Linke, FDP und AfD in Berlin Zwei Königsmacher und eine Außenseiterin
FDP und Linkspartei könnten nach der Berliner Wiederholungswahl entscheidend sein bei der Regierungsbildung. Die AfD steht marginalisiert am Rande des Geschehens. Mit welchen Spitzenleuten treten die drei Parteien an?
Sechs Parteien sind derzeit im Berliner Abgeordnetenhaus vertreten. Bei der Wiederholungswahl rangeln SPD, Grüne und CDU um die Spitzenplätze, doch nicht minder spannend ist es, das Abschneiden der anderen drei Parteien einzuschätzen.
Schafft die FDP erneut den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde, könnte sie als Regierungspartner gebraucht werden. Bleibt sie draußen, könnte es für die CDU rechnerisch sogar mit einem Koalitionspartner reichen. Die Linke möchte gern Juniorpartner von SPD und Grünen bleiben. Die AfD ist außen vor. Die Spitzenleute der drei Parteien im Überblick:
Klaus Lederer, Die Linke
Klaus Lederer ist inhaltlich breit aufgestellt - was sich wohl allerdings auch so gehört für jemanden, der mehr als sein halbes Leben in der Berliner Landespolitik zugebracht hat - nämlich 28 Jahre. Kein anderer Spitzenkandidat bei dieser Wahlwiederholung hat so viel landespolitische Erfahrung wie der Spitzenkandidat der Linkspartei. Im derzeitigen rot-grün-roten Bündnis hat seine Partei die Rolle des Juniorpartners.
Mehr als ein halbes Leben in der Landespolitik: Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer
Als Lederer 2016 das Amt des Kultur- und Europasenators übernahm, konnte der heute 48-Jährige nicht wissen, dass erst die Pandemie und dann die Energiekrise zu seiner größten Herausforderung werden würden. Der Wirbel um die Entlassung des zänkischen Direktors der Stasiopfer-Gedenkstätte, Hubertus Knabe, ist inzwischen nur noch eine Fußnote. In der Kulturlandschaft hat sich Lederer inzwischen als Krisenmanager viel Lob erarbeitet.
Der groß gewachsene Mann mit dem Ohrring, der stets nur schwarz trägt, spricht meistens zu schnell und lacht selbst am meisten darüber. In der Koalition mit SPD und Grünen präsentiert sich Lederer am liebsten als soziales Gewissen und pragmatischer Mediator. Dabei treiben seine Linken mit der Enteignung von Immobilienkonzernen in Berlin selbst ein Thema voran, dass eine rot-grün-rote Koalition platzen lassen könnte.
Trotzdem will Lederer mit den beiden bisherigen Partnern weitermachen. Ob am Ende mit einer grünen oder einer sozialdemokratischen Regierenden Bürgermeisterin, ist ihm relativ gleich.
Kristin Brinker, AfD
Keine Chancen auf eine Regierungsbeteiligung hat Kristin Brinker. Seit März 2021 führt sie die Berliner AfD. Ins Amt der Landeschefin kam sie auch dank der Mithilfe des inzwischen aufgelösten rechtsextremen "Flügels" der Partei.
Seit März 2021 führt sie die Berliner AfD: Spitzenkandidatin Kristin Brinker
Sie verortet sich selbst als liberal-konservativ und fällt nicht mit radikalen Parolen vom rechten Rand auf. Brinker spricht selten laut und vergräbt sich als Haushaltspolitikerin lieber in den Tiefen der Berliner Landesfinanzen.
Über sich selbst sagt die 51-Jährige, die in Bernburg (Saale) geboren wurde, dass sie zum Abschalten schon mal TV-Schnulzen schaut und eher auf den Christopher Street Day gehen würde als zum Volksmusikfest. Ihr Ziel: die Berliner AfD langfristig regierungsfähig machen.
In der AfD aber gewannen zuletzt die rechten Hardliner die Oberhand. Der Berliner Verfassungsschutz führt die Partei als Verdachtsfall.
