Ein Traktor zieht eine Spritze mit breiten Auslegern und verteilt Dünger und Pflanzenschutzmittel auf einem Getreidefeld.

Düngegesetz im Bundesrat Droht nun eine Million Euro Strafzahlung pro Tag?

Stand: 05.07.2024 04:27 Uhr

Heute geht es im Bundesrat unter anderem um das Düngegesetz. Mehrere Bundesländer wollen nicht zustimmen - obwohl das Gesetz nur EU-Vorgaben umsetzen soll. Die EU droht mit Strafzahlungen.

Von Alexander Budweg, ARD Berlin

Eigentlich wollte die Bundesregierung an diesen Freitag einen Schlussstrich unter den seit zwölf Jahren laufenden Düngestreit mit der EU-Kommission ziehen. Doch im Bundesrat bahnt sich ein Machtspiel mit den Ländern an. In dessen Folge könnte Deutschland erneut ein Vertragsverletzungsverfahren mit täglichen Strafzahlungen in Millionenhöhe drohen.

Konkret geht es um das Düngegesetz, das heute in der Länderkammer zur Abstimmung steht. Mehrere Länder haben angekündigt, nicht zustimmen zu wollen - darunter nicht nur CDU-geführte.

"Brandenburg wird diesem Unfug nicht zustimmen", tönte zum Beispiel SPD-Politiker Dietmar Woidke. Als Ort für diese Kampfansage hatte sich Brandenburgs Ministerpräsident, der mitten im Landtagswahlkampf steckt, gezielt den Deutschen Bauerntag in Cottbus vor knapp einer Woche ausgesucht. Bei den Landwirten ist das Düngegesetz als bürokratisches Monster regelrecht verhasst.

Bauern gegen diese Form der Kontrolle

Es verpflichtet jeden Betrieb dazu, eine sogenannte Stoffstrombilanz zu erstellen. Das bedeutet: Jeder Landwirt muss genau protokollieren, wie viel Dünger er auf seinen Feldern ausbringt. Zudem muss er festhalten, wie viel davon als gebundener Nährstoff zum Beispiel im Getreide wieder seinen Hof verlässt. Daraus kann dann errechnet werden, was als Überschuss im Boden verbleibt, also zu viel ausgebracht wurde.

Die Ablehnung unter den Landwirten dagegen ist auch deshalb so groß, weil viele Daten mehrfach erhoben und an unterschiedliche Behörden zu unterschiedlichen Zeitpunkten gemeldet werden müssen.

Brandenburgs Ministerpräsident Woidke kennt die Vorbehalte der Bauern gegen diese Form der Kontrolle genau. Er weiß aber auch: Sollte es heute keine Mehrheit für das Düngegesetz geben, würde Deutschland entscheidende Vorgaben zur Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie abermals nicht erfüllen. Die Reaktion aus Brüssel könnte schnell folgen.

Schleppende Umsetzung von Anfang an

Immerhin wurde die Richtlinie bereits 1991 erlassen. Sie soll verhindern, dass Flüsse, Seen oder das Grundwasser durch im Dünger enthaltene Nitrate aus der Landwirtschaft verschmutzt werden.

Deutschland tat sich bei der Umsetzung der Vorgaben aber von Anfang an schwer, woran auch die Bauernlobby ihren Anteil gehabt haben dürfte. Statt wie vorgesehen nach zwei Jahren erfolgte die Umsetzung hierzulande erst 1996 - bis heute aber ohne nennenswerten Effekt für die Umwelt. Der vorgeschriebene Grenzwert wird an vielen Stellen in Deutschland überschritten, zum Teil sogar um das vier- bis sechsfache.

Vor zwölf Jahren leitete die EU-Kommission deshalb ein Verfahren gegen Deutschland ein. Fünf weitere Jahre vergingen, bis die damals noch CDU-geführte Bundesregierung handelte und das Düngerecht anpasste.

Die Maßnahmen reichten der EU aber nicht aus und der Fall landete vor dem Europäischen Gerichtshof. Das Urteil war eine Klatsche für die Bundesrepublik, denn die Richter gaben der EU-Kommission in allen Punkten recht. Brüssel eröffnete daraufhin ein weiteres Verfahren. Ab jetzt drohten Strafzahlungen von mehr als einer Million Euro pro Tag.

"Deutschland ist ein einziger Ausnahmefall"

Nach intensiven Verhandlungen wurde das Verfahren dann aber doch eingestellt - zumindest vorerst. Die nun aus SPD, Grüne und FDP bestehende Bundesregierung verpflichtete sich unter anderem dazu, ein sogenanntes Wirkungsmonitoring einzuführen. Dieses soll überwachen, ob in Regionen mit einer zu hohen Nitratbelastung effektiv dagegen vorgegangen wird oder andere Maßnahmen ergriffen werden müssen.

Geregelt ist all das im neuen Düngegesetz, das nun auf der Kippe steht, was auch die Einigung mit der EU-Kommission gefährdet. "Deutschland ist ein einziger Ausnahmefall und die EU ist nicht länger gewillt, das hinzunehmen." Mit diesen Worten beschreibt ein hochrangiger Beamter die Haltung der Brüsseler Vertragshüter im Düngestreit mit der Bundesrepublik und verdeutlicht damit, welche Konsequenzen ein Nein zum Düngegesetz haben könnte. Auf eine neuerliche Hängepartie würde sich die EU-Kommission wohl nicht einlassen.

Özdemir macht Ländern ein Angebot

Um die damit drohenden Strafzahlungen abzuwenden und sich die Zustimmung der Länder zu erkaufen, versucht es Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir mit einem Kompromissangebot. Der Grünen-Politiker bietet an, dass die Landwirte ab dem Spätsommer zunächst nicht mehr haarklein ihren Düngereinsatz dokumentieren müssen. Zumindest so lange bis eine neue, bürokratieärmere Regelung getroffen worden ist.

Viele Ländervertreter aber winken ab. Sie würden verhindern wollen, dass Özdemir mit dem neuen Gesetz in eine zu starke Verhandlungsposition komme, heißt es zur Erklärung. So würde ihn das neue Düngegesetz dazu ermächtigen, eine ganze Reihe weiterer Regeln zum Einsatz von Dünger zu erlassen.

Unter den Ländern ist die Sorge groß, dass dies am Ende für die Landwirte mehr Bürokratie, also mehr Aufwand bedeuten würden. Auf CDU-Seite ist gar von einem "Machtspiel" mit dem Bundeslandwirtschaftsminister die Rede. Die Forderung: Özdemir solle erst einmal alle geplanten Neuregelungen auf den Tisch legen.

Länder haben keine Angst vor Strafzahlungen

Sorge vor einem erneuten Vertragsverletzungsverfahren bei der EU-Kommission oder gar vor Strafzahlungen gibt es unter den Ländern kaum. Dort hält man das ganze eher für eine übertriebene Drohgebärde des Bundeslandwirtschaftsministeriums.

Sollte das Düngegesetz keine Mehrheit in der Länderkammer bekommen, würde es zunächst im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat landen. Das koste maximal zwei bis drei Monate Zeit, meint ein Ländervertreter. Das würde heißen, dass das Thema erst nach den drei Landtagswahlen im Osten wieder auf der Agenda landen würde.

Zeit, die sich vor allem Wahlkämpfer wie Brandenburgs Ministerpräsident Woidke sicher gerne nehmen würden. Fraglich aber, ob das auch für Brüssel gilt.