Bundesverfassungsgericht Welche Daten darf die Polizei sammeln?
Das Bundesverfassungsgericht verkündet heute sein Urteil zum BKA-Gesetz. Im Kern geht es um die Frage, welche Infos die Sicherheitsbehörden in Polizeidatenbanken speichern dürfen. Geklagt hatten unter anderem Fußballfans.
Zum BKA-Gesetz hatte das Bundesverfassungsgericht bereits 2016 geurteilt und sehr grundsätzliche Vorgaben dafür gemacht, was die Polizei darf und was nicht, zum Beispiel bei der Überwachung von Wohnraum. Das BKA-Gesetz wurde damals geändert, doch nun muss Karlsruhe über neue Klagen entscheiden.
Diese richten sich gegen Befugnisse der Polizei, Daten zu sammeln und in Datenbanken zu speichern. Gleich zu Beginn der Verhandlung im Dezember 2023 betonte Stephan Harbarth, Vorsitzender des Ersten Senats und Präsident des Bundesverfassungsgerichts: Karlsruhe müsse wieder einmal abwägen, was in diesem Fall überwiegt – der Sicherheitsauftrag des Staates oder das berechtigte Interesse jedes Bürgers, dass der Staat nicht zu viel über ihn weiß.
Werden aus Polizeidaten umfassende Persönlichkeitsprofile?
Geklagt hatten unter anderem zwei Rechtsanwältinnen und zwei Fußballfans. Sie kritisieren, dass durch das BKA-Gesetz vernetzte Polizeidatenbanken geschaffen werden sollen. Schon bei geringfügigen Anlässen würden in diesen Datenbanken zu viele Daten von zu vielen Bürgerinnen und Bürgern gesammelt und gespeichert. Umfassende Persönlichkeitsprofile könnten so von den Sicherheitsbehörden erstellt werden.
Eine der Beschwerdeführerinnen in Karlsruhe ist Stephanie Dilba. Sie ist Fußballfan, ihr Verein ist der TSV 1860 München. Obwohl sie nie wegen einer Straftat verurteilt wurde, wie sie sagt, wurden auch ihre Daten polizeilich gespeichert.
Wenn sie ins Stadion gehe und Polizisten gegenüberstehe, frage sie sich: "Kennen die meinen Namen, wissen die, wer ich bin, schauen die auf mich?"
Das Gefühl, überwacht zu werden
Stephanie Dilba ist in der Fanarbeit aktiv. Sie engagiert sich gegen Gewalt in Fußballstadien und hat deshalb Kontakte zu potenziell gewaltbereiten Fans. Wenn deswegen ihre Daten gespeichert sind, könnte das Nachteile für sie haben, befürchtet sie. Zum Beispiel bei Fußballspielen, bei denen es zu Konflikten zwischen Fangruppen kommt:
"Auch wenn ich einfach nur das Spiel besuchen möchte mit meinem Schal, kann es einfach zu irgendwas kommen. Was passiert denn, wenn ich da bin, komme ich vielleicht in eine Polizeimaßnahme rein? Wird mein Name gelesen? Werde ich dann wieder festgehalten, wie es mir bereits mal passiert ist?" Das seien Befürchtungen, die unterschwellig da seien, sagt Stephanie Dilba, "kein schönes Gefühl".
Bundesinnenministerin verteidigte Gesetz vor Gericht
Bei der Verhandlung in Karlsruhe im Dezember 2023 war auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser vor Ort. Sie verteidigte die Regeln zum Datensammeln im BKA-Gesetz. Ein besserer Datenaustausch zwischen Polizeibehörden, besonders zwischen denen des Bundes und der Länder, sei aus ihrer Sicht wichtig.
Genau dafür seien gemeinsame Datenbanken der Sicherheitsbehörden da. Beim Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität dienten sie "dem Schutz der Sicherheit der Bevölkerung“, so die Bundesinnenministerin. Sie verwies auch darauf, dass im internationalen Vergleich die Regeln für das polizeiliche Datensammeln in Deutschland sehr streng seien und es für die deutsche Polizei bereits hohe Hürden gebe.
Viele kritische Fragen
Fußballfan Stefanie Dilba sagt, dass sie der Polizei nicht grundsätzlich misstraue. Mit ihrer Klage will sie aber erreichen, dass das Datensammeln transparent wird und klare Regeln bekommt: "Welche Daten dürfen wie lange gespeichert werden? Wer hat Zugriff darauf und zu welchem Zweck? Und da herrscht anscheinend große Unsicherheit auf allen Flächen. Und das geht meines Erachtens in einem Rechtsstaat nicht."
Dass polizeiliche Datenbanken generell wichtig sind, wird von den Klägern nicht bestritten. Doch sie stellen kritische Fragen: Bei welchem Anlass dürfen Daten in Datenbanken aufgenommen werden? Welche Polizeibehörden dürfen auf diese Daten zugreifen?
Fragen, die auch die Karlsruhe Richterinnen und Richter in der Verhandlung sehr ernst genommen haben. Das hat eine ganz Reihe kritischer Nachfragen an die Vertreter der Bundesregierung gezeigt.
Karlsruhe könnte Nachbesserungen verlangen
Eine weitere Kritik, die in der Verhandlung zur Sprache kam: Das BKA-Gesetz erlaube nicht nur, Verdächtige zu überwachen, sondern in bestimmten Fällen auch Daten ihrer Kontaktpersonen zu erheben. Anwältinnen und Anwälte, die mit Strafverfahren betraut sind und oft mit Verdächtigen zu tun haben, könnten allein deshalb in Datenbanken gespeichert werden. Hierfür bräuchte es aus Sicht der Kläger höhere rechtliche Hürden.
Ebenso seien einige Regeln im BKA-Gesetz nicht verständlich genug formuliert. Zum Beispiel die Vorschriften für den Fall, dass bereits gewonnene Daten von Verdächtigen oder Verurteilten weiterverarbeitet werden.
Hier waren deutliche Zweifel der Richterinnen und Richter zu spüren, ob die entsprechenden Normen im BKA-Gesetz hinreichend genau seien. Beobachter der Verhandlung rechnen deshalb damit, dass das Verfassungsgericht einige Teile des BKA-Gesetzes beanstanden könnte und der Gesetzgeber dann nachbessern muss.