Auch einzelne Mitglieder sorgen für öffentliche Skandale. Etwa der pro-russische Abgeordnete Gunnar Lindemann, der Kontakte zu den pro-russischen Separatisten in den besetzten Gebieten der Ukraine hatte. Oder Andreas Wild, der im Parlament immer wieder gegen Ausländer hetzte, bis ihn die Fraktion rauswarf. Und schließlich die Berliner AfD-Politikerin Birgit Malsack-Winkemann, die sich einem versuchten Staatsstreich von sogenannten Reichsbürgern angeschlossen haben soll. Vorfälle, die am Image der Berliner AfD als gemäßigte rechte Partei kratzen.
Zwar versuchte Brinker im Wahlkampf zuletzt immer wieder, inhaltliche Brücken zur CDU zu schlagen. Vor allem nach den Silvesterkrawallen war der Ruf nach Recht und Ordnung gegen die Verdächtigen mit Migrationshintergrund bei den Christdemokraten teilweise noch lauter als bei der AfD. Doch eine Annäherung beider Parteien gibt es letztlich nicht, die AfD wird überall auf Abstand gehalten. Alle Parteien im Abgeordnetenhaus schließen eine Zusammenarbeit mit der AfD aus.
Sebastian Czaja, FDP
Sebastian Czaja hat es in diesen Tagen nicht gerade leicht. Der Berliner FDP-Spitzenkandidat bekam Wahlkampfkonkurrenz aus der eigenen Familie: Sein Bruder Mario, seit Januar 2022 Generalsekretär der CDU im Bund, empfahl auf Twitter, bloß nicht für die Berliner FDP zu stimmen - denn das helfe der SPD. "Wer einen echten Neustart will, der wählt diesmal CDU", so Mario Czaja.
FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja: Schafft seine Partei den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde?
Dass die Partei seines jüngeren Bruders Sebastian laut Umfragen um den Verbleib im Berliner Abgeordnetenhaus bangen muss, war dem älteren Czaja-Bruder sicherlich nicht entgangen. Das Kalkül der Christdemokraten: Ohne die FDP im Parlament steigt die Chance, dass eine Zweierkoalition für einen Machtwechsel reicht. Und führend in den Umfragen ist: die Berliner CDU.
Der Tweet sorgte für so viel Gesprächsstoff in der Berliner Politik-Blase, dass die Czaja-Brüder kurz darauf das gleiche Bild twitterten: Die beiden lächelnd vereint in einer Gondel der Seilbahn im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf. "Alles gut im Hause Czaja", versicherte der Begleittext. Sollte die CDU am Ende die Liberalen brauchen, um das Rote Rathaus übernehmen zu können, wird sich Sebastian den Tweet seines Bruders Mario vermutlich einrahmen.
Im Berliner Osten ist der 39-jährige Sebastian Czaja geboren und aufgewachsen. Einst brach er dort im Streit mit seiner ersten Partei, der CDU - und damit zumindest für eine gewissen Zeit auch mit seinem Bruder. 2006 zog er für die FDP ins Abgeordnetenhaus ein, 2011 flog er gemeinsam mit ihr wieder raus. Zwischendurch holte der gelernte Elektrotechniker sein Abitur nach, arbeitete später in der Baubranche. Seine neue politische Heimat mit der FDP fand er im Berliner Westen, in Steglitz-Zehlendorf.
Czaja gehört zu den besten Rednern im Berliner Parlament. Viele sahen ihn daher zuletzt auch eher in der Rolle des Oppositionsführers als den oft eher blassen CDU-Chef Kai Wegner. Die FDP wirbt im Wahlkampf auch deswegen besonders offensiv mit seinem Namen und Gesicht. Czaja wiederum setzt, wie schon bei früheren Wahlkämpfen, voll und ganz auf ein Thema: Dieses Mal ist es die Reform der Berliner Verwaltung.