Annalena Baerbock spricht mit dem Brigadegeneral Joseph Allah Kouame bei einem Besuch der Akademie Terrorismusbekämpfung in Abidjan

Baerbock in Westafrika Einfach Außenministerin

Stand: 17.07.2024 12:18 Uhr

Außenministerin Baerbock war zwei Tage in Westafrika. Es war ihre erste Reise, nachdem sie erklärt hatte, nicht als Kanzlerkandidatin zur Verfügung zu stehen. Eine Befreiung?

Von Barbara Kostolnik, ARD Berlin

"Operation Trampolin" haben sie die Übung genannt. Ausgerechnet. Eine Übung zur Überwältigung von Terroristen im sogenannten "Sahel-Dorf" in Jacqueville. Lediglich eine rote Sandpiste führt dorthin, militärisches Sperrgebiet irgendwo in Côte d’Ivoire, zwischen der Lagune und dem Meer, am äußersten Rand der Elfenbeinküste.

Der Name "Trampolin" wurde zu Ehren von Annalena Baerbock gewählt, die an diesem schwülen Nachmittag vorbeigekommen ist und in der feuchten Hitze ausharrt, sich geduldig die Ausführungen des französischen Majors und des ivorischen Befehlshabers anhört.

Sie wissen auch an der Côte d’Ivoire, dass die ehemalige Trampolinturnerin Baerbock früher sehr hoch gesprungen ist, bis zur Kanzlerkandidatur ihrer Partei. Heute steht sie nur da und hört erst mal geduldig zu.

Anti-Terror-Kampf in Afrika für Deutschland

In der "Akademie gegen den Terrorismus", die Baerbock besucht, haben sie ein Dorf nachgebaut, die Übung findet zwischen Lehmbauten statt. Die Szene: Terroristen wollen Sprengstoff an drei Dorfbewohner übergeben. Geheimdienste haben die Informationen abgefangen, und jetzt werden die Spezialkräfte den Deal sprengen. Buchstäblich.

Baerbock soll Zeugin werden, wie gut das klappt. Schließlich finanziert die Bundesrepublik die Akademie mit 2,5 Millionen Euro. Bundespolizei und GSG9 trainieren in Jacqueville zusammen mit ivorischen Streitkräften, auch Soldaten aus Togo, Benin und Kamerun machen mit. Es geht um den Anti-Terror-Kampf, der die westafrikanische Region schwer beschäftigt. Der Kampf wird auch für Deutschland geführt.

Zur besseren Übersicht ist die Ministerin auf einen Aussichtsturm geführt worden, von oben kann sie sehen, wie ivorische Einsatztruppen erfolgreich die Terroristen von der Übergabe abhalten. Es knallt dann sehr laut, zwei potentielle Sprengstoffattentäter haben sich selbst in die Luft gesprengt, um dem Zugriff zu entgehen. Baerbock zuckt oben auf dem Aussichtsturm erschreckt zusammen.

"Operation Trampolin" ist ein voller Erfolg - die Gefahr eliminiert, die Terroristen auch. Am Ende der Übung dankt die Bundesaußenministerin den ivorischen Einsatzkräften. Der Reihe nach schüttelt sie jedem die Hand.

Die Kandidatenfrage ist beantwortet

Annalena Baerbock ist bei dieser Reise in den äußersten Westen Afrikas zum ersten Mal seit langer Zeit einfach ausschließlich als Außenministerin unterwegs. Die K-Frage, die lange über ihr schwebte, wird nicht mehr gestellt. Sie hat sie in Washington in einem CNN-Interview mit Nein beantwortet.

Sie will also lieber Außenministerin bleiben als Kanzlerkandidatin der Grünen werden. Wohl auch, weil sie weiß, dass ihr in ihrer Partei der Rückhalt fehlt. Und es scheint so, als beflügele sie diese Entscheidung.

Im Senegal steht sie auf einer Bühne vor dem Rohbau des neuen Goethe-Instituts, ein mächtiger Baobab, ein Affenbrotbaum an ihrer Seite. Sie redet lange und viel, von Austausch und der Kultur des gegenseitigen Zuhörens, des voneinander Lernens.

