Nach Anschlag in Magdeburg Weitere Ermittlungen zu möglichen Behördenfehlern
Nach der Todesfahrt in Magdeburg wird die Rolle von Behörden und Polizei aufgearbeitet. Im Mittelpunkt steht die Absicherung des Weihnachtsmarktes. CDU-Chef Merz fordert derweil einen härteren Migrationskurs.
Nach der Todesfahrt in Magdeburg stehen das Sicherheitskonzept des Veranstalters zum Schutz des Weihnachtsmarkts und damit auch die Absicherung von Flucht- und Rettungswegen auf dem Prüfstand. "Es wird aufgearbeitet, ob diese Maßnahmen vom Veranstalter umgesetzt worden sind und wenn nicht, warum nicht. Gleiches gilt für die polizeiliche Einsatzkonzeption", sagte eine Sprecherin des sachsen-anhaltischen Innenministeriums.
Der Täter Taleb A., der sich in Untersuchungshaft befindet, war am Freitag vergangener Woche mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt gerast. Dabei wurden fünf Menschen getötet und mehr als 200 verletzt. Der Mann aus Saudi-Arabien war zwischen einer Fußgängerampel und einer Betonblocksperre hindurchgefahren. Bei den Ermittlungen geht es nun um viele Details.
Keine Stahlketten zwischen den Betonsperren
"Der Abstand zwischen Fußgängerampel und Betonblocksperre betrug zu beiden Seiten der Fußgängerampel jeweils rund sechs Meter", teilte das Innenministerium mit. "Es muss nun aufgearbeitet werden, ob das Sicherheitskonzept des Veranstalters des Weihnachtsmarkts so große Lücken in den Betonblocksperren an Fußgängerübergängen vorgesehen hat."
Zudem gehe es darum, wieso Flucht- und Rettungswege - entgegen dem Sicherheitskonzept des Veranstalters - nicht mit Stahlketten gesichert gewesen seien. "Solche Stahlketten sollten Betonblocksperren auf größere Entfernung verbinden. Sie sollten das flexible Öffnen für Durchfahrten von Rettungskräften und Feuerwehr ermöglichen", so das Innenministerium.
Polizeifahrzeug nicht an geplantem Standort
Neben den Ermittlungen zum Anschlag wird auch nach möglichen Fehlern in der Polizeiarbeit gesucht. Laut dem Innenministerium sah die Einsatzkonzeption neben Präsenzstreifen auch Fahrzeuge mit Eingreifkräften an vier Standorten um den Weihnachtsmarkt vor. "Die Standorte waren nicht dafür vorgesehen, Gehwege oder Zugänge zum Weihnachtsmarkt permanent zu versperren und nur für Rettungskräfte und Feuerwehr zu öffnen", hieß es.
Durch die Positionierung in der Nähe von einigen Zugängen zum Weihnachtsmarkt sollte demzufolge die Möglichkeit bestehen, gegebenenfalls mobile Sperren errichten zu können. Doch nach dem jetzigen Stand der Aufarbeitung befand sich ein Fahrzeug in einer Parkbucht für Taxen und damit nicht an dem vorgesehenen Standort. "Warum dies so war, ist Gegenstand der weiteren Aufarbeitung", sagte eine Ministeriumssprecherin.
Damit könnten das Sicherheitskonzept des Veranstalters des Weihnachtsmarktes und die polizeiliche Einsatzkonzeption auch Gegenstand von strafrechtlichen Ermittlungen werden. In diesem Fall würde wahrscheinlich die Polizeiinspektion Halle (Saale) die polizeilichen Ermittlungen übernehmen. Wie das Innenministerium außerdem mitteilte, liegen der Staatsanwaltschaft bereits mehrere Strafanzeigen unter anderem gegen die Stadt Magdeburg und die Polizeiinspektion Magdeburg vor.
Ermittler gehen weiter von Einzeltäter aus
Die zuständige Generalstaatsanwaltschaft Naumburg geht davon aus, dass der Täter im Alleingang gehandelt hat. Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es keine Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung Dritter, sagte ein Sprecher der Ermittlungsbehörde. Die Generalstaatsanwaltschaft werde vermutlich innerhalb des nächsten halben Jahres zu einer Abschlussverfügung kommen. Die Ermittlungen dauerten an. Zudem müsse noch ein Gutachten über die Schuldbefähigung des Täters eingeholt werden. Ferner werde überprüft, ob dieser Rauschmittel eingenommen habe.
