CDU-Kanzlerkandidat Merz spricht im Bundestag
analyse

Neuer Bundestag Wenig Spielraum für frühere Konstituierung

Stand: 17.03.2025 21:24 Uhr

Vor allem die AfD wittert eine weitere Chance, die geplanten Grundgesetzänderungen für mehr Schulden zu stoppen. Der Plan verspricht aber weniger Erfolg, als die AfD glaubt.

Von Philip Raillon, ARD-Rechtsredaktion

Die AfD fordert, dass sich der neue Bundestag früher trifft als bislang geplant. Dann wäre der alte Bundestag Geschichte und der neue zuständig. Im neuen Bundestag könnten Union, SPD und Grüne nicht mehr das Grundgesetz ändern, da ihnen die nötige Zweidrittelmehrheit fehlt. Die AfD übt nun Druck auf die Linkspartei aus, den Plan zu unterstützen. Doch der ist rechtlich ohnehin alles andere als sicher.

Karlsruhe lehnte bislang alle Eilanträge ab

Die AfD zieht ihre Hoffnung aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von vergangenem Freitag. AfD, BSW und Linke versuchen seit Tagen, die Sitzungen des alten Bundestages durch das Bundesverfassungsgericht stoppen zu lassen. Bislang ohne Erfolg.

In dem Beschluss vom Freitag geht es um die Frage, wann die alte Bundestagspräsidentin verpflichtet ist, den neuen Bundestag einzuberufen. Dazu heißt es in der Gerichtsentscheidung: "Eine Pflicht zur Einberufung des neuen Bundestages vor Ablauf des 30. Tages nach der Wahl (Art. 39 Abs. 2 GG) setzt jedoch voraus, dass der neue Bundestag den Willen zum Zusammentritt gebildet und sich dafür auf einen Termin verständigt hat." Das sei bislang nicht geschehen.

Laut Gericht ist also der Wille zum Zusammentritt entscheidend. Was ist damit gemeint? Dazu sagt das Gericht nichts.

Die AfD meint, ein Drittel der Abgeordneten sei ausreichend, um einen früheren ersten Termin zu verlangen. Sie hat nun folgende Idee: Die künftige Links-Fraktion soll parallel beantragen, dass die erste Sitzung früher stattfindet. Zusammen mit der Linkspartei bildet die AfD ein Drittel der künftigen Abgeordneten.

Doch geht das?

Ob ein Drittel der künftigen Abgeordneten ausreichen würde, ist rechtlich fraglich.

Rechtlich ist erstmal nur klar: Der neue Bundestag kann selbst entscheiden, wann er sich zum ersten Mal trifft. Das Bundesverfassungsgericht hat das in seinem Beschluss vom Freitag nochmal klar gemacht. Die alte Bundestagspräsidentin lädt zwar zur ersten Sitzung ein. Doch: "Ihr (Anm: Das der Bundestagspräsidentin) Handeln wird (...) als treuhändische Ausübung des Selbstversammlungsrechts des neugewählten Bundestages angesehen."

Der neue Bundestag kann also entscheiden, wann er sich trifft und damit den Staffelstab vom alten Bundestag übernimmt. Das Grundgesetz sagt nur, dass die Sitzung bis zum 30. Tag nach der Wahl stattfinden muss.

Wie viele neue Abgeordnete müssen Sitzung beantragen?

Die AfD sagt, das Drittel aus AfD und Linke würde ausreichen. Ob das so ist oder eine Mehrheit - also die Hälfte - der Abgeordneten nötig wäre, ist rechtlich nicht abschließend geklärt. Im Ergebnis spricht aber mehr dafür, dass ein Drittel nicht ausreicht.

Die AfD bezieht sich auf das Bundesverfassungsgericht und auf Art. 39 Abs. 3 GG. Das Gericht hat in seinem Beschluss vom Freitag auf § 1 Abs. 1 GO-BT verwiesen, die Geschäftsordnung des Bundestages. In der GO-BT geht es an dieser Stelle um die Konstituierung, also die erste Sitzung. Die Geschäftsordnung nimmt dort auf Art. 39 des Grundgesetzes Bezug. Und zwar genau so allgemein, ohne Einschränkung. Mit diesem Verweis bezieht sich die Geschäftsordnung auch auf einen Passus, wonach ein Drittel der Abgeordneten eine Sitzung des Bundestages beantragen können. Also ein Argument für die AfD-Position?

Ja, aber nicht unbedingt überzeugend. Das Antragsrecht von einem Drittel der Abgeordneten gibt es zwar. Es steht in Art. 39 Abs. 3 S. 3 GG. Das gelte aber nicht für die allererste Sitzung eines Bundestages, meinen mehrere Verfassungsrechtler. Ein Argument dafür: Die Ein-Drittel-Regelung bezieht sich nach dem Wortlaut auf "Mitglieder" des Bundestages. Mitglied des Bundestages ist man aber erst nach der allerersten Sitzung. Die Ein-Drittel-Regelung würde demnach nicht für die allererste Sitzung eines künftigen Bundestages gelten.

Wille des neuen Bundestages ist entscheidend

Ein zentrales Argument gegen die AfD-Position: Den erforderten Willen zum Zusammentritt kann das Gremium Bundestag schon rein logisch nur bilden, wenn eine Mehrheit der künftigen Abgeordneten diesen auch so kundtut. Wenn es nur ein Drittel täte, wäre es nicht der Wille des künftigen Bundestages, sondern nur eines Teiles.

Ein weiteres Indiz dafür: Nach Art. 42 Abs. 2 Grundgesetz fällt der Bundestag seine Beschlüsse normalerweise mit der Stimmenmehrheit. Diese Regelung bezieht sich zwar auf einen schon bestehenden Bundestag und nicht auf das künftige Parlament. Denn das hat sich beim Antrag auf die erste Sitzung gerade noch nicht gebildet. Trotzdem dürfte der Grundgedanke vergleichbar sein.

Auf die Mehrheit der künftigen Abgeordneten stellt auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) ab. Sie wolle an dem von Union und SPD anvisierten Termin, dem 25. März, festhalten. Union und SPD hatten sich mit ihrer Mehrheit für dieses späte Datum ausgesprochen.

Keine abschließende Gewissheit ohne Antrag von AfD und Linke

Fazit: Die Frage, ob ein Antrag eines Drittels ausreichen würde, ist nicht abschließend geklärt.

Eine echte Gewissheit gäbe es nur, wenn zumindest ein Drittel der künftigen Abgeordneten - sprich AfD und Linke - die erste Sitzung zeitnah beantragen würden. Das ist politisch aber unrealistisch: Die Linkspartei lehnt das momentan ab und verweist auf die rechtlichen Argumente. Ob sie dabei bleibt, bleibt eine politische Frage. Es kommt für die Linke aber bislang nicht in Betracht, parallel zur AfD den Antrag auf eine erste Sitzung des neuen Bundestages zu stellen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 17. März 2025 um 12:16 Uhr.