Wolken über dem Reichstagsgebäude (Archiv)

Nach Bruch der Ampel-Koalition Opposition fordert sofortige Vertrauensfrage

Stand: 07.11.2024 07:51 Uhr

Die Schelte der Opposition an der Ampel-Koalition war zuletzt sehr laut - und auch nach ihrem Bruch hagelt es weiter Kritik. Besonders unter Beschuss gerät der von Kanzler Scholz anvisierte Zeitpunkt für die Vertrauensfrage.

Was von vielen bereits erwartet oder gar gefordert worden war, ist nun Realität: Die Ampel-Koalition ist zerbrochen. Von Überraschung in der Opposition daher keine Spur. Stattdessen ist aus verschiedenen Lagern vor allem Kritik am weiteren Zeitplan von Kanzler Olaf Scholz zu hören.

Noch am Abend forderte etwa CSU-Chef Markus Söder via Kurznachrichtendienst X schnellstmöglich Neuwahlen: "Taktische Verzögerungen darf es nicht geben." Den anvisierten Termin für die Vertrauensfrage im Bundestag Mitte Januar findet er zu spät. "Die Vertrauensfrage muss sofort und nicht erst im nächsten Jahr gestellt werden. Damit könnten Neuwahlen sogar noch im Januar stattfinden."

Gleiche Töne auch vom CDU-Abgeordneten Roderich Kiesewetter. "Das Vertrauen ist heute verspielt worden, da kann die Vertrauensfrage nicht im Januar gestellt werden."

AfD spricht von "Befreiung" für Deutschland

Die AfD im Bundestag bezeichnete den Bruch der Ampel als überfällig und als eine "Befreiung" für Deutschland. Das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP habe das Land mit großen Schritten an den wirtschaftlichen Abgrund geführt, erklärten die Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla.

"Nach monatelangem Stillstand und den unzähligen selbstbezogenen Therapiesitzungen brauchen wir jetzt schnell einen grundlegenden politischen Neuanfang, um die Wirtschaft und das ganze Land aus der schweren Krise zu führen, in die es durch die Ideologie-getriebene Politik von SPD, Grünen und FDP geraten ist", so Weidel und Chrupalla weiter. Sie forderten von Scholz, dem Land noch "einen letzten Dienst" zu erweisen und umgehend die Vertrauensfrage zu stellen.

Wagenknecht: "Politische Insolvenzverschleppung"

Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht sprach im Bezug auf Scholz' Zeitplan gar von "politischer Insolvenzverschleppung". Gegenüber dem Portal t-online kritisierte sie zudem die Rede, die der Kanzler nach der Entlassung von Finanzminister Christian Lindner gehalten hat: "Statt den heutigen Abend zu nutzen, um die Bürger für die letzten drei Jahre um Entschuldigung zu bitten, hat der Noch-Kanzler eine selbstgerechte Wahlkampfrede gehalten."

Der Plan von Scholz, die Schuldenbremse über eine Notlage aufzuheben, um Mittel für die Waffenlieferung an die Ukraine zu haben, "während in Deutschland Brücken und Schienen verrotten und Millionen Rentner in Armut" lebten, zeige, "dass diese Regierung zurecht gescheitert ist".

Linke freut sich auf Neuwahlen

Die Linke brachte sich bereits in Position und zeigte sich bereit für Neuwahlen. "Der Kampf um die Plätze links der Mitte ist eröffnet - und das ist gut so", erklärten die Parteispitze und die Bundestagsgruppe der Linken gemeinsam. Die Linke werde das Feld von hinten aufrollen und frischen linken Wind ins Land bringen, teilten die Parteichefs Ines Schwerdtner, Jan van Aken und die Vorsitzenden der Bundestagsgruppe, Heidi Reichinnek und Sören Pellmann, weiter mit.

Den Ampel-Beteiligten warfen sie vor, für Instabilität zu sorgen. Die Koalition habe das Land kaputtgespart und sei damit der größte Antreiber der Angst in Deutschland gewesen. "Jetzt stürzt sie das Land in die nächste Krise. Als demokratische Parteien hätten SPD, Grüne und FDP die Verantwortung, für Stabilität zu sorgen." Die Ampel sei nicht erst heute gescheitert. Sie habe es drei Jahre lang nicht geschafft, Sicherheit für die große Mehrheit im Land zu schaffen.

Scharfe Worte gegen Lindner von SPD und Grünen

Zuspruch erhalten Scholz und Lindner von ihren eigenen Parteien. Die FDP-Fraktion unterstützt nach Aussage des Vorsitzenden Christian Dürr Lindners Entscheidung, nicht auf Scholz' Forderung zum Aussetzen der Schuldenbremse einzugehen einstimmig. "Ich glaube, selten war ein solcher Schritt wie der von Christian Lindner ein Beleg für Prinzipientreue und Mut", sagte Dürr nach einer Sondersitzung der Abgeordneten.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hält Scholz' Schritt, Lindner zu entlassen, hingegen für konsequent. "Es gehört zur Verantwortung eines Bundeskanzlers, nüchtern festzustellen, ob eine Koalition dem Land hilft oder nicht. In diesen Zeiten ist eine Koalition, die sich nur streitet, eher eine Belastung als eine Unterstützung", sagte der SPD-Politiker.

Die Grünen übten scharfe Kritik an Lindner. Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann warf dem FDP-Chef vor, den Bruch der Koalition destruktiv herbeigeführt zu haben. "Dieser Egoismen und die Destruktivität, mit der hier gearbeitet wurde, insbesondere vonseiten von Christian Lindner und Teilen der FDP, hat diese Koalition so stark belastet, dass wir jetzt an diesem Punkt sind, und das ist sehr, sehr bedauerlich", sagte Haßelmann am Rande einer Fraktionssitzung. Grünen-Politiker Anton Hofreiter warf Lindner vor, aus "kleinlichen ideologischen Gründen" gehandelt zu haben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 07. November 2024 um 08:30 Uhr.