Wie das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt in Halle mitteilte, wurde inzwischen ein Verfahren eingeleitet, um dem Täter die Approbation als Arzt zu entziehen. Dabei werde die Zulassung der ärztlichen Tätigkeit zunächst nur ruhend gestellt, da die Ermittlungen noch liefen, teilte die Behörde mit. Parallel werde ein Verfahren für einen endgültigen Entzug der Approbation geführt, über das das Landesverwaltungsamt entscheide, sobald ein Gerichtsurteil über Taleb A. gesprochen sei.
Merz fordert Konsequenzen für Migrationspolitik
Während in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt vor allem das Sicherheitskonzept des Veranstalters zum Schutz des Weihnachtsmarkts und das Agieren der Polizei auf dem Prüfstand stehen, richtet sich der Blick in Berlin auch auf Konsequenzen in der Migrationspolitik.
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz forderte ein härteres Vorgehen gegen Täter mit Migrationshintergrund. "Wir sind im Umgang mit den Feinden unserer Demokratie einfach nicht konsequent genug. Wir dulden zu viele Menschen in Deutschland, die sich nicht integrieren wollen", schreibt der CDU-Chef in seinem E-Mail-Newsletter "MerzMail". Ausweisungen müssten auch möglich sein, wenn keine Straftatbestände festgestellt seien, verlangte Merz.
"Warum werden wir solche Leute nicht los?"
Der Täter von Magdeburg scheine ein besonders aggressiver Islam-Gegner zu sein, schrieb Merz. Es würden auch mit diesem Täter offensichtlich Konflikte auf deutschem Boden ausgetragen, die man nicht dulden könne. Leitsatz müsse sein: "Wir wollen solche (potenziellen) Straftäter nicht in unserem Land haben!"
Merz erinnerte an die Vorgeschichte des Mannes, der wegen Drohungen vorbestraft war. "Warum werden wir solche Leute nicht los, bevor sie großes Unheil anrichten? Es mag sein, dass die bisherige Rechtslage das nicht hergibt. Aber dann müssen diese gesetzlichen Regelungen eben geändert werden!"
Merz beklagte eine generell gestiegene Gewaltbereitschaft, unter anderem in Schulen oder beim Fußball. Es steige aber auch die Zahl schwerer Straftaten durch Migranten. "Die signifikant höhere Ausländerkriminalität wird im Detail öffentlich dokumentiert. Insbesondere der politische Islam ist eines der Hauptmotive für die in Deutschland begangenen Straftaten", behauptete Merz. Die CDU-Pressestelle äußerte sich auf eine Anfrage der Nachrichtenagentur dpa nach Belegen für die Aussage zunächst nicht.
Scholz erwartet Aufarbeitung der Behörden
Nach dem Attentat in Magdeburg hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine konsequente Aufklärung möglicher Sicherheitslücken gefordert. "Diese furchtbare Tat lässt mich nicht los", sagte Scholz in einem Interview mit dem Nachrichtenportal "t-online". "Zu den notwendigen Konsequenzen gehört, dass wir untersuchen, ob man diese schreckliche Tat hätte verhindern können", betonte Scholz. "Jeder Stein muss dabei umgedreht werden."
Offensichtlich habe es über die Jahre immer wieder Hinweise bei den Sicherheitsbehörden auf den Tatverdächtigen gegeben, sagte der Kanzler. "Meine Erwartung ist klar: Jetzt muss sehr genau geprüft werden, ob es Versäumnisse bei den Behörden in Sachsen-Anhalt oder auf Bundesebene gegeben hat. Da darf es keine falsche Zurückhaltung geben."
Zudem forderte der Kanzler mehr Kompetenzen für die Sicherheitsbehörden und sprach dabei auch die Union an. Nach den Messerattacken von Mannheim und Solingen habe die Bundesregierung mit dem Sicherheitspaket entsprechende Gesetze auf den Weg gebracht. Für die Zustimmung im Bundesrat brauche es die Stimmen von CDU und CSU - "insofern sprechen wir mit allen Beteiligten".