Studie im Auftrag von Steinmeier Viele Ex-NSDAP-Mitglieder im Bundespräsidialamt
Im Bundespräsidialamt waren laut einer Studie viele Ex-NSDAP-Mitglieder beschäftigt. Laut Historiker Frei war das auf alte Verbindungen zurückzuführen. Das Forschungsprojekt umfasste die Amtszeiten von sechs Bundespräsidenten.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat untersuchen lassen, wie die ersten Bundespräsidenten mit der NS-Geschichte und früheren NSDAP-Mitgliedern umgegangen sind. Die Ergebnisse zeichnen ein differenziertes Bild.
Auch im Bundespräsidialamt waren in den ersten Jahrzehnten laut dem Historiker Norbert Frei zahlreiche Ex-Mitglieder der NSDAP beschäftigt. Frei, der die Studie leitete, sagte, letztlich gelte für dieses Amt, was auch für bereits untersuchte Bundesbehörden gelte: "Je höher der Dienstrang, desto dichter die Reihen der Ex-Parteigenossen."
Forschungsarbeit im Schloss Bellevue vorgestellt
Direkte personelle Kontinuitäten seien allerdings im Bundespräsidialamt kein großes Thema gewesen, erklärte er bei der Vorstellung seiner Forschungsergebnisse im Schloss Bellevue. Nur drei Mitarbeiter, alle jeweils auch ehemalige Mitglieder der NSDAP, seien vor ihrer Beschäftigung im Bundespräsidialamt in der von Adolf Hitler weitgehend ohnehin entmachteten Präsidialkanzlei tätig gewesen.
Die relativ hohe Zahl der Beschäftigten im höheren Dienst, die vorher Mitglieder der NSDAP gewesen waren, führte Frei nach eigenen Worten auf alte Verbindungen zurück. Dabei verwies er unter anderem auf den ersten Chef des Bundespräsidialamts unter Bundespräsident Theodor Heuss, Manfred Klaiber. Neben ihm seien vier von zehn Referatsleitern im Amt frühere Parteigenossen gewesen. In der zweiten Amtszeit von Heuss seien es sechs von elf gewesen.
"Vergangenheitspolitische Prägekraft" von Heuss
Frei machte aber auch deutlich, dass die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus wesentlich durch die Bundespräsidenten geprägt worden ist. "Für den gesellschaftlichen Umgang mit der Vergangenheit war, was das Staatsoberhaupt tat und wie es sich äußerte, von grundlegender Bedeutung", sagte Frei.
Dabei habe am Anfang die "vergangenheitspolitische Prägekraft" von Heuss gestanden. Das erste Staatsoberhaupt habe vor allem in den frühen Jahren seiner Präsidentschaft wie kein anderer Politiker einschlägige Begriffe geprägt oder verworfen. So habe Heuss drei Monate nach seiner Wahl 1949 von "Kollektivscham" gesprochen. Dies zielte gegen den Begriff "Kollektivschuld", mit dem die Deutschen die alliierten Entnazifizierungsbemühungen abwehren wollten. Eine kollektive Scham aber habe er für notwendig befunden.
Von normsetzender Bedeutung sei drei Jahre später auch das Eingeständnis gewesen, dass den Deutschen die Judenverfolgung - entgegen vieler anderslautender Beteuerungen - durchaus bekannt gewesen sei. "Wir haben von den Dingen gewusst", sagte Heuss 1952.
Steinmeier: "Demokratie ist kein Zustand"
Bundespräsident Steinmeier bezeichnete die Aufarbeitung des Umgangs seiner Vorgänger mit der NS-Zeit als bedeutsam für die Gegenwart. "Demokratie ist kein Zustand", sie müsse gegenüber denjenigen verteidigt werden, die sie "bedrohen oder sogar verachten", sagte er in Berlin.
"Gerade in dieser Zeit, in der unsere Demokratie so sehr angefochten ist, müssen wir uns als Gesellschaft unserer Geschichte bewusst sein", machte er weiter deutlich.
Amtszeiten von sechs Bundespräsidenten erforscht
Frei hatte seit 2020 den Umgang der Präsidenten und seiner Mitarbeiter mit der Zeit des Nationalsozialismus erforscht. Betrachtet wurden dabei öffentliche Auftritte und Reden der deutschen Staatsoberhäupter von 1949 bis 1994, aber auch personelle und ideelle Kontinuitäten zur NS-Zeit, Staatsbesuche oder Ordensverleihungen.
Das Forschungsprojekt umfasste die Amtszeiten von sechs Bundespräsidenten, angefangen von Theodor Heuss, der zwischen 1949 und 1959 Staatsoberhaupt war, über Heinrich Lübke, Gustav Heinemann, Walter Scheel und Karl Carstens bis zu Richard von Weizsäcker, der zwischen 1984 und 1994 das Amt bekleidete.