Nach Anschlag in Magdeburg Sicherheitskonzept und Polizeiarbeit in der Kritik
Im Zuge der Ermittlungen zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg rücken nun auch das Sicherheitskonzept und die Polizeiarbeit in den Fokus. Welche Fehler wurden gemacht? Das BKA erstellt eine Fallgeschichte zum Täter.
Neben den Ermittlungen zum Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt wird auch nach Fehlern in der Polizeiarbeit gesucht. Unter anderem geht es um ein Polizeifahrzeug, das sich nicht an einem vorgesehenen Standort befunden hat, wie das Innenministerium in Magdeburg auf Nachfrage mitteilte.
Zum Zeitpunkt des Anschlags seien Polizeifahrzeuge an den vier festgelegten Standorten um den Magdeburger Weihnachtsmarkt postiert gewesen, erklärte das Ministerium. "Nach dem jetzigen Stand der Aufarbeitung befand sich ein Polizeifahrzeug in der Parkbucht für Taxen in der Ernst-Reuter-Allee und damit nicht an dem nach der polizeilichen Einsatzkonzeption vorgesehenen Standort." Warum dies so war, sei Gegenstand der weiteren Aufarbeitung.
Strafanzeige gegen Stadt und Polizeiinspektion
Aufgearbeitet würden auch Fragen zum Sicherheitskonzept des Veranstalters des Weihnachtsmarkts. Es gehe darum, was das Konzept zum Schutz des Marktes und damit auch zur technischen Absicherung von Flucht- und Rettungswegen vorgesehen habe. "Es wird aufgearbeitet, ob diese Maßnahmen vom Veranstalter umgesetzt worden sind und wenn nicht, warum nicht."
Außerdem teilte das Ministerium mit, der Staatsanwaltschaft liege eine Strafanzeige gegen die Stadt Magdeburg und die Polizeiinspektion Magdeburg vor. "Damit könnten das Sicherheitskonzept des Veranstalters des Weihnachtsmarkts und die polizeiliche Einsatzkonzeption sowie deren jeweilige Umsetzung auch Gegenstand von strafrechtlichen Ermittlungen werden." In diesem Fall würde gegebenenfalls die Polizeiinspektion Halle (Saale) die polizeilichen Ermittlungen übernehmen.
BKA durchleuchtet den Täter
Am kommenden Montag will der Innenausschuss des Bundestages über den Fall beraten. Bundeskriminalamt und Bundesinnenministerium wollen bis dahin eine Fallchronologie zum Täter des Anschlags auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt vorlegen. Das erfuhr die Nachrichtenagentur dpa am Montag nach einer Unterrichtung von Innenpolitikern des Bundestags durch Vertreter von Sicherheitsbehörden aus Teilnehmerkreisen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und der Chef des Bundeskriminalamts, Holger Münch, haben den Parlamentariern demnach eine Übersicht zu dem Fall zugesagt. Es soll darum gehen, welche Behörden zu welchem Zeitpunkt welche Hinweise zum Täter Taleb A. hatten und wie diesen nachgegangen wurde. Behörden in mindestens sechs Bundesländern sollen mit ihm zu tun gehabt haben. Die Informationen sollen nun zu einem Gesamtbild zusammengetragen werden.
Faeser warnt AfD vor Instrumentalisierung
Bundesinnenministerin Faeser kündigte an, sie wolle Transparenz schaffen. Auf die Frage, ob die Sicherheitsbehörden den Anschlag nicht hätten verhindern müssen, sagte die SPD-Politikerin der Funke Mediengruppe: "Das wird in den Ermittlungen nach dieser furchtbaren Tat genaustens geprüft. Hier wird jeder Stein umgedreht - und volle Transparenz hergestellt."
Faeser warnte die AfD vor einer Instrumentalisierung des Anschlags. "Jeder Versuch, eine solch furchtbare Tat zu instrumentalisieren und das Leid der Opfer zu missbrauchen, ist widerwärtig", sagte die SPD-Politikerin. "Das zeigt nur den Charakter derer, die so etwas tun."
Nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt am vergangenen Freitag hatte die AfD am Montag eine Kundgebung in der Stadt veranstaltet, an der nach Polizeiangaben rund 3.500 Menschen teilnahmen. Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel sagte dort mit Blick auf den Täter Taleb A., wer die Bürger des Landes verachte, das ihm Asyl gewähre, "der gehört nicht zu uns". Während der Veranstaltung wurde immer wieder "Abschieben! Abschieben! Abschieben!" skandiert. Weidel sagte, man wolle endlich wieder in Sicherheit leben.
Ermittlungen zum Täter dauern an
Der in Untersuchungshaft sitzende Täter war am Freitagabend mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt gerast. Fünf Menschen wurden getötet, mehr als 200 verletzt. Die Ermittlungen zur Motivation des Arztes, der aus Saudi-Arabien stammt und 2006 nach Deutschland kam, dauern an. Zuletzt hatte er sich in sozialen Medien zunehmend wirrer und radikaler zu Wort gemeldet. In einem Interview zeigte sich der 50-Jährige jüngst als Fan von X-Chef Elon Musk und der AfD, die die gleichen Ziele wie er verfolge - bezeichnete sich aber als politisch links.
Faeser betonte nun erneut: "Wir tun alles für die Aufklärung dieser Tat. Wir trauern um die Getöteten und sind in unseren Gedanken bei ihren Familien." In den Krankenhäusern werde weiter alles getan, um den Menschen, die schwerste Verletzungen erlitten haben, zu helfen. "Gerade jetzt müssen wir auch für die Ersthelfer und Einsatzkräfte da sein, die Furchtbares erlebt haben und dabei über sich hinausgewachsen sind", sagte die Bundesinnenministerin.
Eine Ausnahme machen wir dann, wenn die Täterschaft gut belegt ist. So ist es auch im Fall des Anschlags von Magdeburg. Hier ereignete sich die Tat in der Öffentlichkeit. Taleb A. wurde festgenommen, nachdem er aus dem Tatfahrzeug ausgestiegen war. Deshalb sprechen wir künftig von Taleb A. als Täter und Todesfahrer und verzichten auf den Zusatz "mutmaßlich".
Auch der Pressekodex sieht dieses Vorgehen vor. In Richtlinie 13.1 heißt es dazu: "Die Presse darf eine Person als Täter bezeichnen, wenn (...) er die Tat unter den Augen der Öffentlichkeit begangen hat. In der Sprache der Berichterstattung ist die Presse nicht an juristische Begrifflichkeiten gebunden, die für den Leser unerheblich sind."