Christian Lindner spricht im Gebäude des IWF in Washington zu Medien.

Lindners Sparmaßnahmen Der Haushaltsstreit verschärft sich

Stand: 14.04.2023 21:56 Uhr

Der Streit der Bundesregierung über den Haushalt 2024 verschärft sich. Laut "Spiegel" plant Finanzminister Lindner ein 20-Milliarden-Sparpaket - zu Lasten der Sozialausgaben. Sein Ministerium weist die Darstellungen zurück.

Die Ampelkoalition streitet seit Wochen über den kommenden Bundeshaushalt. Nun bereitet Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) einem "Spiegel"-Bericht zufolge Ausgabenkürzungen von bis zu 20 Milliarden Euro vor. So wolle er die Finanzierungslücken im Bundeshaushalt 2024 schließen und etwas Spielraum für unumgängliche Mehrausgaben schaffen, berichtete das Magazin unter Berufung auf das Bundesfinanzministerium. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte tagesschau.de jedoch am Freitagabend, das Ministerium weise die Darstellung des "Spiegel" zurück.

Der "Spiegel" hatte berichtet, dass ein sogenanntes Haushaltsbegleitgesetz auf den Weg gebracht werden solle, um die Mittel einzusparen. Damit könnten gesetzlich festgelegte staatliche Leistungen eingeschränkt werden, wie etwa Subventionen oder Sozialausgaben.

Ausgabenkürzungen im Arbeits- und Familienministerium

Vorrangig müsse in den Ressorts mit den höchsten Sozialausgaben gespart werden, so der "Spiegel". Betroffen wären das Arbeits- und das Familienministerium. Verschont bleiben soll demnach das Verteidigungsministerium.

Theoretisch könnte ein solches Vorhaben auch Steuererhöhungen beinhalten, was Lindners Beamte dem Bericht zufolge aber ausschließen. Der Bund müsse in der Lage sein, seine Ausgaben in Höhe von 424 Milliarden Euro bei ständig wachsendem Steueraufkommen auch ohne Abgabenerhöhungen zu finanzieren, heißt es.

Tatsächlich dürfte die anhaltend hohe Inflation dafür sorgen, dass die Steuereinnahmen trotz schwacher Konjunktur steigen. Die zusätzlichen Einnahmen seien jedoch nicht ergiebig genug, um alle Etatlöcher zu stopfen. Deshalb seien Sparmaßnahmen unausweichlich, berichtete der "Spiegel" unter Berufung auf das Ministerium.

Finanzplanung nach der Steuerschätzung für Mai

Lindner hatte im März kurzfristig die Festlegung von Eckwerten für den Etat 2024 und die Finanzplanung bis 2027 abgesagt. Er hatte dies damit begründet, dass die Ausgabenpläne insgesamt weit über den erwarteten Einnahmen und der zulässigen Neuverschuldung lägen. Das Kabinett soll den Etatentwurf und die Finanzplanung am 21. Juni auf den Weg bringen - nach der Steuerschätzung für Mai.

Lindner will die gesetzlich verankerte Schuldenbremse unbedingt einhalten und hat für den kommenden Haushalt einen Sparkurs verordnet. Vor Kurzem warb er allerdings erneut für ein steuerliches Wachstumspaket, das die Wettbewerbsfähigkeit und die Produktivität der deutschen Wirtschaft stärken soll. Außerdem regte er unter anderem Investitionsprämien, steuerliche Forschungsförderung und neue Abschreibungsmöglichkeiten an.

Mützenich kritisiert Lindners Sparkurs

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kritisierte den Streit um den Haushalt und Lindners Vorschläge. "Ich erwarte Seriosität in den Beratungen gerade auch von den Kabinettsmitgliedern, die für die Aufstellung des Haushalts verantwortlich sind und sich dennoch selbst immer wieder mit umfangreichen Ausgabenwünschen zu Wort melden - während sie gleichzeitig auf die Disziplin anderer pochen", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Die anstehenden Haushaltsberatungen glichen einer "Operation am offenen Herzen", so Mützenich. Er erwarte deshalb "von allen Beteiligten Zusammenarbeit und Zurückhaltung bei der Kommunikation". Die nötigen Einsparungen seien "für alle ein Kraftakt".

Um im Bundeshaushalt neue Mittel zu mobilisieren, schlug Mützenich vor, den Wirtschaftsstabilisierungsfonds zu öffnen. "Natürlich müssen wir genau prüfen, wo Einsparpotenziale liegen. Aber wir sollten auch darüber reden, wie wir zusätzliche Mittel aus vorhandenen Reserven mobilisieren können." Der in der Corona-Pandemie errichtete Wirtschaftsstabilisierungsfonds wurde in der Energiekrise reaktiviert. Aktuell werden daraus vor allem die Strom- und Gaspreisbremsen finanziert. Wegen sinkender Preise könnte die Finanzierung der Bremsen aber deutlich günstiger werden.

Die FDP wies die Vorwürfe zurück. "Die FDP erwartet, dass die Koalitionspartner sich für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze einsetzen", sagte FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer der dpa. "Denn die Wirtschaft und Menschen finanzierten den Sozialstaat. Meyer lehnte zudem eine Öffnung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds ab.

Streitpunkt Kindergrundsicherung

Einer der Hauptstreitpunkte ist die Kindergrundsicherung. Bundesfamilienministerin Lisa Paus dringt auf den Start eines Gesetzgebungsverfahrens für das Vorhaben. "Ansonsten wird es in der Tat bis 2025 nichts werden", sagte die Grünen-Politikerin in einem Interview mit dem SWR. "Das wäre ein Fiasko für die gesamte Ampel-Regierung." Paus warf Bundesfinanzminister Lindner vor, er wolle "das Geld für andere Dinge ausgeben". Im Koalitionsvertrag sei die Kindergrundsicherung aber "die Top-Priorität als das sozialpolitische Projekt dieser Ampel. Und das lässt sich auch nicht wegdiskutieren", so Paus im SWR.

Die FDP kritisiert ein fehlendes Konzept für das Vorhaben. "Platt mehr Geld zu fordern, ohne sagen zu können, wofür - das geht mit uns eben nicht", sagte FDP-Parteivize Johannes Vogel dem "Focus". Paus müsse ein schlüssiges Konzept liefern, wie "der bisherige Wildwuchs" bei Leistungen für Kinder "endlich gelichtet und sinnvoll sortiert werden kann", sagte Vogel. Die Familienministerin mache "diese Hausaufgaben nicht". Stattdessen gebe sie Finanzminister Lindner die Schuld. "So kommen wir nicht weiter."

Die Kindergrundsicherung soll ab 2025 verschiedene Leistungen wie Kindergeld und Kinderzuschlag bündeln. Paus hält zudem - anders als Lindner - Leistungserhöhungen für nötig. Sie beziffert dabei den jährlichen Bedarf auf zwölf Milliarden Euro.

Michael Weidemann, Michael Weidemann, ARD Berlin, 14.04.2023 15:55 Uhr