Streit über Kindergrundsicherung Paus will Kinderfreibeträge senken
Im Streit zwischen FDP und Grünen über die Finanzierung der geplanten Kindergrundsicherung hat Familienministerin Paus einen Alternativvorschlag vorgelegt. Mit einer Absenkung der Kinderfreibeträge soll das Projekt finanziert werden.
Bei der Haushaltsplanung gibt es in der Regierung seit Wochen Streit. Aus den Ressorts werden milliardenschwere Wünsche an Finanzminister Christian Lindner herangetragen, die er so nicht erfüllen will. Das gilt auch für die Kindergrundsicherung.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus hat jetzt vorgeschlagen, die Kinderfreibeträge abzusenken, um das Projekt zu finanzieren. "Es ist absurd, dass wohlhabende Familien über die Kinderfreibeträge deutlich stärker entlastet werden als ärmere Familien, die nur das Kindergeld erhalten", sagte Paus der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). Die Ministerin sprach sich dafür aus, die Freibeträge abzusenken und mit den dadurch entstehenden Steuermehreinnahmen einen Teil der Kindergrundsicherung zu finanzieren. "Es wäre ein Durchbruch, diese Ungerechtigkeit im System endlich zu beseitigen", sagte sie.
Spitzenverdiener profitieren vom Kinderfreibetrag
Hintergrund ist eine komplexe Regelung im deutschen Steuersystem: Eltern erhalten vom Staat pro Kind aktuell 250 Euro Kindergeld pro Monat. Parallel dazu gibt es die sogenannten Kinderfreibeträge. Bei der Steuerberechnung werden diese vom Einkommen abgezogen, so dass sich die Steuerlast verringert.
Das Finanzamt ermittelt automatisch, ob sich Kindergeld oder Freibeträge für die Eltern mehr lohnen. Sind es die Freibeträge, wird das mit dem bereits ausgezahlten Kindergeld verrechnet. Davon profitieren Spitzenverdiener: Ihre Steuerersparnis ist größer als die Summe des ausgezahlten Kindergeldes.
Paus will zwölf Milliarden - Lindner gibt maximal drei
Die Kindergrundsicherung soll nach den Plänen der Ampelkoalition das bisherige Kindergeld ablösen und sieht unter anderem Vereinfachungen für Familien bei der Beantragung und der Art der Leistungen vor. Kindergeld, Kinderzuschlag und auch etwa die finanzielle Unterstützung für Klassenfahrten sollen in der Kindergrundsicherung gebündelt werden und künftig mehr Berechtigte erreichen. Ob das auch eine milliardenschwere finanzielle Aufstockung bedeuten soll, ist vor allem zwischen Grünen und FDP umstritten.
Paus hatte dafür einen Bedarf von zwölf Milliarden Euro ab 2025 angemeldet. Dafür sehe sie auch keinen Spielraum, sagte sie der "NOZ". "Zwölf Milliarden Euro sind eher am unteren Ende dessen, was man benötigen würde, um Kinderarmut in Deutschland deutlich zu verringern", so Paus. Die Ministerin betonte, sie wolle eine Trendwende einleiten: "Die Kindergrundsicherung ist ein Paradigmenwechsel, nicht nur technisch, sondern möglichst auch mit einer deutlich spürbaren Erhöhung der Leistungen für Kinder in ärmeren Familien."
Bundesfinanzminister Christian Lindner will aber nur zwei bis drei Milliarden Euro für das Projekt ausgeben. Paus verwies auf gestiegene Lebenshaltungskosten durch die Inflation: "Da sind die zwei Milliarden, die Herr Lindner anbietet, schnell weg, ohne dass wir eine strukturelle Verbesserung erzielt haben."
Bas bringt Vermögenssteuer ins Spiel
Aus Sicht von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas ist es im Bezug auf die Haushaltsplanungen richtig, "dass das Geld nicht mit vollen Händen ausgegeben wird". Gleichzeitig müsse aber auch "die Verteilung der Vermögen in Deutschland" in den Blick genommen werden, so die SPD-Politikerin in den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wenn wir keine neuen Schulden machen wollen, bleibt die Frage: Wie gehen wir mit Vermögenden um, kann man nicht auch eine andere Steuerpolitik machen?"
Eine Vermögensabgabe für besonders reiche Menschen könne ein Weg sein, "ohne neue Schulden für zukünftige Generationen die Menschen heute entlasten zu können, um unser Bildungssystem zu stärken oder in unsere Infrastruktur zu investieren", sagte Bas. Dies gelte, auch wenn Lindner das "nicht hören möchte".
Klingbeil: Reformstau der letzten Jahre auflösen
SPD-Chef Lars Klingbeil forderte das Kabinett auf, sich zu einigen. "Als Parteivorsitzender bin ich an den Haushaltsverhandlungen der Regierung nicht beteiligt. Als Parteivorsitzender erwarte ich aber, dass die Ziele des Koalitionsvertrages mithilfe einer seriösen Haushaltspolitik umgesetzt werden", sagte er der "Welt am Sonntag".
Wichtig sei ihm, "dass die Ziele des Koalitionsvertrages, Deutschland zu modernisieren, eingehalten werden, um den Reformstau der letzten Jahre aufzulösen". "Für mich geht es dabei vor allem um drei Bereiche: neue ökonomische Stärke, Sicherheit für unser Land und den gesellschaftlichen Zusammenhalt." Diese Ziele seien in schwieriger Haushaltslage "keineswegs obsolet, sondern sogar dringlicher" geworden. "Falls die Regierung keine gute Lösung hinbekommt, hätte ich durchaus noch ein paar Vorschläge zur Haushaltspolitik", fügte Klingbeil hinzu. "Die mache ich dann gerne auch öffentlich."