbeitsmarkt durchschlägt." Konkret verlangte Ernst eine Anhebung der Hartz-Regelsätze für Kinder und Alleinerziehende.
Der Hartz-IV-Regelsatz für Kinder sei falsch bemessen und müsse geändert werden, forderte auch der stellvertretende SPD-Fraktionschef Hubertus Heil. Derzeit verhandelt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über Hartz-IV-Regelsätze. Die Richter wollen im Laufe des ersten Quartals 2010 entscheiden, wie viel für ein menschenwürdiges Dasein notwendig ist. Grundsätzliche Kritik an der Reform ließ der frühere SPD-Generalsekretär Heil aber nicht gelten. "Die Grundlinien waren richtig." Die Reformen hätten die Sozialsysteme stabilisiert und die Arbeitslosigkeit bis zur Finanzkrise massiv gesenkt.
Nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit (BA) sind die Chancen der Arbeitsmarktreform noch längst nicht ausgeschöpft. "Wir haben noch immer zu wenige Kolleginnen und Kollegen, die als Fallmanager zertifiziert sind", sagte BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt. Hier gebe es in den Jobcentern noch Qualifizierungsbedarf. Er reagierte damit auf die Kritik von Arbeitsmarktforschern, die den Jobcentern eine unzureichende individuelle Betreuung vorgeworfen hatten.
Ex-Minister Clement sieht keinen Änderungsbedarf
Eine durchweg positive Bilanz der Gesetze zog hingegen der frühere Bundesarbeitsminister Wolfgang Clement. "Ohne diese Reformen hätten wir diese wesentlichen Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt nicht erreicht", sagte der einstige SPD-Vize der "Welt". Änderungsbedarf bei Hartz IV sieht er auch heute nicht. Die Regelsätze müssten nicht erhöht werden, sagte Clement, der als Minister für Arbeit und Wirtschaft in der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder die Arbeitsmarktreform gegen viele Widerstände durchgesetzt hatte. Die Hartz-IV-Reform war am 1. Januar 2005 in Kraft getreten.