Gagnant-Gagnant, sagt Baerbock, die französische Form des Win-Win. Die Rede ist von Afrika und von Deutschland, aber man kann sie auch so lesen, dass da eine Frau spricht, die sich nun vollkommen auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren kann und damit gar nicht so unglücklich ist.

Win-Win also für Habeck, die Grünen und für sie. Weniger Angriffsfläche für die wütenden russischen Trolle, mehr Zeit in der ohnehin übervollen Ministerinnen-Agenda.

Den Goethe-Instituten, deren Chefin sie ist, hat sie bereits eine strategische Neuausrichtung verordnet. Während an vielen Orten der Welt, vor allem in Europa, Goethe-Institute verschlankt werden, bleibt der Etat im Senegal stabil bei rund zwei Millionen Euro.

"Denn unsere Welt hat sich rasant verändert", erklärt sie. "Schon heute ist Afrika der Kontinent von Wachstum und Innovation, jeden Monat streben hier 1,7 Millionen Menschen auf den Arbeitsmarkt." Eine riesige Chance nennt Baerbock das auf der Bühne. Eine Chance für Deutschland. Mit ihr als erster Botschafterin.

Elektrobusse mit deutscher Technologie in Dakar

Baerbock hat bei dieser Reise nach Westafrika bewusst ein paar ungewöhnliche Akzente gesetzt. Sie hat den ersten Tag mit einem Besuch in der Leitstelle des modernsten Schnellbusnetzes des Kontinents begonnen und hört sich dort an, was der Senegal Deutschland in punkto Verkehrswende voraus hat. Zumindest auf dem Elektro-Bus-Sektor.

Der Elektroschnellbus in Dakar sei der erste in der Welt, der 100 Prozent elektrisch laufe. Er werde zudem von Solarpanelen auf den Dächern der Haltestellen gespeist, finanziert unter anderem von Deutschland, erklärt der Generaldirektor des Öffentlichen Nahverkehrs in Dakar der Ministerin.

"Wahnsinnig großes Potential"

Auch deutsche Unternehmen sind beteiligt, wie die Car Media Lab von Henri Tchatchu aus dem baden-württembergischen Bruchsal. Er hat für den Schnellbus die IT-gestützte Überwachung der Batterie-Ladeinfrastruktur beigesteuert. Neuland, in Deutschland und in Afrika, aber Tchatchu bleibt Optimist. Bald sollen die Busse auch in Abidjan fahren. Deutsches Know-How breitet sich in Afrika aus.

Eine Botschaft, die die Außenministerin gerne wieder zurück nach Deutschland nimmt. "Wir sehen, dass es gerade hier ein wahnsinnig großes Potential gibt - für deutsche Firmen, deutsche Firmen der Transformation", sagt sie nach einer kurzen Fahrt mit dem Schnellbus.

Kleiner Schönheitsfehler in der Erfolgsgeschichte: Die Elektro-Busse in Dakar selbst kommen aus China. Die Chinesen nämlich hatten bei der Ausschreibung alle anderen unterboten.

Baerbock wirbt für Unterstützung der Ukraine

Überhaupt ist China sehr präsent in Afrika. Baerbock sieht es daher als ihre Aufgabe an, Allianzen zu schmieden. Wirtschaftliche Allianzen, weshalb sie mit einer relativ großen Wirtschaftsdelegation unterwegs ist. Und geostrategische Allianzen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine wird längst nicht von allen in Afrika so kritisch gesehen wie von Deutschland.

Die Außenministerin wirbt für Solidarität mit der Ukraine. Und verweist auf die deutsche Unterstützung, etwa in dem Sahel-Dorf in Jaqueville, zwischen Lagune und Atlantik. Es ist ein ständiges Werben, und manchmal wird sie dafür auch belohnt.

Der ivorische Präsident Alassane Ouattara habe sogar seinen Urlaub verschoben, um die Außenministerin in seiner Privatresidenz zu empfangen, heißt es aus Delegationskreisen. Die Privatresidenz, ein Prachtbau mit Marmorsäulen, thront standesgemäß über der Hauptstadt Abidjan.

Dass ein Präsident eine Außenministerin trifft, ist hingegen nicht ganz so standesgemäß. Baerbock darf das als ein Zeichen der Wertschätzung verstehen. Der Wertschätzung ihrer Arbeit als Außenministerin.