Bundestag und Bundesrat Weg für das Bürgergeld ist frei
Im kommenden Jahr wird in Deutschland das Bürgergeld eingeführt. Es löst das bisherige Hartz-IV-System ab. Nach dem Bundestag stimmte auch der Bundesrat der Sozialreform zu. Die Bundesagentur für Arbeit sicherte einen reibungslosen Übergang zu.
Das neue Bürgergeld kann zum Jahresanfang das als Hartz IV bekannte bisherige Arbeitslosengeld II ablösen. Nach dem Bundestag stimmte am Mittag auch der Bundesrat mit großer Mehrheit der Sozialreform zu. In der Länderkammer stimmten auch Länder mit Regierungsbeteiligung der Union für die Reform, die die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP auf den Weg gebracht hatte.
Damit ist das Gesetz endgültig beschlossen. Im Bundesrat ist die Ampelkoalition für die erforderliche Mehrheit auch auf Stimmen von Ländern angewiesen, in denen die Union an der Regierung beteiligt ist.
Kompromiss im Vermittlungsausschuss
Zuvor hatte der Bundestag mit 557 Ja-Stimmen bei 98 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen einem Kompromiss des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat zugestimmt. Neben den Regierungsfraktionen SPD, Grüne und FDP stimmte auch die Union dafür. AfD und Linke stimmten dagegen.
Mit dem am Mittwochabend in dem Bund-Länder-Gremium erzielten Kompromiss wurden die Anforderungen an Bürgergeld beziehende Menschen gegenüber den ursprünglichen Plänen der Koalition etwas verschärft. Verstöße gegen Mitwirkungspflichten können nun von Beginn an mit Leistungskürzungen sanktioniert werden. Auch die Höhe des eigenen Vermögens, das Bürgergeld-Beziehende anfangs nicht antasten müssen, und die Dauer der Karenzzeit, in der die Angemessenheit einer Wohnung und die Höhe des Vermögens nicht überprüft werden, wurden verringert.
Höherer Regelsatz, mehr Weiterbildung
Für die Betroffenen werden damit unter anderem die monatlichen Zahlungen ab Jahresanfang deutlich erhöht. Ein alleinstehender Erwachsener bekommt dann monatlich 502 Euro und damit 53 Euro mehr als bisher. Auch Paare und Kinder erhalten mehr Geld. Im Oktober hatten 5,33 Millionen Erwachsene und Kinder Anspruch auf Hartz-IV-Zahlungen. Darunter fallen auch Geflüchtete aus der Ukraine. Für das Bürgergeld sind im Bundeshaushalt für 2023 etwa 44 Milliarden Euro vorgesehen.
Die Umwandlung des 2005 unter Rot-Grün eingeführten Arbeitslosengeldes II in ein Bürgergeld soll einen Schwerpunkt auf Qualifizierung und Weiterbildung setzen, um mehr Arbeitslose in dauerhafte Beschäftigung zu vermitteln. Diese Teile der Reform sollen zum 1. Juli in Kraft treten.
"Sternstunde der Demokratie"
Im Bundesrat nannte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) die erzielte Einigung eine "Sternstunde der Demokratie". Er hob das deutsche System hervor, das auf Ausgleich und Kompromissbereitschaft setze. Auch Hessens Ministerpräsident Boris Rein (CDU) lobte das "schnelle und über Parteigrenzen hinweg gefundene Ergebnis". Die Anrufung des Vermittlungsausschusses habe nichts mit Blockade zu tun, betonte er. Trotz mitunter weit auseinander gehender Vorstellungen sei es gelungen, "einen guten und unterschiedliche Interessen berücksichtigenden Kompromiss zu erarbeiten". Das Bürgergeld werde "für viele Menschen in Deutschland eine spürbare Verbesserung bringen".
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) nannte als den für sie "allerwichtigsten Punkt" den Wegfall des Vermittlungsvorrangs hervor. Das gebe den Betroffenen "das Recht und die Möglichkeit", sich zu qualifizieren und sogar eine Ausbildung zu machen. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagte an die Adresse der CDU/CSU, die Debatte in den vergangenen Wochen sei "leider vergiftet geführt worden". Es sei die Behauptung im Raum gestanden, dass sich mit dem Bürgergeld Arbeit nicht mehr lohne. "Das stimmt nicht", betonte Schwesig. In einem sozialen Staat müsse sich Arbeit immer lohnen, das wäre auch mit dem ursprünglichen Entwurf der Ampelparteien so gewesen.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verwies in der Länderkammer auf den Kern des Sozialstaates, dass es immer um "Schutz und Chancen" gehe. Mit dem Bürgergeld könne dieser Grundsatz erneuert werden, sagte Heil.
"Hartz IV ist damit Geschichte"
Bei der Debatte im Bundestag sprach die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, von der größten Sozialreform seit Jahrzehnten: "Hartz IV ist damit Geschichte." Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), betonte, die Union habe im Vermittlungsverfahren erreicht, dass am Grundprinzip des Forderns und Förderns festgehalten werde. Sein Kollege von der FDP, Johannes Vogel, erklärte, es sei gelungen "ein gutes Gesetz noch besser zu machen".
Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Gesine Lötzsch, begründete die Ablehnung ihrer Fraktion damit, dass die Regelsatzerhöhung zu gering sei und das Hartz-IV-System im Kern erhalten bleibe. Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Götz Frömming, warf Union und Ampelparteien "Gekungel" im Vermittlungsausschuss vor.
Bundesagentur sieht sich vorbereitet
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) sicherte eine pünktliche Auszahlung des Bürgergeldes ab Januar zu. "Wir haben nun Klarheit und können loslegen. Die erhöhten Regelsätze werden wir pünktlich zum Jahreswechsel auszahlen", sagte die zuständige Vorständin der Bundesagentur, Vanessa Ahuja. Für das Bürgergeld sei kein neuer Antrag notwendig, betonte sie. "Wer über den Jahreswechsel hinaus Leistungen des Jobcenters bezieht, bekommt automatisch den höheren Regelsatz ausgezahlt."
Das Bürgergeld sei eine wichtige Reform, in die auch die Erfahrungen der Bundesagentur aus den vergangenen 17 Jahren eingeflossen seien, erklärte die BA-Vorständin. "Bei den Fördermöglichkeiten wird unser Instrumentenkasten größer."