Alice Weidel und Tino Chrupalla
analyse

Antrag von Abgeordneten Wie die AfD auf die Verbotsdebatte reagiert

Stand: 17.10.2024 11:25 Uhr

Befürworter eines AfD-Verbotsverfahrens wollen Mitte November einen Antrag in den Bundestag einbringen. Die AfD reagiert auf die Debatte bisher gelassen. Nervös ist man eher wegen des Verfassungsschutzes.

Eine Analyse von Julie Kurz und Kilian Pfeffer, ARD-Hauptstadtstudio

Jeden Dienstagmorgen, wenn Sitzungswoche ist, lädt der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Bernd Baumann, die Presse ein. Es geht um Anträge der AfD-Fraktion und aktuelle Themen. Ein mögliches Verbotsverfahren hat in diesen Tagen, in denen der Vorstoß in den anderen Fraktionen diskutiert wird, natürlich besonderen Gesprächswert.

Bernd Baumann gibt sich zumeist zunächst höflich, doch dann redet er sich oft schnell in Rage - so auch beim Thema Verbotsverfahren. Das sei "einigermaßen lächerlich", sagt er und spricht von den "letzten Zuckungen des links-grünen Mainstreams, die Vorherrschaft zu verteidigen".

Die Strategie der Partei ist klar: Wie so oft, wenn Anwürfe kommen, schaltet man auf Gegenattacke um und spricht von Kampagnen gegen die AfD. Alice Weidel hat sich zu einem möglichen AfD-Verbotsverfahren eine Alliteration zurechtgelegt: Es widerspiegele einen "undemokratischen Ungeist". Es gehe darum, eine Konkurrenzpartei wie die Alternative für Deutschland und damit 20 Prozent der bundesweiten Wähler mundtot zu machen.

Zu Schau gestellte Gelassenheit

Die AfD stellt bewusst die anderen Parteien als undemokratisch dar und inszeniert sich selbst als letzte Bastion der Demokratie, obwohl es bei einem möglichen Verbotsantrag gerade um die Frage geht, ob die AfD demokratiefeindlich ist. Innerhalb der Partei herrscht jedoch vor allem eines: große - auch zur Schau getragene - Gelassenheit; wohl auch, weil es sehr unwahrscheinlich ist, dass ein solcher Antrag derzeit eine Mehrheit im Parlament finden würde.

Daher sieht man die Diskussion eher als willkommenes Geschenk, um sich erneut als Opfer darzustellen. Sebastian Münzenmaier, stellvertretender Fraktionschef und Kopf eines einflussreichen Netzwerks in der AfD, sagte dem ARD-Hauptstadtstudio: "Das Verbotsverfahren ist ein Schuss in den Ofen. Das wird nur noch für ein besseres Ergebnis bei der Bundestagswahl sorgen."

Björn Höcke hatte bereits in Thüringen Wahlkampf mit einem drohenden AfD-Verbot gemacht. Auf den Plakaten war er mit Sonnenbrille zu sehen, dazu der Slogan "Fast schon verboten gut". Die Botschaft war klar: Cool ist, was fast verboten ist - frei nach dem Motto "Mir kann niemand etwas". Die Diskussion über ein Verbotsverfahren nutzt die Partei geschickt für ihre Zwecke. Diese Gelassenheit dürfte auch der Erfahrung geschuldet sein, dass die Einstufung durch den Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall der Partei bislang nicht geschadet hat.

Gemäßigt wirken

Trotzdem wird die Angelegenheit mit dem Verfassungsschutz parteiintern nicht ganz so locker gesehen. Die Parteiführung versucht, verbale Ausfälle zu minimieren und professioneller aufzutreten. Besonders Weidel möchte die Partei zumindest nach außen hin mäßigen und anschlussfähiger machen. In einem kürzlich im neurechten Magazin CATO veröffentlichten Interview sagte Weidel: "Das AfD-Programm ist nicht rechts."

Diese Aussage kam nicht nur gut an in der Partei. Nicht alle finden das mit der Mäßigung eine gute Idee, eher das Gegenteil. Und so gibt es in parteiinternen Chatgruppen immer wieder Diskussionen über Formulierungen. Muss das wirklich so sein? Das könnte verfassungsrelevant sein, mahnen die Befürworter eines für AfD-Verhältnisse gemäßigteren Auftritts.

Tino Chrupalla sagte kürzlich öffentlich: "Konstruktive und verantwortungsvolle Oppositionsarbeit ist der Schlüssel, um 2029 den Regierungswechsel zu vollziehen." Die Parteispitze will anschlussfähiger wirken und dem Verfassungsschutz weniger Angriffsfläche bieten.

Gerade mit Blick auf den Wahlkampf in Ostdeutschland ist mindestens fraglich, ob ihr das gelingt. Und so hängt wie ein Damoklesschwert über der Partei die Frage: Was wird als nächstes vom Verfassungsschutz kommen?

Verfassungsschutz arbeitet an neuem Gutachten

Für innerparteiliche Überraschung sorgte die Ankündigung des Behördenchefs Thomas Haldenwang. Im Bundestag sagte er am Montag, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz in den nächsten zweieinhalb Monaten ein neues Gutachten zur AfD vorlegen werde. "Mit einer Entscheidung ist noch in diesem Jahr zu rechnen", sagte Haldenwang und ergänzte, dass das neue Gutachten "unter Berücksichtigung aktuellster Entwicklungen innerhalb der Partei" erstellt werde.

Damit dürfte er auch auf den Wahlkampf in den ostdeutschen Ländern Bezug nehmen. Bei der AfD-Wahlparty in Brandenburg lief ein Abschiebesong mit dem Refrain "Wir schieben sie alle ab". Auch die Turbulenzen bei der ersten Sitzung des Thüringer Landtags dürfte der Verfassungsschutz genau beobachtet haben.

Folgen für Beamte und ein Verbotsverfahren

Der Parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann gibt sich gelassen. Vor einer Hochstufung der Partei als gesichert rechtsextrem habe er keine Angst, er sei froh, "dass ein immer größerer Teil der Bevölkerung das durchschaut".

Eine Hochstufung könnte jedoch gerade für Beamte mit Funktionen in der Partei problematisch werden, da ihnen dann Disziplinarmaßnahmen drohen könnten. Schließlich kann man nicht gleichzeitig einen Eid auf die Verfassung schwören und in einer Partei aktiv sein, die als antidemokratisch eingestuft wird.

Eine Hochstufung könnte auch die Diskussion über ein Verbotsverfahren weiter befeuern und womöglich mehr Unterstützer gewinnen. Schließlich würde es dann um die Frage gehen: Kann eine gesichert rechtsextreme Partei weiter an Wahlen teilnehmen und staatliche Gelder erhalten?

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete rbb24 Inforadio am 11. Oktober 2024 um 16:15 Uhr.